Grundstücksübertragung und Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags

Oktober 16, 2025

Grundstücksübertragung und Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags

Vorinstanz: LG München I, Urteil vom 06.08.2020 – 23 O 8748/19

Zusammenfassung des Urteils des OLG München vom 07.04.2025 (Az.: 33 U 4723/20).

OLG München: Urteil zur Grundstücksübertragung und Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags

Das Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) München betrifft einen Erbstreit über ein Grundstück in München, welches der verstorbene Ehemann (Erblasser) seinen drei Kindern – den beiden Klägern aus erster Ehe und dem Beklagten zu 2 aus zweiter Ehe – vermachen sollte. Geklagt hatten die Kinder aus erster Ehe gegen die zweite Ehefrau und ihren gemeinsamen Sohn, die zusammen die Erbengemeinschaft bilden. Das OLG bestätigte im Ergebnis das erstinstanzliche Urteil und gab den Klägern recht.

Der Sachverhalt im Kern

Der Fall dreht sich um eine Immobilie, die der Erblasser 1995 von seinem Vater geschenkt bekam. Diese Schenkung war mit der Auflage verbunden, das Grundstück später an seine Kinder weiterzuübertragen. Diese Auflage wurde durch spätere notarielle Nachträge in den Jahren 2003 und 2008 präzisiert, wonach das Grundstück spätestens beim Tod des Erblassers zu je einem Drittel auf seine drei Kinder übertragen werden sollte.

Die Beklagten (zweite Ehefrau und ihr Sohn) weigerten sich als Miterben, der Übertragung zuzustimmen. Sie argumentierten hauptsächlich:

Die späteren notariellen Nachträge zur Weitergabeverpflichtung seien unwirksam, weil die zweite Ehefrau (Beklagte zu 1) nach der bereits 1995 vollzogenen Schenkung zustimmen hätte müssen ($ 1365 BGB). Dies wäre der Fall, wenn der Ehevertrag von 1995 zwischen dem Erblasser und der Beklagten zu 1 sittenwidrig gewesen wäre.

Der Nachtrag von 2008 sei zudem unwirksam, weil die Mutter des Erblassers (E. H.) als Vertragspartei des ursprünglichen Schenkungsvertrags von 1995 an den Änderungen zwingend hätte mitwirken müssen.

Die Entscheidung des OLG München

Das OLG München wies die Berufung der Beklagten zurück. Es kam zu dem Schluss, dass die Kläger einen Anspruch auf die Übertragung des Grundstücks haben.

Wirksamkeit der Weitergabeverpflichtung

Das Gericht stellte fest, dass die Verpflichtung zur Übertragung des Grundstücks beim Tod des Erblassers, die 2008 notariell vereinbart wurde, wirksam ist. Obwohl es sich dem Grunde nach um ein Schenkungsversprechen von Todes wegen handelt, das besonderen erbrechtlichen Regeln unterliegt ($ 2302 BGB), war die Verpflichtung hier bereits im Vertrag von 2008 so ausgestaltet, dass sie einen – wenn auch bedingten (Überleben des Erblassers) – direkten Anspruch der Kinder begründete. Damit wurde die Formvorschrift für Schenkungsversprechen von Todes wegen ($ 2301 BGB) durch die notarielle Beurkundung eingehalten.

Keine Sittenwidrigkeit des Ehevertrags

Die zentrale Frage war, ob der Ehevertrag von 1995 (der Gütertrennung, Unterhaltsverzicht und Ausschluss des Versorgungsausgleichs vorsah) sittenwidrig war. Wäre er sittenwidrig gewesen, hätte die gesetzliche Regelung des Zugewinnausgleichs gegolten, und die Ehefrau hätte der Übertragung des „wesentlichen“ Vermögensgegenstandes (Grundstück) an die Kinder zustimmen müssen ($ 1365 BGB).

Grundstücksübertragung und Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags

Das OLG verneinte die Sittenwidrigkeit:

Kein relevantes Vermögensgefälle:

Zum Zeitpunkt des Ehevertragsschlusses 1995 verfügte der Erblasser nach eigener Darstellung der Beklagten über kein wesentliches Eigenvermögen und hatte sogar hohe Schulden aus einem gescheiterten Geschäft.

Neutralität der Gütertrennung:

Die vereinbarte Gütertrennung stellte sich als neutral dar.

Vorteil beim Versorgungsausgleich:

Der Ausschluss des Versorgungsausgleichs kam der damals 22-jährigen Ehefrau (Beklagte zu 1) eher zugute, da der Erblasser kaum eigene Anwartschaften erworben hatte. Ihr blieben die künftig selbst erworbenen Ansprüche erhalten.

Erwartete Schenkung nicht relevant:

Die Erwartung auf die spätere Immobilienschenkung durch die Eltern des Erblassers konnte keinen finanziellen Verzicht der Ehefrau begründen. Ein solcher Vermögenserwerb hätte, selbst ohne Sittenwidrigkeit, durch die Vereinbarung der Gütertrennung zulässigerweise außerhalb des Zugewinns gehalten werden können (Leitsatz 1).

Keine einseitige Benachteiligung:

Trotz der besonderen Situation der Ehefrau (ausländerrechtliche Komponente) zielte das objektive Zusammenwirken der Regelungen nicht auf eine derart einseitige Benachteiligung, dass der Vertrag als sittenwidrig anzusehen wäre.

Da der Ehevertrag nicht sittenwidrig war, galt die vereinbarte Gütertrennung. Folglich war die Zustimmung der Ehefrau zur späteren Übertragung des Grundstücks auf die Kinder nicht erforderlich.

Mitwirkung der Mutter des Erblassers

Die Beklagten argumentierten, die Mutter des Erblassers hätte an den Nachtragsverträgen von 2003 und 2008 mitwirken müssen.

Das OLG sah dies anders:

Die Mutter des Erblassers musste an den Nachträgen nicht zwingend beteiligt werden ($ 311 BGB).

Für eine Vertragsänderung ist nur die Mitwirkung der Parteien erforderlich, deren Rechtsposition unmittelbar gestaltet wird.

Die Nachträge betrafen lediglich die Verpflichtung des Erblassers zur Weiterübertragung des Grundstücks. Die Rechte der Mutter – wie Nießbrauchsrechte und Verwaltungsrechte – wurden dadurch nicht angetastet und blieben unberührt (Leitsätze 2 und 3).

Ergebnis:

Die Berufung der Beklagten war unbegründet, und die Kinder haben einen Anspruch auf die Übertragung des Grundstücks.

Ehevertrag und Sittenwidrigkeit:

Ein Ehevertrag, der einen Ehegatten benachteiligt, ist nicht automatisch sittenwidrig. Es muss eine einseitige Lastenverteilung vorliegen, die schon bei Vertragsschluss offenkundig war. Der Ausschluss von Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich ist zulässig, wenn keine Partei objektiv übervorteilt wird.

Vermögenserwerb durch Schenkung:

Die Aussicht auf eine künftige Schenkung (z.B. durch die Eltern) kann nicht als finanzieller „Verzicht“ gewertet werden, der einen Ehevertrag sittenwidrig macht, da Schenkungen ohnehin oft außerhalb des Zugewinnausgleichs gestaltet werden können.

Änderung eines Vertrags mit Dritten:

Werden in einem Vertrag Rechte Dritter (hier die Mutter des Erblassers) begründet, so sind diese Dritten bei nachträglichen Änderungen des Vertrags nur dann zwingend als Vertragspartei nötig, wenn ihre eigenen, eingeräumten Rechte durch die Änderung unmittelbar betroffen werden.

RA und Notar Krau

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