Hinweispflichten von Unternehmern auf Websites und in AGB nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz
Aufsatz von Rechtsanwalt Dr. Christian Nordholtz und Rechtsanwalt Eduard Weber, NJW 2018, 3057
Der Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Christian Nordholtz und Rechtsanwalt Eduard Weber beleuchtet die Hinweispflichten von Unternehmern auf ihren Websites
und in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gemäß dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG).
Die Autoren stellen heraus, dass Unternehmen nicht zwingend zur Teilnahme an einem Verbraucherstreitbeilegungsverfahren verpflichtet sein müssen,
sondern stattdessen auch eine generelle Bereitschaft zur Teilnahme erklären können.
In diesem Fall entfallen die sonst erforderlichen detaillierten Angaben zum VSBG-Verfahren.
Die Autoren weisen eingangs auf die zunehmenden gerichtlichen Auseinandersetzungen im E-Commerce aufgrund von
Verstößen gegen die Bekanntmachungspflichten des VSBG hin, die seit dem 1. Februar 2017 gelten.
Eine zentrale Rolle spielt dabei § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG, der grundsätzlich jeden Unternehmer mit mehr als zehn Mitarbeitern betrifft, der eine Webseite betreibt oder AGB verwendet.
Diese Vorschrift verpflichtet den Unternehmer, den Verbraucher leicht zugänglich, klar und verständlich über die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle zu informieren,
sofern er zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren verpflichtet ist oder sich dazu verpflichtet hat.
Der Hinweis muss die Anschrift und Webseite der Schlichtungsstelle sowie eine Teilnahmeerklärung des Unternehmers enthalten.
Bisher existiert zu dieser neuen Hinweispflicht kaum einschlägige Rechtsprechung.
In der Praxis werden hauptsächlich zwei Arten von Verstößen gegen § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG gerügt. Erstens wird die Formulierung in AGB kritisiert,
in der Unternehmer lediglich eine „grundsätzliche Bereitschaft“ zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren äußern,
ohne sich explizit zu verpflichten. Verbraucherschützer interpretieren dies als eine bindende Selbstverpflichtung im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG.
Zweitens wird die Ansicht vertreten, dass die detaillierte Hinweisverpflichtung nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG auch dann greife,
wenn ein Unternehmen nicht zur Teilnahme verpflichtet ist, sich aber grundsätzlich dazu bereit erklärt hat.
Die Autoren prüfen beide Rechtsansichten anhand gängiger Auslegungsmethoden und gelangen zu dem Schluss, dass beide unzutreffend sind.
Die Teilnahmeverpflichtung eines Unternehmens an einem Streitbeilegungsverfahren kann entweder auf einer expliziten gesetzlichen Regelung beruhen, wie beispielsweise im Energieversorgungs- oder
Luftverkehrsbereich, oder auf einer vertraglichen Vereinbarung, etwa durch Mediations- oder Schlichtungsabreden oder Satzungen von Trägervereinen.
Auch eine freiwillige Selbstverpflichtung des Unternehmens ist möglich.
Grundsätzlich basiert die Teilnahme an einem Verbraucherschlichtungsverfahren jedoch auf Freiwilligkeit.
Dies wird auch in der Gesetzesbegründung betont, die von einer branchenübergreifenden Teilnahmeverpflichtung absieht.
Gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG muss ein Unternehmer den Verbraucher darüber informieren, inwieweit er bereit
oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.
Bei einer Verpflichtung zur Teilnahme, sei es gesetzlich oder selbst auferlegt, besteht gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG zusätzlich die Pflicht,
den Verbraucher auf die zuständige Schlichtungsstelle hinzuweisen und die entsprechenden Kontaktdaten sowie eine Teilnahmeerklärung anzugeben.
Die Autoren argumentieren, dass die bloße Erklärung einer „grundsätzlichen Bereitschaft“ zur Teilnahme an einem Verbraucherstreitbeilegungsverfahren
auf den Internetseiten oder in den AGB keine Teilnahmeverpflichtung darstellt.
Die Formulierung impliziert Einschränkungen und wird vom Verbraucher nicht als verbindliche Zusage aufgefasst.
Diese Unterscheidung zwischen Verpflichtung und Bereitschaft ist im VSBG selbst angelegt, wie § 30 Abs. 5 VSBG zeigt, der von der „Bereitschaft“ eines Unternehmers zur Teilnahme spricht,
wenn er dies auf seiner Webseite oder in den AGB erklärt oder nicht innerhalb von drei Wochen widerspricht.
