Haftung der Erben eines Grundstücks für sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrag
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Saarlouis vom 11. Dezember 2013 (Az. 1 A 348/13) befasst sich mit der zentralen Frage, wer für den sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrag haftet, wenn das betroffene Grundstück einer Erbengemeinschaft gehört.
Der sanierungsrechtliche Ausgleichsbetrag ist eine Abgabe, die Grundstückseigentümer an die Gemeinde zahlen müssen, weil ihr Grundstück durch städtebauliche Sanierungsmaßnahmen im Wert gestiegen ist.
Der Fall: Ein Kläger, der Mitglied einer Erbengemeinschaft ist, wurde von der Gemeinde zur Zahlung des gesamten sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrags für ein Grundstück im Sanierungsgebiet St. Johanner Markt in Höhe von 65.395,25 Euro herangezogen.
Der Kläger klagte dagegen. Er argumentierte, dass er als einzelner Miterbe nicht allein haften dürfe. Er war der Meinung, dass die Erbengemeinschaft als Ganzes („Gesamthandsgemeinschaft“) hätte veranlagt werden müssen, da Miterben nicht als Gesamtschuldner (jeder haftet für die ganze Summe) gelten, sondern als Gesamthandsschuldner (alle haften nur gemeinsam). Das Verwaltungsgericht gab ihm zunächst Recht.
Die Gemeinde legte Berufung ein. Sie vertrat die Auffassung, dass jeder Miterbe als Eigentümer im Sinne des Baugesetzbuches gilt und somit als Gesamtschuldner für den gesamten Betrag haftet.
Das OVG Saarlouis gab der Berufung der Gemeinde statt und hob das Urteil des Verwaltungsgerichts auf. Es kam zu dem Ergebnis, dass die Heranziehung des einzelnen Miterben als Gesamtschuldner rechtmäßig war.
Das Gericht stellte fest, dass jedes Mitglied einer Erbengemeinschaft („Gesamthandseigentümer“) als „Eigentümer“ im Sinne von §154 Abs. 1 S. 1 Baugesetzbuch (BauGB) anzusehen ist und somit für den sanierungsrechtlichen Ausgleichsbetrag haftet.
Öffentliches Recht geht vor: Das Gericht betonte, dass die Frage, wer eine öffentlich-rechtliche Abgabe schuldet, sich nach dem öffentlichen Recht (hier BauGB) und nicht primär nach dem Zivilrecht (BGB/Erbrecht) richtet.
Steht ein Grundstück im Eigentum einer Personenmehrheit (wie einer Erbengemeinschaft), erfüllt jedes Mitglied dieser Mehrheit den abgabenrechtlichen Tatbestand des „Eigentümers“.
In Fällen, in denen mehrere Personen denselben Abgabentatbestand erfüllen, ist im öffentlichen Abgabenrecht grundsätzlich die gesamtschuldnerische Haftung gegeben (im Gegensatz zur einfachen Miteigentümerschaft, wo die Haftung anteilig sein kann). Dies ergibt sich aus der Systematik des BauGB und dem Willen des Gesetzgebers.
Da die Erbengemeinschaft eine Mehrheit von Abgabepflichtigen darstellt, haftet jeder einzelne Erbe als Gesamtschuldner für den vollen Betrag. Die Gemeinde hat somit das Recht, sich an jeden beliebigen Miterben zu wenden, um die gesamte Summe zu fordern. Da die Adressen der anderen Miterben nicht bekannt waren, war die Auswahl des Klägers als Gesamtschuldner durch die Gemeinde nicht zu beanstanden.
Wenn ein Miterbe den gesamten Betrag gezahlt hat, hat er nach zivilrechtlichen Regeln (§§421, 426 BGB) einen Ausgleichsanspruch gegenüber den anderen Miterben in Höhe ihrer jeweiligen Anteile.
Das OVG verwies den Fall zur weiteren Klärung an das Verwaltungsgericht zurück. Es musste nun geprüft werden, ob der Ausgleichsbetrag auch der Höhe nach rechtmäßig festgesetzt wurde (z. B. korrekte Grundstücksgröße, richtige Wertermittlung), da das Verwaltungsgericht dies aufgrund seiner fehlerhaften Rechtsauffassung zur Haftung der Erbengemeinschaft zuvor nicht geprüft hatte.
Dieses Urteil ist ein wichtiger Beitrag zur Klärung der Haftung von Erben für grundstücksbezogene Abgaben:
Wenn Sie ein Grundstück in einer Erbengemeinschaft halten, das in einem Sanierungsgebiet liegt, haften Sie nicht nur anteilig, sondern als Gesamtschuldner. Das bedeutet, die Gemeinde kann Sie allein für den gesamten Sanierungsbetrag in Anspruch nehmen.
Die Gemeinde muss nicht die gesamte Erbengemeinschaft ermitteln. Es reicht aus, einen einzelnen Miterben zu veranlagen.
Wenn Sie als einzelner Miterbe den vollen Betrag zahlen mussten, können Sie das Geld von den anderen Miterben entsprechend ihren Erbanteilen zurückfordern. Dies ist aber eine zivilrechtliche Angelegenheit, die Sie selbst klären müssen.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat diese Rechtsauffassung in seinem nachfolgenden Urteil vom 10. September 2015 (Az. 4 C 3/14) bestätigt.
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