Haftung des Vermieters bei Glatteisunfall auf Gemeinschaftseigentum
Gericht: BGH 8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 06.08.2025
Aktenzeichen: VIII ZR 250/23
Dokumenttyp: Urteil
vorgehend LG Limburg, 6. Oktober 2023, Az: 3 S 32/23
vorgehend AG Wetzlar, 16. Februar 2023, Az: 35 C 158/21
Der Bundesgerichtshof (BGH) musste entscheiden, ob ein Wohnungseigentümer, der seine Wohnung vermietet, für Schäden haftet, die seine Mieterin durch einen Sturz bei Eisglätte auf einem Weg des Grundstücks erlitten hat, der zum Gemeinschaftseigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) gehört.
Eine Mieterin (Klägerin) stürzte an einem Wintermorgen auf dem zum Haus führenden Weg, der Teil des gemeinschaftlichen Grundstücks der WEG war. Der Weg war nicht von Glatteis befreit, obwohl Glatteis angekündigt war. Die Mieterin erlitt schwere Verletzungen und verlangte Schmerzensgeld von ihrer Vermieterin (Beklagte), der Eigentümerin der Wohnung.
Der Winterdienst auf dem Grundstück wurde von der WEG an einen externen Dienstleister (Streithelferin) vergeben. Der Mietvertrag sah zwar vor, dass die Mieterin die Kosten für den Winterdienst über die Betriebskosten trägt und theoretisch auch selbst zum Räumen verpflichtet wäre, aber nur, soweit diese Arbeiten nicht anderweitig vorgenommen werden.
Gab der Klage statt und verurteilte die Vermieterin zur Zahlung von 12.000 € Schmerzensgeld.
Änderte das Urteil und wies die Klage vollständig ab. Das LG argumentierte, die Verkehrssicherungspflicht (Räum- und Streupflicht) treffe nicht die Vermieterin als Einzelperson, sondern die WEG als Grundstückseigentümerin. Da die WEG den Winterdienst an einen Dienstleister delegiert hatte, hafte sie selbst nur bei Verletzung ihrer Kontrollpflicht, was nicht ersichtlich sei. Eine Haftung der Vermieterin aus dem Mietvertrag lehnte das Gericht ebenfalls ab.
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und verwies den Fall zur neuen Verhandlung zurück. Er stellte klar, dass ein Anspruch der Mieterin gegen die Vermieterin auf Schadensersatz (Schmerzensgeld) aus einer Verletzung mietvertraglicher Nebenpflichten in Betracht kommt.
Der Vermieter ist grundsätzlich verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache zu gewähren, wozu auch ein sicherer Zugang zur Wohnung gehört. Diese mietvertragliche Pflicht zur Erhaltung und Verkehrssicherung umfasst auch das Räumen und Streuen der zum Haus führenden Wege auf dem Grundstück.
Diese Pflicht besteht unabhängig davon, ob der Vermieter Alleineigentümer oder, wie hier, nur Mitglied einer WEG ist und der Weg zum Gemeinschaftseigentum gehört. Die vertragliche Schutzpflicht des Vermieters gegenüber seinem Mieter ist vom Verhältnis der WEG zu den Eigentümern getrennt zu sehen. Der Mieter hat Anspruch auf ein gleiches Schutzniveau wie jeder andere Mieter.
Der BGH sah in der Klausel, dass der Mieter zwar die Kosten trägt und die Pflicht grundsätzlich auf ihn übertragen wird, dies aber entfällt, wenn die Arbeiten anderweitig (hier: durch den Dienstleister) vorgenommen werden, keine klare Haftungsfreistellung des Vermieters.
Der Vermieter kann sich zur Erfüllung seiner mietvertraglichen Pflichten eines Dritten (hier: den vom WEG beauftragten Winterdienst) bedienen. Dieser Dritte wird zum Erfüllungsgehilfen des Vermieters.
Volle Haftung: Im Gegensatz zum allgemeinen (deliktischen) Recht, wo der Auftraggeber nur für Auswahl- und Kontrollfehler haftet, haftet der Vermieter im Vertragsverhältnis gemäß § 278 BGB für das volle Verschulden seines Erfüllungsgehilfen wie für sein eigenes.
Die Vermieterin hat die Kosten des Dienstleisters an die Mieterin weitergegeben und somit ihren Willen gezeigt, dass dieser Dienstleister auch für sie zur Erfüllung ihrer Schutzpflichten aus dem Mietvertrag tätig wird.
Die Vermieterin kann sich gegenüber ihrer Mieterin nicht einfach darauf berufen, dass die WEG den Winterdienst an einen externen Dienstleister vergeben hat. Die mietvertragliche Räum- und Streupflicht gegenüber der Mieterin bleibt bestehen. Stürzt die Mieterin wegen mangelhaften Winterdienstes, muss sich die Vermieterin das Verschulden des Dienstleisters (der hier als ihr Erfüllungsgehilfe angesehen wird) zurechnen lassen und haftet somit für den Schaden.
Das Landgericht muss nun feststellen, ob der Winterdienst tatsächlich seine Pflicht verletzt hat und die Vermieterin ein Verschulden des Dienstleisters beweisen kann, um die Haftung abzuwenden.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.