Die Unterscheidung wird auch in § 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG deutlich, der nach der Bereitschaft oder Verpflichtung fragt. Zahlreiche weitere Normen im VSBG bestätigen diese Differenzierung.
Das VSBG kennt somit drei Kategorien:
Teilnahmeverpflichtung, -bereitschaft und -ablehnung.
Die Bereitschaftserklärung ermöglicht es Unternehmen, eine öffentliche Stigmatisierung bei Ablehnung zu vermeiden und gleichzeitig
die Möglichkeit der Verjährungshemmung und Kostentragung im Falle einer tatsächlichen Teilnahme zu nutzen.
Sie dient als Kompromiss und erlaubt es Unternehmen, das neue VSBG-Verfahren zu erproben, bevor sie sich möglicherweise verbindlich verpflichten.
Dies entspricht dem Ziel des Gesetzgebers, die Schlichtung für kleine und mittlere Unternehmen sowie für Verbraucher attraktiv zu gestalten.
Die Autoren vertreten die Auffassung, dass im Falle einer bloßen Bereitschaftserklärung zur Teilnahme keine Hinweispflicht gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG besteht.
Diese Ansicht wird von der überwiegenden Literatur und dem Bundesamt für Justiz geteilt.
Der klare Wortlaut des § 36 VSBG knüpft die Hinweispflicht an eine tatsächliche Teilnahmeverpflichtung und den daraus resultierenden Anspruch des Verbrauchers.
Eine bloße Bereitschaft begründet keine solche Verpflichtung oder einen Anspruch.
Die Systematik des § 36 VSBG selbst stützt diese Auslegung.
Würde für die Bereitschaftserklärung eine Hinweispflicht nach § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG bestehen,
wäre die beabsichtigte Unterscheidung zwischen Verpflichtung und Bereitschaft hinfällig.
Die notwendige Erklärung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 VSBG beinhaltet die Zusage zur Teilnahme, was im Widerspruch zur bloßen Bereitschaftserklärung stünde.
Die enge Verbindung zwischen den beiden Halbsätzen des § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG schließt eine Anwendung auf die Bereitschaftserklärung aus.
Ein systematischer Vergleich mit anderen VSBG-Normen, insbesondere § 37 VSBG, der eine Hinweispflicht in beiden Fällen vorsieht,
während § 36 VSBG dies nur für die Verpflichtung regelt, untermauert diese Ansicht.
Der Sinn und Zweck des VSBG, dem Verbraucher eine einfache außergerichtliche Streitbeilegung zu ermöglichen, wird durch die Unterscheidung zwischen Verpflichtung und Bereitschaft nicht beeinträchtigt.
§ 36 Abs. 1 Nr. 1 VSBG verpflichtet den Unternehmer ohnehin zur Angabe, „inwieweit“ er zur Teilnahme bereit ist, was ihm die Möglichkeit gibt,
seine Bereitschaft beispielsweise auf bestimmte Streitwerte oder Schlichtungsstellen zu beschränken.
Wenn keine Einschränkungen erfolgen, hat der Verbraucher die freie Wahl der Schlichtungsstelle.
Es würde dem Verbraucherschutz widersprechen, wenn der Unternehmer bereits bei einer bloßen Bereitschaft verpflichtet wäre, die Auswahl auf bestimmte Stellen zu beschränken.
Die freie Wahl der Schlichtungsstelle durch den Verbraucher dient gerade dem umfassenden Verbraucherschutz.
Auch die Begründung des Gesetzentwurfs und die Gesetzgebungshistorie bestätigen, dass die Hinweispflicht nach § 36 VSBG
an die Verpflichtung zur Teilnahme geknüpft ist und die bloße Bereitschaft nicht erfasst.
Der ursprüngliche Entwurf sah noch eine generelle Hinweispflicht vor, die im späteren § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG bewusst modifiziert wurde,
um eine Differenzierung zwischen Pflicht und Bereitschaft zu ermöglichen und dem Unternehmer die Möglichkeit zu geben, den Umfang seiner Teilnahme festzulegen.
Zusammenfassend stellen die Autoren fest, dass das VSBG zwischen Teilnahmeverpflichtung, -ablehnung und -bereitschaft unterscheidet.
Die Bereitschaft ist ein von Unternehmen häufig gewählter und vom Gesetzgeber ausdrücklich zugelassener Mittelweg.
Im Falle der Teilnahmebereitschaft besteht keine Hinweispflicht im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 2 VSBG, sodass sich ein Unternehmer nicht auf eine bestimmte Verbraucherschlichtungsstelle festlegen muss.