Haftung des Verfügungsberechtigten nach Erteilung einer Belastungsvollmacht zugunsten eines Dritten im Grundstückskaufvertrag

November 2, 2025

Haftung des Verfügungsberechtigten nach Erteilung einer Belastungsvollmacht zugunsten eines Dritten im Grundstückskaufvertrag

Gerne fasse ich den Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29.04.2010 (Az. V ZR 218/09), der sich mit Fragen des Vermögensgesetzes (VermG) und der Haftung bei Grundstücksgeschäften in der ehemaligen DDR befasst, für Sie zusammen.


Worum geht es in dem Fall?

Der Fall dreht sich um ein Grundstück in Sachsen und die Frage, ob der ursprüngliche Eigentümer (Kläger), der Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz geltend macht, von der Verkäuferin (Beklagte) verlangen kann, dass bestimmte im Grundbuch eingetragene Rechte – nämlich eine Vormerkung für den Käufer und eine Grundschuld zugunsten einer Bank – gelöscht werden.

  • Hintergrund: Nach der Wiedervereinigung gibt es das Vermögensgesetz (VermG). Es soll unrechtmäßige Enteignungen in der DDR rückgängig machen. Ein sogenannter Verfügungsberechtigter (hier die Beklagte) darf ein von Rückübertragungsansprüchen betroffenes Grundstück grundsätzlich nicht ohne Genehmigung belasten oder verkaufen (§ 3 Abs. 3 VermG). Man spricht von einem Unterlassungsgebot.
  • Der Sachverhalt:
    1. Die Beklagte (Verfügungsberechtigte) verkaufte 1999 eine Teilfläche des Grundstücks an einen Käufer.
    2. In diesem Kaufvertrag erteilte sie dem Käufer eine Belastungsvollmacht, die es ihm erlaubte, eine Grundschuld auf dem Grundstück einzutragen zu lassen.
    3. Die Grundstücksverkehrsgenehmigung für den Kaufvertrag wurde erst 2004 erteilt.
    4. Der Käufer nutzte die Vollmacht und bestellte 2005 eine Grundschuld im Grundbuch (zugunsten einer Sparkasse).
    5. 2007 widerrief die zuständige Behörde die Grundstücksverkehrsgenehmigung.
    6. Der Kläger (der ursprüngliche Eigentümer), der inzwischen selbst als Eigentümer eingetragen ist, verlangt nun die Löschung der Vormerkung und der Grundschuld.

Die Entscheidung des BGH (Kurzfassung)

Der BGH hat die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen. Das bedeutet, die Klage auf Beibringung der Löschungsbewilligungen wurde endgültig abgewiesen.

Zentrale Aussage des BGH: Ein Verfügungsberechtigter (hier die Beklagte) haftet nicht wegen Verletzung des Unterlassungsgebots aus dem Vermögensgesetz, wenn er eine Belastungsvollmacht erteilt, von der der Dritte (der Käufer) erst Gebrauch machen kann, nachdem die notwendige Grundstücksverkehrsgenehmigung erteilt wurde. Das gilt selbst dann, wenn die Vollmacht auch nach einem späteren Widerruf oder einer Rücknahme der Genehmigung wirksam bleibt.


Haftung des Verfügungsberechtigten nach Erteilung einer Belastungsvollmacht zugunsten eines Dritten im Grundstückskaufvertrag

Die Begründung im Detail

1. Haftung wegen Grundschuld-Bestellung (Verstoß gegen Unterlassungsgebot)

Der Kläger sah in der Erteilung der Belastungsvollmacht und der daraufhin eingetragenen Grundschuld einen Verstoß der Beklagten gegen das Unterlassungsgebot des § 3 Abs. 3 VermG. Er wollte damit eine Schadensersatzpflicht der Beklagten (§ 823 Abs. 2 BGB) begründen, die zur Löschung der Grundschuld führen sollte.

  • Der BGH sagt: Keine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten.
    • Die Beklagte handelte nicht schuldhaft (fahrlässig oder vorsätzlich).
    • Wenn die Grundstücksverkehrsgenehmigung erteilt ist, darf der Verfügungsberechtigte davon ausgehen, dass der Restitutionsantrag (Rückübertragungsanspruch) des Klägers nicht mehr vorliegt oder erledigt ist. Er muss dann keine Rücksicht mehr nehmen.
    • Hier wurde die Vollmacht zwar schon 1999 erteilt, es wurde aber vertraglich sichergestellt, dass der Käufer sie erst nach Erteilung der Genehmigung (die 2004 erfolgte) nutzen konnte.
    • Durch diese Sicherstellung hatte die Beklagte Vorsorge gegen eine unzulässige Belastung vor der Genehmigung getroffen. Sie durfte davon ausgehen, dass das Grundstück erst belastet wird, wenn rechtlich alles in Ordnung ist.
  • Keine Haftung trotz Widerruf der Genehmigung:
    • Dass die Vollmacht und die Grundschuld wirksam blieben, obwohl die Genehmigung später widerrufen wurde (2007), begründet ebenfalls keine Haftung der Beklagten.
    • Der BGH betont: Ein Verfügungsberechtigter muss den Kaufvertrag nicht so gestalten, dass eine Belastungsvollmacht unwirksam wird, falls die Genehmigung später widerrufen oder zurückgenommen wird. Er darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass die einmal erteilte Genehmigung zu Recht erteilt wurde.

2. Ansprüche wegen der Auflassungsvormerkung

Bezüglich der Forderung nach Löschung der Auflassungsvormerkung (die die Eintragung des Käufers als Eigentümer sichern soll) sah der BGH keinen Klärungsbedarf von grundsätzlicher Bedeutung. Das Berufungsgericht hatte auch diesen Anspruch des Klägers abgewiesen, und der BGH bestätigte dies, ohne es näher begründen zu müssen.

3. Verfahrensfehler (Gehörsverletzung)

Der BGH stellte zwar fest, dass dem Kläger das rechtliche Gehör verletzt wurde (er durfte sich zu einem neuen Argument der Beklagten nicht äußern), dies führte aber nicht zur Zulassung der Revision. Denn: Das angefochtene Urteil (Abweisung der Klage) stellte sich aus anderen Gründen als richtig heraus (siehe Punkt 1: keine Haftung der Beklagten, weil sie nicht schuldhaft gehandelt hat).


Fazit

Der BGH hat entschieden, dass der Verkäufer (Verfügungsberechtigter) eines von Restitutionsansprüchen betroffenen Grundstücks nicht haftet, wenn er zwar eine Belastungsvollmacht erteilt, aber vertraglich sicherstellt, dass diese erst nach Vorliegen der behördlichen Genehmigung genutzt werden darf. Er muss keine Vorsorge dafür treffen, dass die Vollmacht unwirksam wird, falls die Genehmigung nachträglich widerrufen wird, da er auf die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung vertrauen darf.

RA und Notar Krau

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