Inanspruchnahme eines Geschäftsführers als Haftungsschuldner für Gewerbesteuerschulden wegen Verletzung seiner Mittelvorsorgepflicht
VGH Mannheim Beschluss vom 14.8.2025 – 2 S 1094/25
Gerne fasse ich den Sachverhalt und die Entscheidung des VGH Mannheim zur Haftung eines Geschäftsführers für Gewerbesteuerschulden wegen Verletzung der Mittelvorsorgepflicht zusammen.
Die zentrale Aussage des Urteils ist, dass ein Geschäftsführer einer GmbH bzw. des Komplementärs einer GmbH & Co. KG persönlich für Steuerschulden der Gesellschaft haftbar gemacht werden kann, wenn er seine Pflichten grob fahrlässig oder vorsätzlich verletzt hat und dadurch die Steuern nicht oder nicht rechtzeitig bezahlt werden konnten. Dies betrifft insbesondere die sogenannte Mittelvorsorgepflicht.
Die Mittelvorsorgepflicht besagt, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer die finanziellen Mittel der Gesellschaft so verwalten muss, dass zum Zeitpunkt der Fälligkeit von Steuerschulden genügend liquide Mittel vorhanden sind, um diese zu begleichen.
Diese Pflicht besteht unabhängig von der Fälligkeit der Steuer. Der Geschäftsführer muss vorausschauend planen und die Mittel für absehbare Steuerschulden (wie die Gewerbesteuer für das laufende Jahr) bereithalten.
Er darf nicht durch die Bevorzugung anderer Gläubiger (sogenannte Vorwegbefriedigung) oder einen risikobehafteten Einsatz der Mittel die rechtzeitige Zahlung der Steuern gefährden.
Im vorliegenden Fall ging es um die Gewerbesteuerschulden der Wxx Objektgesellschaft xx GmbH & Co. KG für das Jahr 2020 in Höhe von ursprünglich rund 694.000 EUR.
Die Finanzbehörde nahm den Geschäftsführer des Komplementärs (W Verwaltungs GmbH) persönlich für den unbezahlten Restbetrag der Gewerbesteuerschuld (rund 357.600 EUR inkl. Nebenkosten) in Haftung.
Ihm wurde vorgeworfen, seine Mittelvorsorgepflicht grob fahrlässig verletzt zu haben, und zwar durch:
Im Jahr 2020, als die Gesellschaft durch einen Objektverkauf hohe Gewinne (rund 5 Mio. EUR Jahresüberschuss) erzielte und die Gewerbesteuerschuld in Höhe von rund 694.000$ EUR absehbar war, hat der Geschäftsführer den größten Teil der Gewinne (3.717.000 EUR) als ungesichertes Darlehen an die Muttergesellschaft (Wxx T GmbH) weitergeleitet.
Obwohl die Steuerschuld absehbar war, wurden keine Rücklagen (liquide Mittel) für deren Zahlung gebildet. Stattdessen wurden die Mittel in einer Weise eingesetzt, die die fristgerechte Begleichung der Steuerschuld nicht hinreichend sicherstellte.
Zum 1.1.2021 wurden weitere rund 2,5 Mio. EUR vorzeitig an verbundene Unternehmen zurückgezahlt, ohne dass Mittel für die bereits entstandene Steuerschuld zurückbehalten wurden. Dies wurde als eine Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger gewertet.
Der VGH Mannheim bestätigte die Rechtmäßigkeit der Haftungsinanspruchnahme:
Das Gericht sah in der ungesicherten Darlehensgewährung und der vorzeitigen Rückzahlung von Verbindlichkeiten an verbundene Unternehmen eine klare Verletzung der Mittelvorsorgepflicht.
Die bloße Hoffnung, dass die verbundenen Unternehmen das Geld rechtzeitig zur Begleichung der Steuer zurückzahlen würden, reichte nicht aus. Ein ordentlicher Geschäftsmann hätte die Rückzahlung absichern müssen oder die Mittel direkt zurückhalten müssen.
Die Behauptung des Geschäftsführers, die Muttergesellschaft sei werthaltig gewesen, konnte er nicht belegen. Im Gegenteil, die veröffentlichten Jahresabschlüsse der verbundenen Unternehmen ließen keine ausreichende Liquidität erkennen.
Die objektive Pflichtwidrigkeit des Verhaltens (Weiterleitung der Mittel ohne Sicherstellung der Steuerzahlung) indiziert (lässt darauf schließen) die grobe Fahrlässigkeit. Es muss einem Geschäftsmann klar sein, dass er mit solchen Maßnahmen die Steuertilgung gefährdet.
Die Pflichtverletzung war ursächlich für den Steuerausfall. Hätte der Geschäftsführer die Mittel zurückbehalten, hätte die Gewerbesteuerschuld vollständig beglichen werden können.
Die Behauptung, der Steuerberater habe die Rückstellungen gebildet, entlastete den Geschäftsführer nicht. Rückstellungen (ein Bilanzposten) sind keine liquiden Mittel. Die Pflicht, für die Liquidität zu sorgen, bleibt beim Geschäftsführer.
Der Geschäftsführer musste damit rechnen, für den nicht beglichenen Restbetrag der Gewerbesteuerschuld persönlich in Haftung genommen zu werden. Die Beschwerde des Geschäftsführers gegen die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung (also die vorläufige Freistellung von der Zahlungspflicht) wurde abgewiesen.
Die Entscheidung unterstreicht, dass die persönliche Haftung eines Geschäftsführers für Steuerschulden der Gesellschaft ein ernsthaftes Risiko darstellt.
Ein Geschäftsführer darf absehbare Steuerschulden nicht vergessen.
Die Liquidität der Gesellschaft muss so gesteuert werden, dass die fälligen Steuern bezahlt werden können.
Gewinne dürfen nicht ohne ausreichende Sicherheiten für die Steuertilgung an andere (insbesondere verbundene) Unternehmen weitergegeben werden.
Werden die Mittel risikoreich eingesetzt oder an andere Gläubiger ausgezahlt, bevor die Steuern gesichert sind, liegt eine Verletzung der Mittelvorsorgepflicht vor, die zur persönlichen Haftung führen kann.
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