Haftung in Insolvenz – BAG Urteil vom 10.04.2008 – 6 AZR 368/07
RA und Notar Krau
Werden vom Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines einzelkaufmännisch tätigen Schuldners die unmittelbar für die selbständige Erwerbstätigkeit des Schuldners benötigten Betriebsmittel „freigegeben“
und wird im Zusammenhang mit einer solchen Freigabe zwischen dem Schuldner und dem Insolvenzverwalter eine den Erfordernissen des § 295 Abs. 2 InsO entsprechende Vereinbarung über abzuführende Beträge geschlossen,
haftet die Insolvenzmasse nicht mehr für Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsvergütung aus danach vom Schuldner begründeten Arbeitsverhältnissen.
Diese hat allein der Schuldner zu erfüllen.
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten zu 3) wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 9. Mai 2006 – 8 Sa 1186/05 – aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten zu 3), dem Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten zu 1), Zahlung von Arbeitsvergütung aus der Insolvenzmasse.
Der Beklagte zu 1) war Inhaber einer Druckerei, deren Geschäftsbetrieb er zum 30. November 2002 einstellte.
Am 2. Dezember 2002 beantragte der Beklagte zu 1) beim zuständigen Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und stellte zugleich einen Antrag auf Restschuldbefreiung.
Mit Beschluss vom 3. Januar 2003 wurde die vorläufige Verwaltung des Vermögens des Beklagten zu 1) angeordnet und der Beklagte zu 3) zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt.
Am 11. März 2003 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 3) zum Insolvenzverwalter bestellt.
Der Beklagte zu 1) betrieb seit Mitte Februar 2003 wieder, zunächst ohne Wissen des Beklagten zu 3), einen Druckereibetrieb unter der neuen Bezeichnung „R Printmedien“.
Am 17. Februar 2003 schloss der Beklagte zu 1) mit der Klägerin einen befristeten Arbeitsvertrag.
Der Beklagte zu 3) erlangte durch ein Schreiben der AOK vom 28. April 2003 Kenntnis davon.
Mit Schreiben vom 8. Mai 2003 teilte der damalige Vertreter des Beklagten zu 1) dem Beklagten zu 3) mit, dass der Beklagte zu 1) wieder selbständig tätig sei und Zahlungen an den Treuhänder leisten wolle.
Im Berichts- und Prüfungstermin des Insolvenzgerichts vom 13. Mai 2003 stimmte die Gläubigerversammlung dem Antrag des Beklagten zu 3) zu, den Geschäftsbetrieb des Beklagten zu 1) aus dem Massebeschlag gegen eine Mindestzahlung freizugeben.
Mit Schreiben vom 22. Mai 2003 teilte der Beklagte zu 3) dem Beklagten zu 1) die Freigabe der benötigten Betriebsmittel aus dem Beschlag der Masse mit.
Der Beklagte zu 1) zahlte die vereinbarte Arbeitsvergütung für Dezember 2003, Januar und Februar 2004 nicht.
Die Klägerin machte ihre Entgeltforderungen und zusätzliche Urlaubsgeldansprüche gegenüber dem Beklagten zu 3) geltend.
Die Revision des Beklagten zu 3) ist begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die von der Klägerin gegen den Beklagten zu 3) erhobenen Ansprüche seien Masseverbindlichkeiten iSv. § 55 Abs. 1 InsO.
Es ist ungeklärt, ob der Beklagte zu 1) ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters ein Arbeitsverhältnis begründen konnte.
Entscheidend ist, dass die Klägerin keine Entfristungsklage erhoben hat, und daher allein der neue Vertrag vom 30. Juni 2003 als Rechtsgrundlage der Ansprüche dient.
Der Beklagte zu 3) hat mit der Freigabeerklärung vom 22. Mai 2003 die selbständige Erwerbstätigkeit des Beklagten zu 1) gebilligt und die Gewinne zur Mehrung der Insolvenzmasse in Anspruch genommen.
Es könnte jedoch eine unechte Freigabe vorliegen, die nur deklaratorisch war.
Sollte eine echte Freigabe der Betriebsmittel erfolgt sein, hätte der Beklagte zu 3) die Masse nur durch eine Vereinbarung iSv. § 295 Abs. 2 InsO entlasten können.
Dabei wäre die Zustimmung des Arbeitnehmers erforderlich gewesen.
Das Landesarbeitsgericht wird feststellen müssen, ob die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses zu Lasten der Masse erfolgte und ob eine entsprechende Vereinbarung vorlag.
Sollte der Vertrag vom 30. Juni 2003 zu Lasten der Masse geschlossen worden sein, hätte der Beklagte zu 3) die Masse von diesen Verbindlichkeiten nicht mehr einseitig entlasten können.
Schlussfolgerung:
Das Landesarbeitsgericht wird den Sachverhalt erneut prüfen und die notwendigen Feststellungen treffen müssen, um zu klären, ob die Ansprüche der Klägerin als Masseverbindlichkeiten zu werten sind.
Dabei ist insbesondere die genaue Ausgestaltung der Freigabe und der Zeitpunkt der Vereinbarungen zwischen den Parteien zu untersuchen.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.