Gewerberaummiete: Schriftformerfordernis für vertragliche Neufestsetzung der Miete nach Eintritt einer bestimmten Indexänderung

Juni 18, 2025

Gewerberaummiete: Schriftformerfordernis für vertragliche Neufestsetzung der Miete nach Eintritt einer bestimmten Indexänderung

BGH XII ZR 43/17

RA und Notar Krau

Dieser juristische Fall dreht sich um einen Mietvertrag für Gewerberäume, der ursprünglich bis Ende 2017 befristet war. Es geht darum, ob dieser Vertrag vorzeitig gekündigt werden konnte, weil er angeblich nicht der Schriftform entsprach.


Die Ausgangssituation

Ein Vermieter hatte an zwei Rechtsanwälte Büroräume vermietet. Im Mietvertrag gab es eine spezielle Klausel zur Mietanpassung: Wenn sich der Verbraucherpreisindex um mehr als 4 % ändert, kann jede Partei eine Neufestsetzung der Miete verlangen. Wenn sie sich nicht einigen, sollte ein Sachverständiger die Miete festlegen.

Eine weitere Klausel im Vertrag besagte, dass, falls der Vertrag oder seine Nebenabreden nicht der Schriftform des § 550 BGB genügen sollten, keine Partei das Recht zur vorzeitigen Kündigung (nach § 550 Satz 2 BGB) geltend machen kann. Stattdessen sollten sich beide Parteien verpflichten, die Schriftform nachzuholen.

Im Jahr 2012 forderte der Vermieter eine Mieterhöhung, weil sich der Index entsprechend geändert hatte. Die Mieter zahlten ab April 2013 die höhere Miete. Später zogen die Mieter aus und versuchten, die Räume unterzuvermieten, wozu der Vermieter aber die Zustimmung verweigerte. Daraufhin kündigten die Mieter den Vertrag fristlos und stellten die Mietzahlungen ein.

Gewerberaummiete: Schriftformerfordernis für vertragliche Neufestsetzung der Miete nach Eintritt einer bestimmten Indexänderung


Die Gerichtsentscheidungen

Das Landgericht gab zunächst dem Vermieter Recht, die Mieter zahlten also weiter Miete. Die nächste Instanz, das Oberlandesgericht, entschied jedoch zugunsten der Mieter. Es sagte, dass der Vertrag wirksam gekündigt wurde. Obwohl die fristlose Kündigung nicht gültig war, konnte sie in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden. Der Grund: Die Parteien hatten die Mieterhöhung nicht schriftlich festgehalten, was bei einer Mietänderung notwendig gewesen wäre, da es sich um eine wesentliche Vertragsänderung handelt.

Das Oberlandesgericht hielt auch die Klausel im Mietvertrag für unwirksam, die eine Kündigung bei Schriftformmängeln ausschließen sollte. Solche „Schriftformheilungsklauseln“ sind unzulässig, da sie dem Zweck des § 550 BGB widersprechen, der sicherstellen soll, dass langfristige Mietverträge schriftlich fixiert sind, um Klarheit für alle Beteiligten, insbesondere für potenzielle Käufer, zu schaffen.


Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH)

Der Vermieter legte Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein, aber der BGH bestätigte die Entscheidung des Oberlandesgerichts.

  1. Schriftformerfordernis bei Mietänderung: Der BGH stellte klar, dass eine Änderung der Miete, die auf einer Klausel beruht, wonach eine Partei bei einer bestimmten Indexänderung eine Neufestsetzung verlangen kann, der Schriftform unterliegt. Dies ist anders, als wenn die Miete automatisch angepasst würde oder eine Partei ein einseitiges Recht zur Änderung hätte. Hier bedurfte es einer Einigung der Vertragsparteien, die schriftlich hätte festgehalten werden müssen. Da dies nicht geschah, lag ein Schriftformmangel vor. Eine Mietänderung ist immer eine wesentliche Vertragsänderung, die der Schriftform bedarf, wenn der Vertrag für mehr als ein Jahr gilt.
  2. Unwirksamkeit von Schriftformheilungsklauseln: Der BGH bekräftigte seine frühere Rechtsprechung, dass Klauseln, die die Berufung auf einen Schriftformmangel verhindern sollen (sogenannte „Schriftformheilungsklauseln“), unwirksam sind. Sie widersprechen dem Schutzzweck des § 550 BGB, der sowohl einen Übereilungsschutz für die Vertragsparteien als auch die Klarheit für mögliche spätere Käufer des Grundstücks gewährleisten soll.
  3. Umdeutung der Kündigung: Der BGH bestätigte auch, dass die fristlose Kündigung der Mieter in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden konnte. Eine Umdeutung ist zulässig, wenn klar ist, dass die kündigende Partei das Vertragsverhältnis in jedem Fall zum nächstmöglichen Zeitpunkt beenden wollte. Im vorliegenden Fall war dies offensichtlich, da die Mieter die Räume bereits verlassen hatten und keine wirtschaftliche Untervermietung in Sicht war.

Das Fazit

Dieser Fall zeigt, wie wichtig die Einhaltung der Schriftform bei Mietverträgen, insbesondere bei Gewerbemietverträgen, ist. Selbst wenn der Vertrag eine Klausel zur Mietanpassung enthält, muss die tatsächliche Änderung der Miete schriftlich festgehalten werden, wenn sie nicht automatisch erfolgt oder nur durch eine einseitige Erklärung herbeigeführt werden kann.

Zudem können Klauseln, die versuchen, die gesetzlichen Schriftformerfordernisse auszuhebeln, unwirksam sein. Dies hat zur Folge, dass ein befristeter Mietvertrag, der eigentlich über Jahre laufen sollte, bei einem Schriftformmangel vorzeitig ordentlich gekündigt werden kann.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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