Geschäftsführerhaftung im Cash-Pool nach Eintritt der Insolvenzreife

November 5, 2025

Geschäftsführerhaftung im Cash-Pool nach Eintritt der Insolvenzreife

Urteil des OLG Bamberg vom 27.11.2024 (3 U 49/23)


Worum geht es hier eigentlich?

Der Kläger, der Insolvenzverwalter der B GmbH (die Insolvenzschuldnerin, ehemals H GmbH), will Geld zurück:

  1. Von den ehemaligen Geschäftsführern (Beklagte zu 1 und 2) wegen verbotener Zahlungen nach Insolvenzreife (nach altem Recht: § 64 Abs. 1 GmbHG a.F.).
  2. Von der Beklagten zu 3 (einer Tochtergesellschaft) wegen einer Rückzahlung aus dem Cash-Pool, die kurz vor der Insolvenz anfechtbar sei ($\S\S\ 133$ ff. InsO – Insolvenzanfechtung).

Im Kern geht es um eine Überweisung von ca. 14,1 Millionen Euro vom Cash-Pool-Konto der Insolvenzschuldnerin auf ein Konto der Beklagten zu 3 am 22. Dezember 2014. Diese Überweisung war Teil einer Umstrukturierung und eines Wechsels der Cash-Pool-Führung auf die Beklagte zu 3, der von den finanzierenden Banken (Konsortialkreditgebern) gefordert wurde.

Die zentrale Frage: War das Geld „Masse“ oder nicht?

Der Schlüssel zur Lösung ist die Frage, ob diese 14,1 Mio. Euro zum Zeitpunkt der Überweisung überhaupt noch dem Vermögen der Insolvenzgläubiger zur Verfügung standen.

  • Die Insolvenzschuldnerin und die Beklagte zu 3 waren Teil eines Cash-Pool-Systems, bei dem Kontoguthaben quasi in einem gemeinsamen „Topf“ verwaltet wurden.
  • Wichtig: Sämtliche Kontenguthaben der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten zu 3 waren bereits seit 2006 umfassend zugunsten der Banken verpfändet (Sicherungsrechte). Die Kreditlinien der Banken überstiegen den überwiesenen Betrag bei Weitem.

Das Urteil des OLG Bamberg – Kurzerklärung für Laien

Das OLG Bamberg hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Sowohl die Insolvenzanfechtung als auch die Haftung der Geschäftsführer scheitern.

Geschäftsführerhaftung im Cash-Pool nach Eintritt der Insolvenzreife

1. Keine Insolvenzanfechtung gegen die Beklagte zu 3 (§ 129 ff. InsO)

  • Der Grundsatz: Eine Anfechtung (Rückforderung) ist nur möglich, wenn die Rechtshandlung (die Überweisung) die Gläubiger benachteiligt (Masseschmälerung).
  • Der Sonderfall „Wertausschöpfende Belastung“: Eine Gläubigerbenachteiligung scheidet aus, wenn ein Bankguthaben bereits unanfechtbar mit einem Absonderungsrecht (hier: Pfandrecht) belastet ist und dieses Pfandrecht den Wert des Guthabens voll ausschöpft. Man sagt, es liegt eine wertausschöpfende Verpfändung vor.
  • Die Anwendung: Das Kontoguthaben war schon lange vor der Überweisung zugunsten der Banken verpfändet und die gesicherte Forderung der Banken (über 36 Mio. EUR) überstieg den überwiesenen Betrag (14,1 Mio. EUR).
  • Die Konsequenz: Da das Geld aufgrund der Verpfändung ohnehin den Banken als Pfandgläubigern zustand und die Verpfändung den Wert ausschöpfte, blieb den normalen Insolvenzgläubigern kein geschützter Vermögenswert. Die Überweisung war letztlich nur eine Umlagerung eines bereits gesicherten Guthabens innerhalb des Cash-Pools, die die Gläubigerlage der ungesicherten Gläubiger nicht verschlechterte.
  • Fazit: Es war „fremdes“ Geld (wirtschaftlich gesehen das der Banken), nicht das der Gläubiger. Es gab keine Benachteiligung.

2. Keine Haftung der Geschäftsführer (§ 64$ GmbHG a.F. und § 826 BGB)

  • Haftung wegen Zahlungen nach Insolvenzreife (§ 64 GmbHG a.F.): Die Geschäftsführer haften nur für Zahlungen, die eine Masseschmälerung verursachen. Da die Übertragung eines wertausschöpfend belasteten Guthabens laut OLG gerade keine Gläubigerbenachteiligung darstellt (siehe oben), scheidet auch eine Haftung der Geschäftsführer aus diesem Grund aus.
  • Haftung wegen Existenzvernichtendem Eingriff (§ 826 BGB): Hier geht es um die sittenwidrige „Ausplünderung“ der Gesellschaft. Das OLG verneint dies:
    • Die Überweisung ging auf eine Anforderung der finanzierenden Banken zurück, um die Restrukturierung fortzuführen – also nicht auf eine „Selbstbedienung“.
    • Maßgeblich ist, dass die Überweisung die Zugriffsmöglichkeit der Insolvenzschuldnerin auf das Cash-Pool-Guthaben tatsächlich nicht verändert hat (sie konnte bis Mai 2015 weiter darauf zugreifen).
    • Die Übertragung hat die Insolvenz weder ausgelöst noch vertieft, da es sich nur um die Umlagerung eines bereits gesicherten Kontoguthabens handelte.

Fazit

  1. Sicherheiten haben Vorrang: Wenn Vermögenswerte (wie ein Bankguthaben) schon lange vor der Insolvenz wirksam und wertausschöpfend zugunsten einer Bank verpfändet sind, gehören sie wirtschaftlich nicht mehr zur freien Insolvenzmasse.
  2. Cash-Pools sind komplex: Umbuchungen innerhalb eines Cash-Pools, vor allem wenn die Konten zugunsten der Banken verpfändet sind, können keine Gläubigerbenachteiligung darstellen, weil sich die Rechtslage der ungesicherten Gläubiger nicht verschlechtert hat.
  3. Geschäftsführer-Risiko: Die Haftung für Zahlungen nach Insolvenzreife greift nur, wenn freie Masse angetastet wird. Bei wertausschöpfend gesicherten Beträgen ist dies nicht der Fall.
RA und Notar Krau

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