Grundsätze der Unternehmensbewertung
Die Bewertung eines Unternehmens ist ein komplexer Prozess, der in verschiedenen Kontexten erforderlich ist,
beispielsweise bei Fusionen und Übernahmen, bei der Unternehmensnachfolge oder im Rahmen von gerichtlichen Auseinandersetzungen.
Besonders relevant ist die Unternehmensbewertung im Zusammenhang mit einem Squeeze-out, also dem Ausschluss von Minderheitsaktionären durch einen Hauptaktionär.
In diesem Fall schreibt das Gesetz die Zahlung einer angemessenen Abfindung an die Minderheitsaktionäre vor, deren Höhe sich am Wert des Unternehmens bemisst.
1. Gesetzliche Vorgaben und anerkannte Methoden:
Das Gesetz schreibt keine spezifische Methode zur Unternehmensbewertung vor. In der Praxis hat sich jedoch das Ertragswertverfahren als Standardmethode durchgesetzt.
Dieses Verfahren basiert auf der Annahme, dass der Wert eines Unternehmens primär von seiner Fähigkeit abhängt, zukünftige Erträge zu erwirtschaften.
Diese Annahme ist verfassungsrechtlich unbedenklich und wird durch den vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) herausgegebenen Prüfungsstandard IDW S 1 bestätigt.
2. Das Ertragswertverfahren im Detail:
Das Ertragswertverfahren ermittelt den Unternehmenswert durch die Abzinsung aller zukünftigen finanziellen Überschüsse, die der Gesellschaft zufließen.
Dabei werden nur die Nettoeinnahmen berücksichtigt, die den Eigentümern tatsächlich zur Verfügung stehen (Zuflussprinzip).
Die Prognose der zukünftigen Erträge basiert auf der Analyse bereinigter Vergangenheitsdaten und Planungsprognosen für die kommenden Jahre.
Man unterscheidet dabei zwischen einer Detailplanungsphase (3-5 Jahre) und einer daran anschließenden Phase mit konstanten Pauschalannahmen.
3. Kapitalisierungszinssatz und Risikozuschlag:
Die Umrechnung der geplanten Überschüsse auf den Unternehmenswert erfolgt mittels Abzinsung durch einen Kapitalisierungszinssatz.
Dieser setzt sich aus einem Basiszinssatz und einem Risikozuschlag zusammen.
Der Basiszinssatz orientiert sich an den langfristigen Zinserwartungen von Bundesanleihen, während der Risikozuschlag die individuellen Renditerisiken des Unternehmens berücksichtigt.
Zur Ermittlung des Risikozuschlags wird häufig das Capital Asset Pricing Model (CAPM) verwendet.
4. Weitere Bewertungsverfahren:
Neben dem Ertragswertverfahren sind auch andere Bewertungsmethoden zulässig, beispielsweise das Discounted Cash-Flow-Verfahren (DCF), das ebenfalls im IDW S 1 als zulässiges Verfahren genannt wird.
Vergleichsorientierte Bewertungsverfahren, die im Bereich des Unternehmenskaufs gebräuchlich sind, haben bei der Bewertung im Rahmen eines Squeeze-out bisher kaum eine Rolle gespielt.
Multiplikatoranalysen können jedoch zur Plausibilitätsprüfung des Ertragswerts herangezogen werden.
5. Unzulässige Verfahren:
Unzulässig ist hingegen das Buchwertverfahren.
Auch für das Substanzwertverfahren oder Kombinationsverfahren wie das Stuttgarter Verfahren gibt es nur in Ausnahmefällen Anwendungsmöglichkeiten.
6. Richterliche Schätzung:
Verbleibende Unsicherheiten bei der Bewertung können durch eine richterliche Schätzung gemäß § 287 ZPO gelöst werden.
Dies ist jedoch nur dann zulässig, wenn eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts unverhältnismäßig aufwendig wäre.
Grundlage der Schätzung können alle Wertermittlungen sein, die auf anerkannten betriebswirtschaftlichen Methoden beruhen.
7. Anforderungen an den Inhalt der Bewertung:
Bei der Bewertung im Rahmen eines Squeeze-out ist das Unternehmen so zu bewerten, als hätte es keinen Unternehmensvertrag abgeschlossen („stand alone“).
Nur so kann sichergestellt werden, dass die außenstehenden Aktionäre so gestellt werden, wie sie ohne den Unternehmensvertrag stünden.
Preise, die am Markt gezahlt werden, sind in der Regel keine verlässliche Grundlage für die Bewertung, da sie durch subjektive Faktoren beeinflusst sein können.
8. Berücksichtigung von Entwicklungen am Stichtag:
Entwicklungen, die am Stichtag bereits in den Ursprüngen angelegt sind, müssen bei der Bewertung berücksichtigt werden (Wurzeltheorie).
Verbundeffekte (Synergien) des Unternehmensvertrags selbst dürfen hingegen nicht berücksichtigt werden.
Die Bewertung muss ausschließlich auf der Grundlage der zu erwartenden künftigen Erträge erfolgen.
9. Rechtliche Verfahrensanforderungen:
Die Unternehmensbewertung muss auf einem schlüssigen Bewertungsverfahren und einer hinreichenden Dokumentation der Geschäftsvorfälle beruhen.
Tatsächliche Annahmen müssen plausibel begründet werden und anerkannte betriebswirtschaftliche Grundsätze müssen eingehalten werden.
Liegen diese Voraussetzungen vor, ist grundsätzlich von einer Angemessenheit der Bewertung auszugehen, selbst wenn ein anderes Verfahren zu einem anderen Ergebnis geführt hätte.
10. Korrekturen der Ertragswertmethode:
Bei der Bewertung von Unternehmen mit unterschiedlichen Aktiengattungen (z.B. Stammaktien und stimmrechtslose Vorzugsaktien) kann eine Korrektur des Ertragswerts erforderlich sein.
In diesen Fällen ist eine Korrektur in Anlehnung an die Kursdifferenz zwischen den Gattungen vorzunehmen.