Gestaffelte Eintragung eines einzigen Rechts für mehrere Berechtigte im Grundbuch

April 18, 2025

Gestaffelte Eintragung eines einzigen Rechts für mehrere Berechtigte im Grundbuch

RA und Notar Krau

Das Oberlandesgericht Bamberg (OLG Bamberg) hat mit Beschluss vom 15. Mai 2023 (Az. 10 Wx 8/23) entschieden, dass die gestaffelte Eintragung eines einzigen Rechts für mehrere Berechtigte im Grundbuch

grundsätzlich möglich ist, auch wenn die Berechtigung eines der Beteiligten unter einer aufschiebenden Bedingung steht.

Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein Mann verkaufte sein Alleineigentum an eine Frau und behielt sich im Gegenzug ein Wohn- und Versorgungsrecht als Leibgeding an einer Wohnung auf dem Grundstück vor.

Dieses Recht sollte nach dem Willen der Beteiligten auch seiner zukünftigen Ehefrau zustehen, sobald die Eheschließung erfolgt ist.

Im Falle einer rechtskräftigen Scheidung von seiner zukünftigen Ehefrau sollte deren Berechtigung jedoch wieder erlöschen.

Ausdrücklich wurde vereinbart, dass beiden Berechtigten als Gesamtberechtigte gemäß § 428 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) „nur ein Recht“ zustehen solle.

Das zuständige Grundbuchamt wies den Antrag auf Eintragung zurück, da es Bedenken hinsichtlich der Eintragbarkeit einer solchen aufschiebend und auflösend bedingten Gesamtberechtigung hatte.

Das Grundbuchamt argumentierte, dass eine Gesamtberechtigung im Sinne des § 428 BGB erst künftig entstehen und gegebenenfalls wieder erlöschen würde.

Das OLG Bamberg hob die Entscheidung des Grundbuchamts auf und gab der Beschwerde der Antragsteller statt.

Gestaffelte Eintragung eines einzigen Rechts für mehrere Berechtigte im Grundbuch

Das Gericht stellte fest, dass die Eintragung eines Rechts für mehrere gemeinschaftlich gemäß § 47 Absatz 1 Grundbuchordnung (GBO) möglich ist.

Auch die Eintragung einer Gesamtberechtigung nach § 428 BGB sei zulässig.

Entscheidend sei, dass nach Auslegung der notariellen Vereinbarung (§§ 133, 157 BGB) beabsichtigt sei, dass ab Eintritt der aufschiebenden Bedingung (Eheschließung) und vor Eintritt der auflösenden

Bedingung (rechtskräftige Scheidung) eine einheitliche und gemeinsame Rechtsausübung beider Berechtigten erfolgen solle, die sich in der gemeinsamen Wohnungsnahme praktisch manifestiere.

Das OLG Bamberg wies darauf hin, dass der Eintritt der aufschiebenden Bedingung durch Vorlage einer Heiratsurkunde und der Eintritt der auflösenden Bedingung durch Vorlage eines Scheidungsurteils

nachgewiesen werden könne, sodass keine Unsicherheiten hinsichtlich der dinglichen Rechtslage zu befürchten seien.

Das Gericht sah keinen praktischen Bedarf für die Bestellung mehrerer, voneinander unabhängiger Rechte.

Es verwies auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts und anderer Oberlandesgerichte, die eine solche Eintragung bereits anerkannt hatten.

Zwar werde dies in Teilen der Literatur aus dogmatischen Gründen in Frage gestellt, jedoch bestehe angesichts der Ausnahmevorschrift des § 49 GBO kein praktischer Mehrwert für die Eintragung mehrerer Rechte.

§ 49 GBO erlaubt die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung zur Auslegung von Dienstbarkeiten und Reallasten, um eine „Überfüllung“ des Grundbuchs zu vermeiden.

Die Anmerkung zum Beschluss hebt hervor, dass es sich um einen Fall handelt, in dem ein Wohn- und Versorgungsrecht als Leibgeding für den Veräußerer und seine zukünftige Ehefrau als Gesamtberechtigte

gemäß § 428 BGB bestellt werden soll, wobei die Berechtigung der Ehefrau aufschiebend durch die Eheschließung und auflösend durch eine Scheidung bedingt ist.

Gestaffelte Eintragung eines einzigen Rechts für mehrere Berechtigte im Grundbuch

Die Anmerkung betont, dass maßgeblich für die Grundbucheintragung die notariell beurkundeten Vereinbarungen sind.

Wenn die Beteiligten eine gemeinsame Rechtsausübung wünschen, auch wenn diese für einen der Berechtigten bedingt ist, bleibe es bei einem Recht.

Ein Bedarf für mehrere Rechte bestehe in solchen Konstellationen nicht.

Wichtig sei jedoch, dass der Eintritt jeder Bedingung (aufschiebend und auflösend) hinreichend bestimmt oder bestimmbar sei,

was im vorliegenden Fall durch öffentliche Urkunden (Heiratsurkunde, Scheidungsurteil) gegeben sei.

Die Schlussfolgerung für die Praxis lautet, dass bei einer entsprechenden Fallgestaltung die Eintragung mehrerer Rechte und damit verbundene Mehrkosten vermieden werden können.

Voraussetzung für die Eintragung einer Gesamtberechtigung sei jedoch, dass zumindest für einen gewissen Zeitraum ein gemeinsames Recht besteht.

In Fällen, in denen ein Recht zunächst nur dem Veräußerer zustehen soll und die Berechtigung des Zweitberechtigten erst mit dessen Ableben eintritt (gegebenenfalls unter der auflösenden Bedingung

einer nicht erfolgten Scheidung zu Lebzeiten des Erstberechtigten), liege keine gemeinsame Berechtigung vor, sodass die Eintragung zweier getrennter Rechte notwendig sei.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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