GEZ muss Zugang Mahnung beweisen

Juni 21, 2025

GEZ muss Zugang Mahnung beweisen

Oberverwaltungsgericht Niedersachsen Beschl. v. 06.06.2025, Az.: 8 ME 116/24

RA und Notar Krau

Stellen Sie sich vor, Sie haben eine Rechnung für den Rundfunkbeitrag erhalten, die Sie nicht verstehen oder für falsch halten. Was passiert, wenn Sie diese Rechnung nicht bezahlen? Und was können Sie tun, wenn man plötzlich versucht, das Geld von Ihnen einzutreiben, obwohl Sie nie eine Mahnung erhalten haben? Genau darum ging es in einem wichtigen Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Niedersachsen vom 6. Juni 2025.


Worum geht es in diesem Fall?

Eine Person („Antragstellerin“) sollte Rundfunkbeiträge nachzahlen. Es gab Bescheide für die Jahre 2023 und 2024. Als sie nicht zahlte, schickte der Beitragsservice (der „Antragsgegner“) ein Schreiben an eine Vollstreckungsbehörde, um das Geld einzutreiben. Die Antragstellerin behauptete aber, sie habe vorher keine Mahnung erhalten. Eine Mahnung ist aber normalerweise eine Voraussetzung, bevor man mit der Zwangsvollstreckung beginnen darf.

Das Verwaltungsgericht Hannover hatte entschieden, dass die Vollstreckung gestoppt werden muss, weil der Beitragsservice nicht beweisen konnte, dass die Mahnung wirklich bei der Antragstellerin angekommen ist. Der Beitragsservice legte dagegen Beschwerde beim OVG Niedersachsen ein.


Die Hauptaussagen des Gerichts

Das OVG Niedersachsen hat die Beschwerde des Beitragsservice zurückgewiesen. Das bedeutet, das Gericht hat dem Verwaltungsgericht zugestimmt und entschieden, dass die Vollstreckung vorläufig gestoppt bleiben muss. Hier sind die wichtigsten Punkte, die das Gericht klargestellt hat:

1. Rechtsschutz ist erlaubt, bevor es zu spät ist

Der Beitragsservice meinte, man könne sich erst wehren, wenn zum Beispiel schon Geld vom Konto gepfändet wurde. Das OVG hat dem widersprochen. Sobald die Vollstreckung eingeleitet wurde – also der Beitragsservice die Vollstreckungsbehörde beauftragt und diese die Zahlungsaufforderung geschickt hat – ist es schon erlaubt, gerichtlich dagegen vorzugehen.

GEZ muss Zugang Mahnung beweisen

Warum ist das so? Das Gericht sagt, es ist unzumutbar, zu warten, bis das Konto gesperrt oder das Auto gepfändet wird. Solche Maßnahmen können Rufschädigung verursachen und sind schwer rückgängig zu machen. Außerdem müsste man sich sonst immer wieder gegen jede einzelne Pfändung wehren, was sehr aufwendig wäre. Es ist sinnvoller, die Vollstreckung insgesamt zu stoppen, wenn sie von Anfang an fehlerhaft ist.

2. Der Absender muss beweisen, dass die Mahnung angekommen ist

Der wichtigste Streitpunkt war, ob die Mahnung die Antragstellerin erreicht hat. Das Gericht hat klargestellt: Der Beitragsservice muss beweisen, dass die Mahnung zugestellt wurde. Wenn der Empfänger bestreitet, sie erhalten zu haben, reicht das in der Regel aus, um Zweifel am Zugang zu wecken.

  • Verlust von Briefen kommt vor: Das Gericht hat betont, dass es der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass Briefe auf dem Postweg verloren gehen können. Auch wenn die Deutsche Post eine hohe Zustellquote hat, kann niemand ausschließen, dass einzelne Briefe verschwinden.
  • „Historiensatz“ reicht nicht aus: Der Beitragsservice hatte einen „Historiensatz“ vorgelegt, der belegen soll, dass der Brief abgeschickt wurde. Das Gericht sagte: Das beweist nur, dass der Brief versendet wurde, nicht aber, dass er auch angekommen ist.
  • Keine Vermutung für den Zugang: Es gibt keine automatische Vermutung, dass ein einfach per Post verschickter Brief auch ankommt. Wenn der Absender sicher sein will, muss er einen Weg wählen, der den Zugang beweist (z.B. Einschreiben oder persönliche Zustellung). Wenn er das nicht tut, trägt er das Risiko, den Zugang später nicht beweisen zu können.

3. Misstrauen wegen Mustervorlagen ist nicht gerechtfertigt

Der Beitragsservice hat versucht, die Glaubwürdigkeit der Antragstellerin infrage zu stellen, weil sie anscheinend eine Mustervorlage aus dem Internet für ihren Antrag benutzt hatte (Websites wie „www.beitragsblocker.de“ oder „www.keinrundfunkbeitragmehr.de“ wurden erwähnt). Das Gericht hat dies klar zurückgewiesen.

  • Nutzung von Mustern ist normal: Es ist völlig verständlich, dass Bürgerinnen und Bürger im Internet nach Hilfe suchen, wenn sie eine Vollstreckungsankündigung erhalten. Nicht-Juristen sind oft auf solche Hilfen angewiesen, um die hohen Kosten für einen Anwalt zu vermeiden.
  • Kein Hinweis auf Betrug: Das Gericht sah keine Hinweise darauf, dass die Websites dazu aufrufen, unwahre Behauptungen aufzustellen. Es wurde lediglich juristische Argumente angeboten, um den Rundfunkbeitrag infrage zu stellen.
  • Glaubwürdigkeit der Antragstellerin: Die Antragstellerin hatte den Zugang der Mahnung bereits vor dem Gerichtsverfahren bestritten und nicht erst im Rahmen der Mustervorlage. Außerdem bestritt sie nur den Zugang eines einzelnen Briefes, was glaubhafter ist, als den Empfang vieler Schreiben generell abzustreiten.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil ist wichtig, weil es die Rechte von Bürgern stärkt, die sich gegen Rundfunkbeitragsforderungen wehren müssen.

  1. Frühzeitiger Rechtsschutz: Sie müssen nicht warten, bis Ihr Konto gepfändet wird, um sich zu wehren. Sobald die Vollstreckung eingeleitet wird und Sie eine Zahlungsaufforderung erhalten, können Sie aktiv werden.
  2. Nachweispflicht des Beitragsservice: Wenn Sie behaupten, eine Mahnung nicht erhalten zu haben, muss der Beitragsservice beweisen, dass sie angekommen ist. Ein einfacher Nachweis des Versands reicht dafür nicht aus.
  3. Nutzung von Mustern ist kein Problem: Es ist völlig in Ordnung, sich im Internet über mögliche Rechtsmittel zu informieren und Mustervorlagen zu nutzen. Das macht Ihre Aussage nicht unglaubwürdig.

Kurz gesagt: Wenn der Beitragsservice Geld von Ihnen eintreiben will und Sie nie eine Mahnung erhalten haben, haben Sie gute Chancen, sich dagegen zu wehren. Der Beitragsservice muss in solchen Fällen sorgfältig beweisen, dass alle Schritte ordnungsgemäß eingehalten wurden.


Haben Sie noch Fragen zu diesem Urteil oder möchten Sie wissen, wie Sie sich in einer ähnlichen Situation verhalten sollten?

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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