Geschäftsführer haften nicht persönlich für den Mindestlohn der Arbeitnehmer der GmbH
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 30. März 2023 (Az. 8 AZR 120/22) entschieden: Ein Geschäftsführer einer GmbH haftet gegenüber den Arbeitnehmern nicht persönlich auf Schadensersatz, wenn die GmbH den gesetzlichen Mindestlohn nicht zahlt.
Hier ist die Erklärung in einfachen Worten:
Wer haftet? Grundsätzlich haftet bei einer GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung) immer nur die Gesellschaft selbst mit ihrem Vermögen für ihre Schulden – auch für nicht gezahlte Löhne. Dies ist der Sinn der Haftungsbeschränkung einer GmbH.
Der Geschäftsführer ist das Organ der Gesellschaft. Er ist zwar dafür verantwortlich, dass die GmbH rechtmäßig handelt (sogenannte Legalitätspflicht), aber diese Pflicht besteht primär gegenüber der Gesellschaft selbst.
Der Geschäftsführer haftet Dritten (wie den Arbeitnehmern) gegenüber grundsätzlich nicht persönlich für Schulden der Gesellschaft. Eine persönliche Haftung gibt es nur in Ausnahmefällen, wenn ein besonderer Haftungsgrund vorliegt.
Das Mindestlohngesetz verpflichtet den Arbeitgeber (die GmbH), seinen Angestellten mindestens den gesetzlichen Mindestlohn zu zahlen.
Wenn die GmbH den Mindestlohn nicht zahlt, begeht sie eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden kann.
Zwar richtet sich die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns an die GmbH als Arbeitgeberin. Dennoch können die Geschäftsführer, die die GmbH vertreten, für diesen Verstoß bußgeldrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Das bedeutet: Sie können das Bußgeld zahlen müssen.
Der Kern der gerichtlichen Entscheidung liegt in der Frage, ob die Bußgeldvorschrift des Mindestlohngesetzes (§ 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG) ein sogenanntes „Schutzgesetz“ im Sinne des Zivilrechts (§ 823 Abs. 2 BGB) ist, das die persönliche Haftung des Geschäftsführers gegenüber den Arbeitnehmern begründet.
Ein Schutzgesetz ist eine Norm, die zumindest auch den Zweck hat, Einzelpersonen oder bestimmte Personenkreise vor der Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes (z.B. Eigentum, Gesundheit) oder Interesses zu schützen und ihnen einen persönlichen Schadensersatzanspruch zu geben, wenn das Gesetz verletzt wird.
Das BAG sagt: Die Bußgeldvorschrift des MiLoG ist kein solches Schutzgesetz im Verhältnis zwischen Geschäftsführer und Arbeitnehmer.
Zwar soll das MiLoG die Arbeitnehmer schützen und ihnen einen Anspruch auf Mindestlohn geben.
Aber die Bußgeldandrohung zielt in erster Linie darauf ab, den Arbeitgeber (die GmbH) zur Zahlung anzuhalten und dient der effektiven Durchsetzung der Mindestlohn-Zahlungspflicht.
Der Gesetzgeber hat nicht den Willen geäußert, mit dieser Bußgeldregelung das gesamte Haftungssystem der GmbH auszuhebeln und eine persönliche Haftung der Geschäftsführer gegenüber den Arbeitnehmern zu schaffen.
Die bloße Tatsache, dass der Geschäftsführer für den Verstoß der GmbH ein Bußgeld zahlen kann, führt nicht automatisch dazu, dass er auch persönlich für den Mindestlohn haftet. Die Arbeitnehmer müssen ihren Lohnanspruch weiterhin von der GmbH fordern.
Der Arbeitgeber ist die GmbH, die den Lohn schuldet.
Der Anspruch auf Mindestlohn richtet sich an die GmbH und kann nur von ihr mit ihrem Gesellschaftsvermögen gefordert werden.
Der Geschäftsführer kann zwar mit einem Bußgeld belegt werden, wenn die GmbH den Mindestlohn nicht zahlt. Er haftet den Arbeitnehmern gegenüber aber nicht persönlich für den ausstehenden Lohn.
Dieses Urteil bestätigt die Trennung zwischen der juristischen Person GmbH und ihrem Organ (dem Geschäftsführer) und hält am Prinzip fest, dass die Haftung des Geschäftsführers nach außen hin auf Ausnahmefälle beschränkt bleibt.
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