Grundbucheinsicht für Pflichtteilsberechtigte

August 10, 2017

Grundbucheinsicht für Pflichtteilsberechtigte

OLG Karlsruhe 11 Wx 57/13

RA und Notar Krau

Der Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 05.09.2013 befasst sich mit dem Grundbucheinsichtsrecht eines Pflichtteilsberechtigten,

dessen Mutter eine Eigentumswohnung vor ihrem Tod veräußert hatte.

Sachverhalt:

Der Sohn einer verstorbenen Frau beantragte beim Grundbuchamt die Einsicht in das Grundbuch und die Grundakten der Eigentumswohnung seiner Mutter,

um prüfen zu können, ob ihm ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zusteht.

Das Grundbuchamt lehnte den Antrag ab, da die Mutter die Wohnung bereits vor ihrem Tod verkauft hatte und der Sohn somit kein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme habe.

Entscheidung des OLG Karlsruhe:

Das OLG Karlsruhe gab der Beschwerde des Sohnes statt und erkannte ihm ein Grundbucheinsichtsrecht zu.

Grundbucheinsicht für Pflichtteilsberechtigte

Wesentliche Punkte der Entscheidung:

  1. Berechtigtes Interesse:

    • Das OLG stellte fest, dass ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht nicht nur bei einem rechtlichen Interesse besteht, sondern auch bei einem verständigen, durch die Sachlage gerechtfertigten Interesse, insbesondere einem wirtschaftlichen Interesse.
    • Pflichtteilsberechtigte haben grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht, da sie ihre erbrechtlichen Ansprüche prüfen müssen.
    • Dies gilt auch, wenn der Erblasser das Grundstück zu Lebzeiten veräußert hat, da dann ein Pflichtteilsergänzungsanspruch in Betracht kommt, wenn die Veräußerung eine Schenkung war.
    • Der Pflichtteilsberechtigte darf die Richtigkeit ihm erteilter Auskünfte durch die Einsichtnahme in das Grundbuch überprüfen.
  2. Pflichtteilsergänzungsanspruch:

    • Der Sohn als Pflichtteilsberechtigter könnte einen Pflichtteilsergänzungsanspruch haben, wenn die Veräußerung der Wohnung durch seine Mutter eine (gemischte) Schenkung war.
    • Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass der Sohn auf sein Pflichtteilsrecht verzichtet hatte oder es sonst verloren hatte.
  3. Prüfung der (Teil-)Unentgeltlichkeit:

    • Das OLG entschied, dass dem Sohn die Einsichtnahme nicht mit der Begründung verweigert werden darf, dass es an konkreten Anhaltspunkten für eine (Teil-)Unentgeltlichkeit des Geschäfts mangele.
    • Der Sohn muss selbst prüfen können, ob Anhaltspunkte für eine teilunentgeltliche Übertragung vorliegen.
    • Als Angehöriger der Erblasserin kann er dies besser beurteilen als das Grundbuchamt.
  4. Informationelle Selbstbestimmung des Erwerbers:

    • Das OLG berücksichtigte das Recht des Erwerbers auf informationelle Selbstbestimmung.
    • Es entschied jedoch, dass der Erwerber hinnehmen muss, dass erbrechtliche Beteiligte über die Grundbucheinsicht das Bestehen etwaiger Ansprüche prüfen.
  5. Umfang der Einsichtnahme:

    • Dem Sohn wurde die Einsicht in alle Abteilungen des Grundbuchs gewährt, da auch Belastungen des Grundbesitzes für die Prüfung relevant sein können.
    • Ihm wurde auch die Einsicht in den Kaufvertrag gewährt, da er ein berechtigtes Interesse daran hat, sich über die bei der Veräußerung vereinbarten Bedingungen zu informieren.

Grundbucheinsicht für Pflichtteilsberechtigte

Fazit:

Das OLG Karlsruhe stärkt mit diesem Beschluss die Rechte von Pflichtteilsberechtigten.

Es stellt klar, dass ihnen ein umfassendes Grundbucheinsichtsrecht zusteht, um ihre Ansprüche prüfen zu können.

Dieses Recht gilt auch dann, wenn der Erblasser das Grundstück zu Lebzeiten veräußert hat.

Die Entscheidung trägt dem Umstand Rechnung, dass Pflichtteilsberechtigte oft auf die Informationen im Grundbuch angewiesen sind, um ihre Rechte effektiv geltend machen zu können.

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Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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