Geschäftsgeheimnisse – Geheimnisschutz – Unterlassung
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 17. Oktober 2024 (8 AZR 172/23) befasst sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen
ein Unternehmen von einem ehemaligen Mitarbeiter die Unterlassung der Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen verlangen kann.
Im Kern geht es um die Anwendbarkeit des neuen Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) auf Sachverhalte, die sich vor dessen Inkrafttreten ereignet haben, sowie um die
Wirksamkeit einer formularmäßig vereinbarten, zeitlich unbegrenzten Geheimhaltungsklausel im Arbeitsvertrag.
Die Klägerin, eine Herstellerin von Füllmaschinen und Verpackungsmaterial, verlangt vom Beklagten, ihrem ehemaligen „Central Technology Manager“,
die Unterlassung der unbefugten Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen.
Der Beklagte hatte während seines Arbeitsverhältnisses im Jahr 2015 unter Pseudonym E-Mails mit detaillierten technischen Daten
zu Produktionsanlagen und Verpackungsmaterialien an Gesellschafter eines potenziellen Wettbewerbers der Klägerin versandt.
Die Klägerin mahnte den Beklagten daraufhin ab, eine geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung gab er jedoch nicht ab.
Die Klägerin stützt ihren Unterlassungsanspruch primär auf einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in der bis April 2019 geltenden Fassung
sowie hilfsweise auf das seitdem geltende GeschGehG und den Arbeitsvertrag.
Das BAG wies die Revision der Klägerin zurück und bestätigte damit die Entscheidungen der Vorinstanzen.
Es begründete dies im Wesentlichen wie folgt:
Das BAG stellte fest, dass für Unterlassungsansprüche auch dann das seit dem 26. April 2019 geltende GeschGehG anzuwenden ist,
wenn die Wiederholungsgefahr auf einer vor Inkrafttreten des Gesetzes begangenen Rechtsverletzung beruht.
Ein Unterlassungsanspruch besteht jedoch nur, wenn das beanstandete Verhalten zum Zeitpunkt seiner Vornahme nach dem damals geltenden Recht rechtswidrig war
und die Voraussetzungen des GeschGehG zum Zeitpunkt der letztinstanzlichen Entscheidung erfüllt sind („Doppelprüfung“).
Das BAG verneinte einen Unterlassungsanspruch nach § 6 GeschGehG, da die Klägerin nicht als „Inhaberin eines Geschäftsgeheimnisses“ im Sinne des § 2 Nr. 1 GeschGehG anzusehen sei.
Zwar ließ das Gericht offen, ob es sich bei den weitergegebenen Daten um „Informationen“ im Sinne der Vorschrift handelte.
Entscheidend war jedoch, dass es nach Ansicht des BAG an „angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen“ der Klägerin fehlte (§ 2 Nr. 1 Buchst. b GeschGehG).
Die von der Klägerin vorgetragenen Sicherungsmaßnahmen (arbeitsvertragliche Verschwiegenheitsklauseln, technische Sicherheitsmaßnahmen, IT-Sicherheit, Zugangskontrollen) wurden
vom Landesarbeitsgericht als nicht ausreichend konkret und pauschal bewertet, was das BAG revisionsrechtlich nicht beanstandete.
Da kein Geschäftsgeheimnis vorlag, scheidet auch ein Unterlassungsanspruch wegen drohender erstmaliger Rechtsverletzung aus.
Das BAG bestätigte, dass die in § 11 des Arbeitsvertrags enthaltene, über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus zeitlich unbegrenzte Geheimhaltungspflicht unwirksam ist.
Es handele sich um eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB („Catch-all-Klausel“).
Eine solch umfassende Stillschweigensverpflichtung schränke die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers übermäßig ein
und widerspreche dem gesetzlichen Konzept des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots (§§ 74 ff. HGB), für das eine Karenzentschädigung vorgesehen ist.
Da kein Wettbewerbsverbot vereinbart wurde, durfte der Beklagte sein erworbenes Wissen grundsätzlich auch bei einem neuen Arbeitgeber einsetzen.
Die Klausel würde dies faktisch verhindern.
Das BAG lehnte auch einen Unterlassungsanspruch aus § 241 Abs. 2 BGB (allgemeine Rücksichtnahmepflicht im Schuldverhältnis) ab.
Zwar könne diese Norm grundsätzlich die Pflicht zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen begründen.
Jedoch überwiege hier das Interesse des Beklagten an der Verwertung seines Wissens das Geheimhaltungsinteresse der Klägerin,
insbesondere angesichts der Unwirksamkeit der umfassenden Geheimhaltungsklausel.
Mangels eines primären Unterlassungsanspruchs kam auch eine deliktische Anspruchsgrundlage nicht in Betracht.
Das Urteil des BAG betont die Bedeutung angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen nach dem GeschGehG.
Unternehmen müssen konkret darlegen und beweisen können, welche Maßnahmen sie zum Schutz ihrer Geheimnisse ergriffen haben und dass diese im Einzelfall angemessen sind.
Zudem stellt das Urteil klar, dass formularmäßige, zeitlich unbegrenzte und umfassende Geheimhaltungsklauseln in Arbeitsverträgen in der Regel unwirksam sind,
da sie die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers unangemessen einschränken.
Für einen nachvertraglichen Schutz von Wissen, das über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen hinausgeht,
ist grundsätzlich die Vereinbarung eines wirksamen Wettbewerbsverbots mit entsprechender Karenzentschädigung erforderlich.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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