Grundbuchverfahren: Löschungsvoraussetzung für eine von der insolvenzrechtlichen Rückschlagsperre erfasste Sicherungshypothek

Oktober 13, 2025

Grundbuchverfahren: Löschungsvoraussetzung für eine von der insolvenzrechtlichen Rückschlagsperre erfasste Sicherungshypothek

Vorinstanzen:

Notariat II – Grundbuchamt – Schwäbisch Gmünd, Entscheidung vom 05.07.2011 – II GR G 248/11 –

OLG Stuttgart, Entscheidung vom 30.08.2011 – 8 W 310/11 – 24

Gerne fasse ich den Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 12. Juli 2012 (Az.: V ZB 219/11) zur Zwangssicherungshypothek, Insolvenz und Rückschlagsperre zusammen.

Dieser Beschluss ist wichtig, weil er klärt, unter welchen Voraussetzungen eine im Grundbuch eingetragene Zwangshypothek gelöscht werden kann, wenn über das Vermögen des Grundstückseigentümers das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

Der Fall: Worum geht es?

Die Ausgangslage:

Über das Vermögen eines Schuldners (Eigentümer eines Grundstücks) wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet. Vor der Eröffnung waren zugunsten verschiedener Gläubiger Zwangssicherungshypotheken auf dem Grundstück eingetragen worden. Eine Zwangssicherungshypothek ist ein Pfandrecht, das ein Gläubiger durch Zwangsvollstreckung in das Grundstück eintragen lässt, um seine Forderung abzusichern.

Das Problem:

Der Insolvenzverwalter (Beteiligter zu 1) wollte diese Hypotheken löschen lassen, da sie seiner Meinung nach wegen der Insolvenz unwirksam geworden waren.

Der Grundbuchantrag:

Der Verwalter legte dem Grundbuchamt die Insolvenzeröffnung und eine Bescheinigung des Insolvenzgerichts über den Zeitpunkt des Insolvenzantrags vor.

Die Reaktion des Grundbuchamts:

Das Amt verlangte für die Löschung jedoch zusätzlich die Löschungsbewilligungen (die Zustimmung zur Löschung) der Gläubiger.

Die Rechtsfrage:

Ist die Löschung einer unwirksamen Zwangshypothek im Grundbuch immer von der Zustimmung des Gläubigers abhängig?

Die Entscheidung des BGH: Kernpunkte

Der BGH hat die Rechtsbeschwerde des Insolvenzverwalters zwar letztendlich zurückgewiesen, ihm aber in der zentralen Rechtsfrage Recht gegeben.

Die „Rückschlagsperre“ (§ 88 InsO)

Was sie bewirkt:

Nach § 88 der Insolvenzordnung (InsO) wird eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme (wie die Eintragung einer Zwangshypothek), die der Gläubiger im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag oder danach vornimmt, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam. Man spricht von der Rückschlagsperre.

Die Folge:

Die Hypothek erlischt vollständig. Das Grundbuch wird dadurch unrichtig, weil es ein Recht ausweist, das in Wirklichkeit nicht mehr existiert.

Löschung ohne Zustimmung des Gläubigers möglich (aber nicht zwingend)

Der wichtige Punkt:

Der BGH stellt klar, dass die Löschung einer durch die Rückschlagsperre erloschenen Zwangshypothek NICHT zwingend die Zustimmung des Gläubigers (§ 19 GBO – Grundbuchordnung) erfordert.

Alternative:

Der Insolvenzverwalter kann stattdessen die Berichtigung des Grundbuchs nach § 22 Abs. 1 GBO verlangen, wenn er die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachweisen kann. Die Löschung erfolgt dann ohne die Bewilligung des Gläubigers.

Grundbuchverfahren: Löschungsvoraussetzung für eine von der insolvenzrechtlichen Rückschlagsperre erfasste Sicherungshypothek

Begründung:

Die Zwangshypothek erlischt vollständig, und die Möglichkeit, dass sie später unter bestimmten Umständen wieder auflebt, steht der sofortigen Berichtigung des unrichtigen Grundbuchs nicht entgegen.

Gleichrangigkeit:

Der Insolvenzverwalter hat also die Wahl: Entweder er klagt auf Erteilung der Löschungsbewilligung (was mühsam ist) oder er weist die Unrichtigkeit des Grundbuchs nach.

Warum der Insolvenzverwalter im konkreten Fall trotzdem verlor

Obwohl der BGH die grundsätzliche Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts korrigierte, wurde der Antrag des Verwalters am Ende abgelehnt, weil er den für die Löschung notwendigen Nachweis nicht erbracht hatte.

Fehlender Nachweis:

Der Verwalter musste nachweisen, dass die Hypotheken innerhalb der Monatsfrist der Rückschlagsperre eingetragen wurden. Dafür ist der Tag des Eingangs des Insolvenzantrags maßgeblich.

Problem mit der Bescheinigung:

Der Verwalter legte eine Bescheinigung des Insolvenzgerichts über den Eingangstag des Antrags vor. Der BGH entschied jedoch, dass diese Bescheinigung kein geeigneter Nachweis in Form einer öffentlichen Urkunde im Sinne des Grundbuchrechts ist. Das Insolvenzgericht sei nicht befugt, solche Bescheinigungen auszustellen, die bindende Beweiskraft für das Grundbuchamt haben.

Das Ergebnis:

Da der Verwalter die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form nachweisen konnte, musste er für die Löschung doch die Löschungsbewilligungen der Gläubiger vorlegen (oder eine Löschungsklage anstrengen).

Fazit

Der Beschluss des BGH ist ein wichtiges Grundsatzurteil für das Zusammenwirken von Insolvenzrecht und Grundbuchrecht:

Eine Zwangshypothek, die von der Rückschlagsperre (§ 88 InsO) erfasst wird, erlischt mit der Insolvenzeröffnung.

Das Grundbuch wird unrichtig und kann grundsätzlich auch ohne Zustimmung des Gläubigers berichtigt werden, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs bewiesen wird.

ABER:

Der Nachweis des relevanten Zeitpunkts (Eingang des Insolvenzantrags) muss in der strengen Form einer öffentlichen Urkunde erbracht werden. Eine einfache Bescheinigung des Insolvenzgerichts reicht dafür nicht aus.

Der Verwalter muss also den maßgeblichen Zeitpunkt des Insolvenzantrags auf andere Weise beweisen, um die Zwangshypothek ohne die Mitwirkung des Gläubigers löschen zu lassen.

RA und Notar Krau

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