Grunderwerbsteuer beim Erwerb von Gesellschaftsanteilen durch einen Treuhänder, Aufnahme des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter
BFH (II. Senat), Urteil vom 20.11.2024 – II R 29/21
Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte in seinem Urteil vom 20. November 2024 (II R 29/21) über die Frage der Grunderwerbsteuerpflicht
beim Erwerb von Gesellschaftsanteilen an einer grundbesitzenden GmbH durch einen Treuhänder zu entscheiden.
Zudem befasste sich das Gericht mit der Möglichkeit der Aufnahme eines im Revisionsverfahren unterbrochenen Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter.
Die A-GmbH erwarb im November 2018 ein Grundstück. Gesellschafter der A-GmbH waren zu je einem Drittel die spätere Insolvenzschuldnerin, die B-GmbH und die C-GmbH.
Das Finanzamt setzte daraufhin gegenüber der A-GmbH Grunderwerbsteuer für den Grundstückserwerb fest.
Im April 2019 erwarb die Insolvenzschuldnerin von der B-GmbH und der C-GmbH deren Geschäftsanteile an der A-GmbH.
Dies geschah aufgrund eines Treuhandauftrags und Darlehensvertrags mit der X-GmbH. Demnach erwarb die Insolvenzschuldnerin die Anteile im eigenen Namen, aber für Rechnung der X-GmbH.
Das Finanzamt setzte daraufhin gegenüber der Insolvenzschuldnerin Grunderwerbsteuer aufgrund der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) fest,
da durch den Erwerb alle Anteile an der grundbesitzenden A-GmbH in der Hand der Insolvenzschuldnerin vereinigt wurden.
Gegen diesen Bescheid legte die Insolvenzschuldnerin Einspruch ein, der erfolglos blieb. Auch die Klage vor dem Finanzgericht (FG) wurde abgewiesen.
Während des anschließenden Revisionsverfahrens wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und ein Insolvenzverwalter (der spätere Kläger) bestellt.
Dieser widersprach der vom Finanzamt im Insolvenzverfahren angemeldeten Grunderwerbsteuerforderung und nahm das Revisionsverfahren auf.
Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück und bestätigte damit die Entscheidung des FG.
Der BFH stellte fest, dass ein Treuhänder den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllen kann, wenn sich in seiner Hand erstmalig
alle Anteile einer grundbesitzenden GmbH unmittelbar oder mittelbar vereinigen.
Entscheidend sei, ob der Erwerber zivilrechtlich den Anspruch auf Übertragung der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft erwirbt.
Dies sei im vorliegenden Fall gegeben, da die Insolvenzschuldnerin durch den Kaufvertrag die Anteile an der A-GmbH unmittelbar in ihrer Hand vereinigte.
Der Umstand, dass die Insolvenzschuldnerin die Anteile treuhänderisch für die X-GmbH erwarb (Erwerbstreuhand), stehe der Annahme eines steuerpflichtigen Erwerbsvorgangs nicht entgegen.
Die Grunderwerbsteuer sei eine Rechtsverkehrsteuer, die grundsätzlich an das Zivilrecht anknüpfe.
Bei einem unmittelbaren Anteilserwerb nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sei maßgeblich, wer zivilrechtlich den Anspruch auf Übertragung der Anteile erwirbt.
Die abweichende Behandlung der Erwerbstreuhand in anderen Rechtsgebieten (wie dem Insolvenz- oder Handelsrecht) führe nicht zu einer anderen zivilrechtlichen Zurechnung der Anteile im Rahmen der Grunderwerbsteuer.
Auch die Rechtsprechung zur mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands bei Personengesellschaften stehe dieser Beurteilung nicht entgegen,
da sie sich auf mittelbare Erwerbsvorgänge beziehe.
Der BFH bestätigte, dass die A-GmbH im Zeitpunkt des Anteilserwerbs als grundbesitzende Gesellschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG anzusehen war.
Entscheidend für die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung eines Grundstücks zum Vermögen einer Gesellschaft sei,
ob die Gesellschaft zuvor einen unter § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang in Bezug auf dieses Grundstück verwirklicht hat.
Im vorliegenden Fall hatte die A-GmbH bereits durch den Kaufvertrag vom November 2018 einen zivilrechtlich wirksamen und durchsetzbaren Anspruch auf Übereignung des Grundstücks erworben,
wodurch dieser Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG unterlag und das Grundstück der A-GmbH grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen war.
Der Umstand, dass der Kaufpreis noch nicht gezahlt war oder möglicherweise ein Rücktrittsrecht bestand, ändere daran nichts.
Der BFH sah die zur Tabelle angemeldete Grunderwerbsteuerforderung auch der Höhe nach als berechtigt an.
Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 GrEStG bemisst sich die Steuer in Fällen des § 1 Abs. 3 GrEStG nach den gesondert festzustellenden Grundbesitzwerten.
Das Finanzamt hatte die Höhe der Grundbesitzwerte geschätzt und dabei zugunsten der Insolvenzschuldnerin
den niedrigeren Kaufpreis des kurz zuvor von der A-GmbH erworbenen Grundstücks als Bemessungsgrundlage herangezogen.
Da weder die Insolvenzschuldnerin noch der Kläger dieser Berechnung substantiiert entgegengetreten waren und keine Feststellungserklärung abgegeben hatten, sah der BFH keine Notwendigkeit, das
Verfahren nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen, um ein gesondertes Wertfeststellungsverfahren durchzuführen.
Der BFH bestätigte die Zulässigkeit der Aufnahme des im Revisionsverfahren unterbrochenen Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 240 Satz 1 der
Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 87 und § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 2 der Insolvenzordnung (InsO).
Streitgegenstand sei in diesem Fall die Feststellung, ob der Widerspruch des Insolvenzverwalters gegen die angemeldete Forderung begründet sei.
Das Urteil des BFH stärkt die grunderwerbsteuerliche Behandlung des Treuhänders als unmittelbaren Erwerber im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG bei der Vereinigung von Gesellschaftsanteilen.
Es unterstreicht die Anknüpfung der Grunderwerbsteuer an zivilrechtliche Tatbestände und grenzt die steuerliche Behandlung von der insolvenz- oder handelsrechtlichen Betrachtung ab.
Zudem bekräftigt es die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung von Grundstücken bereits mit dem Abschluss eines wirksamen Kaufvertrags.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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