Haftung der Stadt für Unfall auf Friedhof
Zusammenfassung des Urteils des Landgerichts Trier vom 04.07.2023 (Az.: 11 O 33/22).
In diesem Fall klagte ein 83-jähriger Mann (der Kläger) gegen die Stadt Trier (die Beklagte), nachdem er auf einem Friedhof gestürzt war. Er forderte Schmerzensgeld und Erstattung der Anwaltskosten, da er der Stadt eine Verletzung der sogenannten Verkehrssicherungspflicht vorwarf.
Der Kläger besuchte im Juli 2020 wie üblich sonntags das Grab seiner Mutter auf dem Friedhof. Die Gräber waren über schmale Wege erreichbar, die mit Platten belegt waren. Diese Platten wiesen an manchen Stellen Höhenunterschiede und eine Schräglage auf, insbesondere gab es einen 2-3 cm hohen Absatz zwischen zwei Platten.
Als der Kläger sich vom Grab wegdrehte, blieb er an der Kante dieses Absatzes hängen und stürzte auf seine rechte Körperseite. Er erlitt Prellungen des Beckens, der rechten Schulter und der rechten Rippen sowie Schmerzen. Wegen anhaltender Beschwerden musste er mehrfach ärztlich behandelt werden.
Der Kläger forderte von der Stadt zunächst mindestens 3.500,00 € Schmerzensgeld und die Erstattung seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten, da die Stadt es versäumt habe, die gefährlichen Höhenunterschiede zu beseitigen und somit ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Er argumentierte, dass Friedhöfe oft von älteren, sturzgefährdeten Menschen besucht würden und eine besondere Sorgfaltspflicht bestehe.
Die Stadt forderte die Abweisung der Klage. Sie meinte, es liege keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor, da Fußgänger auf öffentlichen Wegen mit gewissen Unebenheiten rechnen müssten. Zudem seien die Unebenheiten bei Tageslicht gut sichtbar gewesen, und der Kläger habe die Stelle als regelmäßiger Besucher gekannt. Die Höhenunterschiede von 2–3 cm seien nicht so erheblich, dass eine Sicherungspflicht ausgelöst werde.
Das Landgericht Trier gab der Klage teilweise statt.
Das Gericht stellte fest, dass die Stadt ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt hat.
Grundsätzlich müssen Friedhofsbesucher zwar Niveauunterschiede in gewissem Umfang hinnehmen.
Hier war jedoch die tolerable Grenze überschritten, obwohl es sich „nur“ um 2–3 cm Höhenunterschied handelte.
Ausschlaggebend waren die Besonderheiten eines Friedhofs: Er wird überwiegend von älteren Menschen besucht, die potenziell in ihrer Fortbewegung und Reaktionsfähigkeit eingeschränkt sind.
Zudem muss der Besucher nicht nur auf den Weg achten, sondern auch auf die Gräber. Menschen sind dort oft gedanklich abgelenkt durch Trauer und Gedenken.
Die Unebenheiten an der Unfallstelle in unmittelbarer Nähe zum Grab stellten eine erhöhte Gefahr dar, besonders beim Drehen.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Sturz auf die Verkehrssicherungspflichtverletzung zurückzuführen war.
Als Folge des Sturzes wurden Prellungen des Beckens, der Schulter und der Rippen sowie Schmerzen in diesen Bereichen festgestellt.
Allerdings sah das Gericht nicht alle Beschwerden als sturzbedingt an. Später aufgetretene Lähmungserscheinungen und stärkere Schmerzen im Bein führte das Gericht auf vorbestehende, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule des Klägers zurück (chronisches Schmerzsyndrom).
Das Gericht ging jedoch davon aus, dass das vorbestehende Lendenwirbelsäulen-Schmerzsyndrom durch den Sturz akzentuiert (verschlimmert) wurde. Die unfallbedingte Schmerzperiode wurde auf sechs Monate begrenzt.
Das Gericht berücksichtigte ein Mitverschulden des Klägers. Da er den Friedhof und die Wege regelmäßig besuchte, waren ihm die Unebenheiten bekannt. Er hätte den Weg in Kenntnis dieser Mängel vorsichtiger und aufmerksamer begehen müssen. Dieses Mitverschulden wurde bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt.
Unter Berücksichtigung der festgestellten Verletzungen (Prellungen und Schmerzperiode von sechs Monaten) und des Mitverschuldens des Klägers setzte das Gericht ein angemessenes Schmerzensgeld fest.
Die Beklagte (Stadt) wurde verurteilt, an den Kläger 1.250,00 € Schmerzensgeld zu zahlen (anstatt der geforderten 3.500,00 €).
Die Beklagte musste auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 220,27 € erstatten.
Die restliche Klage wurde abgewiesen.
Da der Kläger nur mit einem Teil seiner Forderungen Erfolg hatte, musste er 64 % der Kosten des Rechtsstreits tragen, während die Beklagte 36 % der Kosten trug.
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