Inflationsausgleich als pfändbares Arbeitseinkommen
Die Inflationsausgleichsprämie ist als pfändbares Arbeitseinkommen anzusehen. Dies entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit Beschluss vom 25. April 2024 (IX ZB 55/23) und bestätigte damit die Entscheidungen der Vorinstanzen.
Ein Schuldner, Krankenpfleger in einem kirchlichen Dienstverhältnis, beantragte im Rahmen seines Insolvenzverfahrens die Freigabe der ihm nach den Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR C) zustehenden Inflationsausgleichsprämie (IAP) in Höhe von insgesamt 3.000 EUR, zahlbar in zwei Teilbeträgen. Der Schuldner begehrte die Feststellung der Unpfändbarkeit der Prämie, was die Insolvenzverwalterin ablehnte. Der Fall landete nach Ablehnung durch das Amts- und Landgericht beim BGH.
Der BGH wies die Rechtsbeschwerde des Schuldners zurück und bestätigte die Pfändbarkeit der Inflationsausgleichsprämie.
Der BGH stellte fest, dass die IAP Arbeitseinkommen im Sinne von §850 Abs. 1 ZPO darstellt.
Definition: Arbeits- und Dienstlöhne (§850 Abs. 2 ZPO) umfassen alle wiederkehrenden oder einmaligen Bezüge, die als Gegenleistung für Dienste gewährt werden (§850 Abs. 4 ZPO).
Die IAP ist eine freiwillige Zusatzleistung zum Arbeitslohn, die aus eigenen Mitteln des Arbeitgebers gezahlt wird. Sie ist keine staatliche Hilfsmaßnahme, sondern lediglich steuerlich und sozialabgabenrechtlich bis zu 3.000 EUR begünstigt (§3 Nr. 11c EStG).
Entscheidend für den Umfang des Pfändungsschutzes ist die Frage, ob die Prämie als wiederkehrend zahlbares oder als nicht wiederkehrend zahlbares Arbeitseinkommen anzusehen ist:
Bei wiederkehrendem Einkommen gelten die normalen Pfändungsschutzgrenzen der §§850 ff. ZPO, insbesondere die Pfändungstabelle nach §850c ZPO. Bei nicht wiederkehrenden Vergütungen (wie Einmalzahlungen für persönlich geleistete Arbeiten) kann das Gericht auf Antrag nach §850i Abs. 1 ZPO einen gesonderten Schutz gewähren.
Die Inflationsausgleichsprämie ist Teil des wiederkehrend zahlbaren Arbeitseinkommens, obwohl sie in zwei Teilbeträgen gezahlt wird.
Die Prämie vergütet keine Zusatz- oder Mehrarbeit oder eine besondere einmalige Leistung.
Ihr Bezugspunkt ist vielmehr die regelmäßige Arbeitsleistung, die bereits mit dem laufenden Gehalt vergütet wird. Die Prämie erhöht das zu entrichtende Gehalt bei gleichbleibender Arbeitsleistung.
Der Pfändungsschutz richtet sich nach den allgemeinen Regeln des §850c ZPO (Pfändungstabelle).
Der BGH verneinte weitere mögliche Unpfändbarkeitsgründe:
Die Prämie dient der Abmilderung allgemein gestiegener Verbraucherpreise und hat keinen Bezug zur Art der Arbeitsleistung (keine Erschwernis) oder zum Ersatz tatsächlich entstandener Auslagen (keine Aufwandsentschädigung).
Zweckgebundene Forderungen sind unpfändbar, wenn die Leistung an einen anderen Gläubiger eine Inhaltsveränderung zur Folge hätte (z.B. staatliche Krisenhilfen mit Verwendungsauflagen).
Die IAP enthält keine Zweckbindung im rechtlichen Sinne, da der Arbeitnehmer in der Verwendung der Prämie frei ist. Die bloße Zweckbestimmung („Abmilderung des schnellen Anstiegs der Verbraucherpreise“) genügt nicht.
Zudem wird der durch die Inflation gestiegene Lebensunterhalt bereits durch die jährliche Anpassung der Pfändungsfreigrenzen nach §850c ZPO berücksichtigt.
Die vom Arbeitgeber gezahlte Inflationsausgleichsprämie ist pfändbares Arbeitseinkommen. Ihr Pfändungsschutz richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen der Pfändungstabelle (§850c ZPO), die den unpfändbaren Grundbetrag festlegt. Im vorliegenden Fall verblieb dem Schuldner aufgrund seiner regelmäßigen Arbeitseinkünfte und Unterhaltspflichten die Hälfte der Prämie pfandfrei, was laut Vorinstanz zum Ausgleich der Preissteigerungen dienen konnte.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.