Gesellschaftsrecht: Klage eines GmbH-Gesellschafters gegen die Fremd-Geschäftsführer

Mai 19, 2025

Gesellschaftsrecht: Klage eines GmbH-Gesellschafters gegen die Fremd-Geschäftsführer

BGH, Urteil vom 05.11.2024 – II ZR 85/23

RA und Notar Krau

Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 5. November 2024 (Az. II ZR 85/23) befasst sich mit der Frage der Zulässigkeit einer Gesellschafterklage in einer zweigliedrigen Gesellschaft mit beschränkter

Haftung (GmbH), insbesondere im Hinblick auf die Beschlussfassung über die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen Geschäftsführer und die Bestellung eines Prozessvertreters.

Im konkreten Fall klagte eine Minderheitsgesellschafterin (49 % der Anteile) gegen die beiden Geschäftsführer der GmbH,

denen sie vorwarf, die Gesellschaft durch den Erwerb von Geschäftsanteilen und Vertriebsrechten zu einem überhöhten Preis geschädigt zu haben.

Die Mehrheitsgesellschafterin (51 % der Anteile) wurde von denselben Beklagten als Geschäftsführer vertreten.

Die Klägerin hatte beantragt, die Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz an die GmbH zu verurteilen und ihre Verpflichtung zum Ersatz weiterer Schäden festzustellen.

Klage unzulässig

Das Berufungsgericht hatte die Klage als unzulässig abgewiesen, da die Klägerin nicht prozessführungsbefugt sei.

Ein Gesellschafter könne Ansprüche der Gesellschaft gegen einen Fremdgeschäftsführer grundsätzlich nicht im eigenen Namen geltend machen.

Keine actio pro socio

Die actio pro socio, die einem Gesellschafter unter bestimmten Umständen eine Klagebefugnis einräumt, greife hier nicht, da die Beklagten keine Gesellschafter der GmbH seien.

Entscheidung des BGH

Der BGH bestätigte die Entscheidung des Berufungsgerichts und wies die Revision der Klägerin zurück.

Gesellschaftsrecht: Klage eines GmbH-Gesellschafters gegen die Fremd-Geschäftsführer

Zur Begründung führte der Senat aus, dass die Voraussetzungen für eine Gesellschafterklage im vorliegenden Fall nicht gegeben seien.

Zunächst stellte der BGH klar, dass ein Gesellschafter einer GmbH grundsätzlich keine eigenen Ansprüche gegen einen Fremdgeschäftsführer aus § 43 Abs. 2 GmbHG herleiten kann.

Die actio pro socio, die ausnahmsweise eine Klagebefugnis des Gesellschafters begründet, erfordere eine besondere gesellschaftsrechtliche Beziehung

zwischen dem klagenden Gesellschafter und dem Beklagten, die hier fehle, da die Beklagten keine Gesellschafter der U. A. GmbH seien.

Mittelbare Beteiligung der Beklagten als Gesellschafter-Geschäftsführer

Auch die mittelbare Beteiligung der Beklagten als Gesellschafter-Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin begründe keine solche unmittelbare Beziehung.

Zudem betont der BGH den Vorrang der inneren Zuständigkeitsordnung der Gesellschaft.

Gesellschafterklage subsidiär

Die Gesellschafterklage sei gegenüber einem Tätigwerden der zuständigen Gesellschaftsorgane (Geschäftsführung oder Gesellschafterversammlung) grundsätzlich subsidiär.

Dieser Vorrang entfalle nur, wenn eine Klage der Gesellschaft undurchführbar oder durch den Schädiger vereitelt werde

oder die Machtverhältnisse in der Gesellschaft die Geltendmachung von Ansprüchen unzumutbar erschwerten.

Im vorliegenden Fall sah der BGH keine Umstände, die diesen Vorrang der Gesellschaftsorgane überwunden hätten.

Die Gesellschaft sei ohne Weiteres in der Lage, die Beklagten selbst haftbar zu machen.

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Stimmrechtsausschluss

Der Senat führte aus, dass in einer zweigliedrigen GmbH eine Beschlussfassung nach § 46 Nr. 8 GmbHG (Geltendmachung von Ersatzansprüchen und Bestellung eines Prozessvertreters) entbehrlich sei,

wenn der andere Gesellschafter einem Stimmrechtsausschluss nach § 47 Abs. 4 GmbHG unterliege.

In einem solchen Fall wäre eine Beschlussfassung eine überflüssige Formalität.

Ein solcher Stimmrechtsausschluss lag hier vor.

Da Gegenstand der Beschlussfassung die Einleitung eines Rechtsstreits gegen die Geschäftsführer (die Beklagten)

und die Bestellung eines Prozessvertreters zur Verfolgung dieser Ansprüche war, konnten die Beklagten ihr Stimmrecht als organschaftliche Vertreter der Mehrheitsgesellschafterin nicht ausüben.

Grundgedanke des § 47 Abs. 4 GmbHG

Der Grundgedanke des § 47 Abs. 4 GmbHG, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, führe zu einem Stimmverbot in solchen Fällen.

Die Mehrheitsgesellschafterin hätte zur Wahrung ihres Stimmrechts einen unbefangenen besonderen Vertreter bestellen oder gerichtlich bestellen lassen können, was jedoch nicht geschehen war.

Da somit nur die Stimme der Klägerin zählte, war ein förmlicher Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Geltendmachung der Ansprüche und die Bestellung eines Prozessvertreters nicht erforderlich.

Die Klägerin als verbliebener stimmberechtigter Gesellschafter war ohne Weiteres berechtigt, die Gesellschaft im Prozess zu vertreten oder einen Prozessvertreter zu bestellen.

Ihr Wille hierzu sei durch den Klageantrag hinreichend dokumentiert.

Unabhängig davon stellte der BGH fest, dass die Klägerin und die Mehrheitsgesellschafterin bereits über die Inanspruchnahme der Beklagten abgestimmt hatten.

Da die Stimmabgabe der durch die Beklagten vertretenen Mehrheitsgesellschafterin wegen des Stimmrechtsausschlusses nichtig sei,

liege ein Geltendmachungsbeschluss gemäß § 46 Nr. 8 Fall 1 GmbHG vor, der die Gesellschaft zur Klageerhebung ermächtigte.

Anfechtungsklage

Die Frage, ob die Klägerin gegen einen ablehnenden Beschluss der Mehrheitsgesellschafterin hätte Anfechtungsklage erheben müssen,

ließ der BGH offen, da mangels verbindlicher Feststellung des Abstimmungsergebnisses durch die Beklagten keine anfechtbare Beschlussfassung vorlag.

Der BGH grenzte den vorliegenden Fall von seiner früheren Rechtsprechung ab, in der er in Zwei-Personen-Gesellschaften

bei Stimmverbot eines Gesellschafters die actio pro socio des anderen Gesellschafters ausnahmsweise zuließ.

Dies sei in diesen Fällen durch besondere Umstände gerechtfertigt gewesen, die eine Klage der Gesellschaft erheblich erschwert hätten (z.B. fehlende Mittel, Löschung der Gesellschaft, Verweigerung des Geschäftsführers).

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Solche besonderen Umstände lägen hier nicht vor.

Zusammenfassend entschied der BGH, dass die Klägerin nicht prozessführungsbefugt war, da die Gesellschaft selbst ohne Weiteres in der Lage gewesen wäre, die Ansprüche gegen die Beklagten geltend zu machen.

Die Klage war daher unzulässig.

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Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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