Grundstücksübertragung gegen Pflichtteilsverzicht ist keine Schenkung

August 24, 2017

Grundstücksübertragung gegen Pflichtteilsverzicht ist keine Schenkung

LG Paderborn 2 O 53/10

Bestehen eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs bezüglich einer Schenkung,

Grundstücksübertragung,

Gegenleistung

RA und Notar Krau

Der Erblasser hatte seine zweite Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt.

Aus seiner ersten Ehe stammten zwei Söhne (Kläger).

Der Erblasser hatte zu Lebzeiten mehrere Schenkungen vorgenommen, unter anderem ein Grundstück an seine Tochter aus zweiter Ehe (Beklagte).

Im Gegenzug hatte die Beklagte auf ihren Pflichtteil gegenüber dem Erblasser verzichtet.

Die Kläger machten geltend, dass es sich bei der Grundstücksübertragung um eine Schenkung handele

und die Beklagte das Grundstück zur Befriedigung ihrer Pflichtteilsansprüche herausgeben müsse.

Kernaussage des Urteils:

Grundstücksübertragung gegen Pflichtteilsverzicht ist keine Schenkung

Das Landgericht Paderborn wies die Klage ab.

Die Grundstücksübertragung an die Beklagte stellt keine Schenkung dar, da sie im Gegenzug auf ihren Pflichtteil verzichtet hat.

Der Pflichtteilsverzicht ist als Gegenleistung zu werten, die einen wirtschaftlichen Wert hat.

Begründung des Gerichts:

  • Schenkung:
    • Eine Schenkung liegt vor, wenn die Zuwendung unentgeltlich erfolgt, d.h. ohne Gegenleistung.
    • Im vorliegenden Fall ist die Grundstücksübertragung nicht unentgeltlich erfolgt, da die Beklagte im Gegenzug auf ihren Pflichtteil verzichtet hat.
  • Gegenleistung:
    • Der Pflichtteilsverzicht ist als Gegenleistung zu werten.
    • Er hat einen wirtschaftlichen Wert, da der Erblasser dadurch frei über sein Vermögen verfügen kann.
    • Der Verzicht auf den Pflichtteil gegenüber dem Erstversterbenden erhöht die Rechtssicherheit für den Erben.
  • Gemischte Schenkung:
    • Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn Leistung und Gegenleistung nicht gleichwertig sind.
    • Im vorliegenden Fall kann nicht von einer gemischten Schenkung ausgegangen werden.
    • Es ist nicht ersichtlich, dass die Vertragsparteien sich über eine teilweise Unentgeltlichkeit geeinigt haben.
    • Die Bewertung des Grundstücks im notariellen Vertrag spricht gegen die Annahme einer gemischten Schenkung.
  • Verhältnismäßigkeit:
    • Die Annahme einer Schenkung würde dazu führen, dass die Beklagte das Grundstück vollständig herausgeben müsste.
    • Dies wäre unverhältnismäßig, da sie dann leer ausginge.
    • Der Erblasser hat die Grundstücksübertragung jedoch nicht in der Absicht vorgenommen, dass die Beklagte nichts erhält.

Grundstücksübertragung gegen Pflichtteilsverzicht ist keine Schenkung

Fazit:

Das Urteil verdeutlicht, dass der Pflichtteilsverzicht als Gegenleistung bei der Übertragung von Vermögenswerten zu werten ist.

Dies gilt auch dann, wenn die Gegenleistung objektiv geringer ist als der Wert des übertragenen Vermögens.

Zusätzliche Informationen:

    • Das Urteil hat Bedeutung für die Praxis, da es die Frage klärt, ob der Pflichtteilsverzicht als Gegenleistung bei der Übertragung von Vermögenswerten anzusehen ist.
    • Notare sollten bei der Gestaltung von Verträgen über den Verzicht auf den Pflichtteil die wirtschaftlichen Folgen für die Beteiligten berücksichtigen.
    • Erben sollten sich vor der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen über die Rechtslage informieren.
RA und Notar Krau

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