Gilt ein Zuwendungsverzicht auch für die Abkömmlinge des Verzichtenden?

Juli 19, 2017

Gilt ein Zuwendungsverzicht auch für die Abkömmlinge des Verzichtenden?

OLG Düsseldorf I-3 Wx 192/15

Schenkungsvertrag,

Einfamilienhaus

RA und Notar Krau

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf befasst sich mit der Frage, ob sich ein Zuwendungsverzicht auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden erstreckt,

wenn dieser im Schenkungsvertrag eine „vollständige Abfindung“ erklärt hat und der Notar in der Urkunde auf die fehlende Erstreckung des Verzichts auf die Abkömmlinge hingewiesen hat.

Sachverhalt:

Die Beteiligten des Verfahrens sind die Kinder und Enkel des Erblassers.

Gilt ein Zuwendungsverzicht auch für die Abkömmlinge des Verzichtenden?

Der Erblasser und seine Ehefrau hatten in einem Erbvertrag ihre gemeinsamen Kinder zu Erben eingesetzt, ersatzweise deren Abkömmlinge.

Später schenkten sie einem ihrer Söhne ein Grundstück, auf dem dieser ein Haus baute.

Im Gegenzug verzichtete der Sohn auf seinen Erbteil und sein Pflichtteilsrecht.

Im Schenkungsvertrag wies der Notar darauf hin, dass sich dieser Verzicht nicht auf die Abkömmlinge des Sohnes erstreckt.

Die Eltern änderten den Erbvertrag daraufhin nicht.

Nach dem Tod des Erblassers beantragte eine der Töchter einen Erbschein, der nur sie und ihre Schwester als Erben ausweisen sollte.

Sie argumentierte, der Verzicht des Bruders erstrecke sich auch auf dessen Kinder.

Das Nachlassgericht wies den Antrag zurück, da die Eltern die Enkelkinder am Erbe beteiligen wollten.

Gilt ein Zuwendungsverzicht auch für die Abkömmlinge des Verzichtenden?

Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Tochter.

Entscheidung des Gerichts:

Das Oberlandesgericht Düsseldorf wies die Beschwerde zurück.

Zentrale Punkte der Entscheidung:

  • Anwendbares Recht: Da der Erblasser vor dem 17. August 2015 verstorben ist, findet das „alte“ Erbrecht Anwendung.
  • Zuwendungsverzicht und Abkömmlinge: Grundsätzlich erstreckt sich ein Zuwendungsverzicht in Erbfällen nach dem 1. Januar 2010 auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden (§§ 2352 S. 3, 2349 BGB). Dies gilt aber nur, wenn nichts anderes bestimmt ist (§ 2349 2. Halbsatz BGB).
  • Auslegung des Vertrags: Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Schenkungsvertrag, dass die Vertragsparteien davon ausgingen, dass sich der Zuwendungsverzicht nicht auf die Abkömmlinge erstreckt. Der Notar hatte hierauf ausdrücklich hingewiesen. Daher ist davon auszugehen, dass die Eltern diese Rechtsfolge bewusst in Kauf genommen haben, um die Enkelkinder am Erbe zu beteiligen.
  • Hypothetischer Wille: Selbst wenn man den hypothetischen Willen der Beteiligten betrachtet – also was sie vereinbart hätten, wenn die Erstreckung des Verzichts auf die Abkömmlinge bei Vertragsschluss schon möglich gewesen wäre – ergibt sich im vorliegenden Fall kein anderer Wille. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Eltern die Enkelkinder vom Erbe ausschließen wollten.
  • „Vollständige Abfindung“: Die Erklärung des Sohnes im Schenkungsvertrag, er sei „vollständig abgefunden“, ändert nichts an der Auslegung des Vertrags. Der notarielle Hinweis zeigt eindeutig, dass der Verzicht nicht für die Enkelkinder gelten sollte.
  • Beweisaufnahme: Da die Auslegung des Vertrags vom Inhalt der Urkunde abhängt, spielt die vom Nachlassgericht durchgeführte Beweisaufnahme keine entscheidende Rolle.

Fazit:

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden, dass sich der Zuwendungsverzicht des Sohnes im vorliegenden Fall nicht auf dessen Kinder erstreckt.

Ausschlaggebend hierfür war der eindeutige Hinweis des Notars im Schenkungsvertrag, dass der Verzicht nicht für die Abkömmlinge gilt.

Die Eltern haben den Erbvertrag trotz dieses Hinweises nicht geändert, was darauf hindeutet, dass sie die Enkelkinder am Erbe beteiligen wollten.

Die Erklärung des Sohnes, er sei „vollständig abgefunden“, ändert an dieser Auslegung nichts.

Zusammenfassend lässt sich festhalten:

  • Ein Zuwendungsverzicht erstreckt sich grundsätzlich auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden.
  • Wenn sich aus dem Vertrag aber ergibt, dass die Vertragsparteien die Erstreckung auf die Abkömmlinge ausschließen wollten, gilt dies nicht.
  • Ein ausdrücklicher Hinweis des Notars im Vertrag auf die fehlende Erstreckung des Verzichts auf die Abkömmlinge ist ein starkes Indiz dafür, dass die Vertragsparteien diese Rechtsfolge bewusst gewählt haben.
  • Die Erklärung des Verzichtenden, er sei „vollständig abgefunden“, ist für die Auslegung des Vertrags nicht entscheidend.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

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Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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