Gestaltungsmissbrauch bei einer Grundstücksübertragung im Umlegungsverfahren

Mai 11, 2025

Gestaltungsmissbrauch bei einer Grundstücksübertragung im Umlegungsverfahren

Urteil des BFH vom 11. Dezember 2024 – II R 14/22

RA und Notar Krau

Das Urteil des II. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 11. Dezember 2024 (II R 14/22) befasst sich mit der Frage, ob die Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b des Grunderwerbsteuergesetzes

(GrEStG a.F.) für einen Eigentumserwerb durch Zuteilung im Rahmen eines Umlegungsverfahrens nach dem Baugesetzbuch (BauGB) versagt werden kann,

wenn dieser Erwerb einen Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von § 42 der Abgabenordnung (AO) darstellt.

Sachverhalt

Die Stadt L leitete im Jahr 1980 ein Umlegungsverfahren namens „X“ zur Umsetzung eines Teils des Bebauungsplans Nr. 86 „Y“ ein.

Ziel war die Erschließung aufgrund komplexer Grundstücksverhältnisse.

Die Klägerin, eine GmbH, war zunächst nicht Eigentümerin von Grundstücken im Umlegungsgebiet, besaß jedoch Erbbaurechte.

Im Laufe der Jahre erweiterte die Stadt L das Umlegungsgebiet mehrfach und teilte Grundstücke vorweg an neue Eigentümer gegen Ausgleichszahlungen zu.

Durch diese Erweiterungen und Zukäufe wurde die Klägerin Eigentümerin von Grundstücken in der Nähe ihrer Erbbaurechtsgrundstücke.

Umgekehrt wurden vormals der Klägerin gehörende Grundstücke im Jahr 2004 im Wege der Vorwegentscheidung Frau T zugeteilt.

Gestaltungsmissbrauch bei einer Grundstücksübertragung im Umlegungsverfahren

Nach diesen Vorgängen besaß die Klägerin im Wesentlichen zusammenhängende Grundstücke und Erbbaurechte, die lediglich durch ein Grundstück des Herrn A getrennt waren.

Der Versuch, dieses Grundstück direkt von Herrn A zu erwerben, scheiterte.

Im Jahr 2010 erweiterte die Stadt L das Umlegungsgebiet um das Grundstück des Herrn A.

Gleichzeitig wurden dieses Grundstück sowie zwei der Stadt L gehörende Flurstücke der Klägerin zugeteilt.

Die städtischen Grundstücke lagen südlich und westlich der Grundstücke der Klägerin und waren von der Stadt L im Rahmen des Umlegungsverfahrens zwischenerworben worden.

Mit demselben Beschluss wurden diese städtischen Flurstücke vereinigt.

Die der Klägerin gehörenden Flurstücke wurden im Veränderungsverzeichnis lediglich „nachrichtlich aufgeführt“.

Der Beschluss wurde 2011 unanfechtbar.

Herr A erhielt für den Verlust seines Eigentums eine Entschädigung von der Stadt L, die auch die Sanierung des Grundstücks übernahm.

Die Klägerin musste für die Zuteilung der Grundstücke des Herrn A und der Stadt L eine Ausgleichszahlung an die Stadt L leisten.

Das Finanzamt (FA) erließ gegenüber der Stadt L einen Grunderwerbsteuerbescheid, der später gegenüber der Klägerin

geändert und schließlich aufgehoben und in gleicher Höhe gegen die Klägerin festgesetzt wurde.

Die Klage der Klägerin gegen diesen Bescheid wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen.

Gestaltungsmissbrauch bei einer Grundstücksübertragung im Umlegungsverfahren

Das FG sah den Erwerbsvorgang formal als steuerbefreit nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG a.F. an,

wertete ihn jedoch als Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO, da das Umlegungsverfahren zweckwidrig für einen reinen Rechtsträgerwechsel genutzt worden sei.

Entscheidung des BFH

Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück und bestätigte damit das Urteil des FG.

Der BFH stellte zunächst fest, dass die Zuteilung der Flurstücke an die Klägerin im Umlegungsverfahren einen grunderwerbsteuerpflichtigen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG darstelle,

da kein den Übereignungsanspruch begründendes Rechtsgeschäft vorausgegangen sei und es keiner Auflassung bedurft habe.

Die Steuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG a.F. sei formal erfüllt, da die Klägerin als Eigentümerin von Grundstücken im Umlegungsgebiet formell Beteiligte war

und der Eigentumsübergang im Rahmen eines Umlegungsverfahrens erfolgte.

Der BFH bestätigte jedoch die Ansicht des FG, dass die Steuerbefreiung aufgrund eines Gestaltungsmissbrauchs nach § 42 AO nicht in Anspruch genommen werden könne.

Ein Missbrauch liege vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt werde, die zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führe, es sei denn, es lägen beachtliche außersteuerliche Gründe vor.

Der BFH führte aus, dass ein Gestaltungsmissbrauch im Rahmen des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 Buchst. b GrEStG a.F. gegeben sei,

wenn ein Umlegungsverfahren zweckwidrig dazu genutzt werde, einen reinen Rechtsträgerwechsel an einem Grundstück zu bewirken.

Die Umlegung diene der Erschließung und Neugestaltung von Grundstücken für eine bauliche oder sonstige Nutzung

und nicht der Flächenbeschaffung für einzelne Grundstückseigentümer mit überdurchschnittlichem Bedarf.

Gestaltungsmissbrauch bei einer Grundstücksübertragung im Umlegungsverfahren

Der BFH beanstandete die Würdigung des FG nicht, dass das Umlegungsverfahren hier primär dazu gedient habe, der Klägerin das Eigentum an den angrenzenden Grundstücken des Herrn A und der Stadt

L zur Erweiterung ihres Betriebsgeländes zu verschaffen, ohne dass sich an den Zuschnitt und Eigentumsverhältnissen der von der Klägerin eingebrachten Grundstücke etwas ändern sollte.

Die Zuteilung sei nicht als Ausgleich für eingebrachte Grundstücke erfolgt und habe somit nicht dem Wesen des Umlegungsverfahrens entsprochen.

Auch die von der Klägerin angeführten außersteuerlichen Gründe wie Wirtschaftsförderung, städtebauliche Ziele,

Altlastensanierung und die Schwierigkeit eines direkten Erwerbs von Herrn A erkannte der BFH nicht als beachtlich an.

Die Umlegung sei kein Instrument der Wirtschaftsförderung einzelner Betriebe, und die anderen genannten Gründe hätten auch außerhalb eines Umlegungsverfahrens verfolgt werden können.

Die Risikominimierung bei der Altlastensanierung stelle keine Erschließung oder Neugestaltung dar.

Der BFH wies auch den Einwand der Klägerin zurück, sie habe die Gestaltung nicht im Sinne des § 42 AO gewählt, da die Gemeinde entscheidungsbefugt gewesen sei.

Die Vorwegentscheidung erfordere das Einverständnis der betroffenen Rechtsinhaber und weise somit vertragliche Elemente auf.

Schließlich sah der BFH auch keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, welches konkrete Vorbringen das FG nicht zur Kenntnis genommen oder erwogen haben soll.

Fazit

Der BFH bestätigte, dass die Steuerbefreiung für Grundstückszuteilungen im Umlegungsverfahren versagt werden kann, wenn das Verfahren missbräuchlich genutzt wird,

um einen reinen Rechtsträgerwechsel zu bewirken und Steuern zu sparen, ohne dass beachtliche außersteuerliche Gründe vorliegen.

Das Urteil unterstreicht die Bedeutung des Umlegungszwecks und die Grenzen der steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Kontext.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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