Grundbuchamt darf Testierfähigkeit Erblasser bezweifeln

Juli 23, 2017

Grundbuchamt darf Testierfähigkeit Erblasser bezweifeln

OLG Hamm 15 W 427/13

Beschluss vom 1. August 2014

Vorlage eines Erbscheins

RA und Notar Krau

Der Erblasser hatte die Beteiligte in einem notariellen Testament als Alleinerbin eingesetzt.

Zuvor war für ihn ein Betreuer bestellt worden, der mit Einwilligungsvorbehalt auch für die Vermögenssorge zuständig war.

Der Betreuer verkaufte die Grundstücke des Erblassers, bevor dieser verstarb.

Grundbuchamt darf Testierfähigkeit Erblasser bezweifeln

Die Beteiligte trat nach dem Tod des Erblassers in den Kaufvertrag ein und beantragte die Grundbuchberichtigung aufgrund Erbfolge.

Das Grundbuchamt beanstandete den Antrag, da Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers bestünden.

Problem:

Das OLG Hamm musste entscheiden, ob das Grundbuchamt trotz des notariellen Testaments die Vorlage eines Erbscheins verlangen kann,

wenn Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers bestehen.

Lösung:

Das OLG Hamm wies die Beschwerde der Beteiligten zurück und bestätigte die Zwischenverfügung

des Grundbuchamts mit der Maßgabe, dass die Beteiligte einen Erbschein vorlegen muss.

Grundbuchamt darf Testierfähigkeit Erblasser bezweifeln

Begründung:

  • Zweifel an der Testierfähigkeit: Das Grundbuchamt kann die Vorlage eines Erbscheins verlangen, wenn es die Erbfolge durch die vorgelegte Urkunde nicht für nachgewiesen hält (§ 35 Abs. 1 S. 2 GBO). Dies ist insbesondere der Fall, wenn tatsächliche Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers bestehen.
  • Konkrete Anhaltspunkte: Im vorliegenden Fall hatte das Grundbuchamt konkrete Anhaltspunkte für die Zweifel an der Testierfähigkeit. Aus den Betreuungsakten ergab sich, dass der Erblasser an einem demenziellen Syndrom litt und im Jahr 2008 für geschäftsunfähig erklärt worden war.
  • Kein formales Verständnis von Testierfähigkeit: Der ärztliche Sachverständige hatte zwar den Erblasser im Jahr 2008 als testierfähig bezeichnet, jedoch war diese Einschätzung nicht ausreichend. Testierfähigkeit erfordert nicht nur die Fähigkeit, den Vorgang der Testamentserrichtung zu verstehen, sondern auch die Fähigkeit, sich ein klares Urteil über die Tragweite der Anordnungen zu bilden.
  • Fortschreiten der Erkrankung: Da zwischen der Begutachtung und der Testamentserrichtung zwei Jahre lagen, war von einem Fortschreiten der Erkrankung auszugehen.
  • Keine Bindungswirkung der notariellen Feststellung: Die Feststellung des Notars über die Testierfähigkeit des Erblassers in der notariellen Urkunde hat keine Bindungswirkung für das Grundbuchamt.

Grundbuchamt darf Testierfähigkeit Erblasser bezweifeln

Fazit:

Der Beschluss verdeutlicht, dass das Grundbuchamt nicht an die Feststellung des Notars über die Testierfähigkeit des Erblassers gebunden ist.

Bestehen konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Testierfähigkeit, kann das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins verlangen, um die Erbfolge sicherzustellen.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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