Haftungsrecht Verkehrssicherungspflicht – In den Luftraum oberhalb der Straße hineinragende Äste
Zusammenfassung des Urteils des Oberlandesgerichts (OLG) Köln vom 01.08.1991 (Az. 7 U 53/91), das sich mit der Verkehrssicherungspflicht von Gemeinden in Bezug auf Bäume an Straßen beschäftigt.
Eine Spedition (Klägerin) verklagte die Stadt (Beklagte) auf Schadensersatz, weil ein Möbelfahrzeug der Spedition bei einer Fahrt in Düren mit seinem hohen Kastenaufbau in 3,60 Metern Höhe gegen die Äste eines Baumes am Straßenrand stieß und dabei beschädigt wurde.
Die Spedition argumentierte, die Stadt habe ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem sie die Äste nicht ausreichend zurückgeschnitten und so eine Gefahr für den Verkehr geschaffen habe. Sie forderte einen Teilbetrag des Schadens (75 %), da sie ein gewisses Mitverschulden ihres Fahrers einräumte.
Das Landgericht Aachen wies die Klage ab. Es sah keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Stadt, da die Gefahr des Baumes für den Fahrer ohne Weiteres erkennbar gewesen sei. Der Fahrer eines so hohen Fahrzeugs hätte entsprechend vorsichtig fahren und ausreichend Abstand zum Straßenrand halten müssen.
Das OLG Köln bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz und wies die Berufung der Klägerin (Spedition) zurück. Auch das OLG sah keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die beklagte Stadt.
Das Gericht stellte klar, dass es bei der Frage, wie weit Äste in den Straßenraum ragen dürfen, auf eine Abwägung im Einzelfall ankommt, die sich vor allem an der Verkehrsbedeutung der Straße orientiert:
Straßen von erheblicher Verkehrsbedeutung (z. B. Bundesstraßen, Ausfallstraßen):
Hier muss der Verkehrsraum weitestgehend frei gehalten werden, um die Verkehrssicherheit zu gewährleisten.
Fahrer auf solchen Straßen müssen sich voll auf das Verkehrsgeschehen konzentrieren können. Es ist ihnen nicht zumutbar, ständig auch den Luftraum oberhalb der Straße im Blick zu behalten.
Das öffentliche Interesse am Erhalt des Baumbestandes muss hier hinter den Anforderungen der Verkehrssicherheit zurücktreten.
Straßen von minderer Verkehrsbedeutung (z. B. innerörtliche Straßen):
Hier besteht keine Notwendigkeit, den Luftraum so umfassend freizuhalten.
Aufgrund der geringeren Dichte und Geschwindigkeit des Verkehrs kann von den Führern besonders hoher Fahrzeuge erwartet werden, dass sie neben dem eigentlichen Verkehrsgeschehen auch den Luftraum oberhalb der Straße beobachten.
Ihnen ist es zumutbar, entsprechend langsamer zu fahren und bei Bedarf auf die Mitte der Fahrbahn auszuweichen.
Das Gericht stufte die Straße in Düren (die „P.“ in D.-Merken) als innerörtliche Straße ohne größere Verkehrsbedeutung ein.
Da es sich nicht um eine Hauptverkehrsstraße handelte, urteilte das OLG, dass die Stadt ihre Pflicht nicht verletzt hat, obwohl der Ast in einer Höhe von 3,60 Metern in den Fahrraum ragte. Von dem Fahrer des hohen Lkws hätte erwartet werden müssen, auf dieser Art von Straße entsprechend vorsichtig zu sein und auf den Luftraum zu achten.
Die Gemeinde muss den Straßenraum bei Straßen mit geringer Verkehrsbedeutung nicht in einer Höhe von 3,60 Metern von hineinragenden Ästen freihalten. Fahrer besonders hoher Fahrzeuge müssen auf solchen Straßen selbst den Luftraum über der Fahrbahn beobachten.
Es gibt keine generelle Pflicht, den Luftraum über allen Straßen bis zur maximal zulässigen Fahrzeughöhe von 4 Metern freizuhalten. Die konkrete Pflicht richtet sich nach der Wichtigkeit und Art der jeweiligen Straße.
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