Geschäftsführer muss bei Zugang Anmeldung beim Register vertretungsbefugt sein – KG Beschluss 8.5.2023 – 22 W 15/23

Juli 18, 2024

Geschäftsführer muss bei Zugang Anmeldung beim Register vertretungsbefugt sein – KG Beschluss 8.5.2023 – 22 W 15/23

Zusammenfassung RA und Notar Krau


Das Kammergericht (KG) hatte über die Wirksamkeit einer Handelsregisteranmeldung zu entscheiden, bei der der Geschäftsführer (GF) im Zeitpunkt der Unterzeichnung noch im Amt war, das Amt aber vor Übermittlung der Anmeldung niederlegte.

Umstritten ist, ob der GF bei Unterzeichnung der Anmeldung vertretungsbefugt sein muss oder ob es auf den Zugang der Anmeldung beim Registergericht ankommt.

Streitpunkte und Ansichten


Vertretungsbefugnis bei Unterzeichnung:


Einige Gerichte und Literaturstellen vertreten, dass der GF bei Unterzeichnung der Anmeldung vertretungsbefugt sein muss.

Dies basiert auf allgemeinen Grundsätzen der Stellvertretung und dem Rechtsgedanken des § 180 BGB, der das Handeln ohne Vertretungsmacht betrifft.

Vertretungsbefugnis bei Abgabe der Erklärung:


Andere Stimmen meinen, die Vertretungsbefugnis müsse im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung gegenüber dem Registergericht vorliegen.

Hier wird § 130 Abs. 2 BGB angewandt, der den Zugang empfangsbedürftiger Willenserklärungen regelt.

Vertretungsbefugnis bei Zugang der Erklärung:


Eine dritte Meinung argumentiert, es komme auf den Zugang der Erklärung beim Registergericht an, gestützt auf § 130 Abs. 1 und 3 BGB, wonach eine Erklärung erst wirksam wird, wenn sie dem Empfänger zugeht.

Geschäftsführer muss bei Zugang Anmeldung beim Register vertretungsbefugt sein – KG Beschluss 8.5.2023 – 22 W 15/23

Entscheidung des Kammergerichts


Das KG widerspricht der erstgenannten Ansicht und schließt sich der dritten Meinung an.

Die Registeranmeldung sei eine empfangsbedürftige verfahrensrechtliche Erklärung, die erst mit Zugang beim Registergericht wirksam werde.

Vorherige Unterzeichnungen beim Notar seien nur interne Vorgänge.

Die Vertretungsbefugnis müsse daher im Zeitpunkt des Zugangs der Anmeldung beim Gericht vorliegen.

Rechtsunsicherheit in der Praxis


Es besteht weiterhin Unsicherheit in der notariellen Praxis, da widersprüchliche obergerichtliche Entscheidungen vorliegen.

Eine Klärung durch den BGH ist nicht absehbar, da die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wurde.

Das KG weicht zudem von der herrschenden Auffassung ab, wonach der Zugang von Willenserklärungen erst erfolgt, wenn die Erklärung in den Machtbereich des Empfängers gelangt und unter gewöhnlichen Umständen mit einer Kenntnisnahme gerechnet werden kann.

Sachverhalt und Verfahrensablauf


Gesellschaft:

Eine GmbH, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg.


Geschäftsführer: Herr J und Herr K, beide befugt, Rechtsgeschäfte abzuschließen.

Der Geschäftsführer muss im Zeitpunkt des Zugangs der Anmeldung beim Registergericht vertretungsbefugt sein – KG Beschluss vom 8.5.2023 – 22 W 15/23


Gesellschafterversammlung:

Am 9. August 2022 beschloss Herr J als Alleingesellschafter die Sitzverlegung von Berlin nach Magdeburg.


Amtsniederlegung:

Herr J legte am gleichen Tag sein Amt als GF mit sofortiger Wirkung nieder.


Probleme bei der Anmeldung


Anmeldung der Sitzverlegung:

Die Anmeldung wurde vom Notar elektronisch am 18. August 2022 eingereicht. Herr J war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr GF, da er sein Amt niedergelegt hatte.


Ablehnung der Anmeldung:

Das Registergericht Charlottenburg lehnte die Anmeldung ab, da Herr J im Zeitpunkt der Abgabe der Anmeldung nicht mehr vertretungsbefugt war.


Entscheidungsgründe des KG


Formelle Anforderungen:

Das abgebende Registergericht prüft die formellen Anforderungen einer Sitzverlegung (§ 13h Abs. 2 S. 3 HGB).

Der Geschäftsführer muss im Zeitpunkt des Zugangs der Anmeldung beim Registergericht vertretungsbefugt sein – KG Beschluss vom 8.5.2023 – 22 W 15/23

Vertretungsbefugnis:

Anmeldungen zum Handelsregister müssen durch vertretungsberechtigte Geschäftsführer erfolgen (§§ 54 Abs. 1, 78 GmbHG).

Alleinvertretungsbefugnis:

Herr J war nicht alleinvertretungsbefugt, und eine konkludente Ermächtigung zur Alleinvertretung ist nicht nach außen kundgetan worden.

Amtsniederlegung:

Die Niederlegung des GF-Amtes erfolgte wirksam gegenüber dem alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer der neuen Gesellschafterin und war nach außen kundgetan.

Die Anmeldung der Sitzverlegung war daher unwirksam, da Herr J im Zeitpunkt der Abgabe der Anmeldung nicht mehr GF war.

Bewertung der Vertretungsbefugnis


Zeitpunkt der Unterzeichnung:

Eine Ansicht, die Vertretungsbefugnis müsse bei Unterzeichnung vorliegen, wird abgelehnt, da es sich um eine empfangsbedürftige verfahrensrechtliche Erklärung handelt.


Zeitpunkt der Abgabe/Übermittlung:

Eine Ansicht, die Vertretungsbefugnis müsse im Zeitpunkt der Abgabe vorliegen, wird berücksichtigt, aber als nicht entscheidend angesehen.


Zeitpunkt des Zugangs:

Die entscheidende Ansicht ist, dass die Vertretungsbefugnis im Zeitpunkt des Zugangs der Anmeldung beim Registergericht vorliegen muss.


Fazit


Das KG entschied, dass der GF im Zeitpunkt des Zugangs der Anmeldung beim Registergericht vertretungsbefugt sein muss.

Diese Entscheidung betont die Bedeutung des Zugangszeitpunkts und lehnt frühere Ansichten ab, die auf die Unterzeichnung oder Abgabe der Erklärung abstellen.

Dies führt zu einer praxisrelevanten Klärung, obwohl weiterhin Rechtsunsicherheit aufgrund unterschiedlicher obergerichtlicher Entscheidungen besteht.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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