Inhaltskontrolle beim Ehevertrag
RA und Notar Krau
Ehevertrag: Ein zentraler Bestandteil des Familienrechts, der die güterrechtlichen Verhältnisse zwischen Ehegatten regelt.
Inhaltskontrolle: Um die Privatautonomie zu schützen und eine Benachteiligung eines Ehepartners zu verhindern, unterliegen Eheverträge einer Inhaltskontrolle.
Verfassungsrechtlicher Hintergrund:
- Art. 2 I GG: Schutz der Vertragsfreiheit
- Art. 3 II GG: Gleichberechtigung der Geschlechter
- Art. 6 GG: Schutz von Ehe und Familie
Zivilrechtliche Umsetzung:
- §§ 138, 242 BGB: Sittenwidrigkeit und Treuwidrigkeit
- Kernbereichslehre: Schutz besonders wichtiger Bereiche (z.B. Betreuungsunterhalt)
- Gesamtschau: Objektive und subjektive Elemente bei der Beurteilung
Durchführung der Inhaltskontrolle beim Ehevertrag
1. Wirksamkeitskontrolle nach § 138 I BGB:
- Prüfung, ob der Ehevertrag von Anfang an sittenwidrig war
- Objektives Element: Einseitige und unzumutbare Lastenverteilung
- Subjektives Element: Art und Weise des Zustandekommens des Vertrags
2. Ausübungskontrolle nach § 242 BGB:
- Prüfung, ob die Berufung auf den Ehevertrag im Scheidungsfall treuwidrig ist
- Maßgeblich: Verhältnisse im Zeitpunkt der Scheidung
- Unzumutbare Lastenverteilung und Verstoß gegen eheliche Solidarität
3. Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB:
- Anpassung oder Rücktritt vom Vertrag bei unvorhergesehenen Entwicklungen
- Wesentliche Änderung der ehelichen Lebensverhältnisse
Die Kernbereichslehre des BGH zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen
Die Kernbereichslehre ist ein wichtiger Bestandteil der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen.
Sie dient dem Schutz von Ehegatten vor unangemessenen Benachteiligungen in Eheverträgen und stellt sicher, dass diese Verträge nicht gegen die guten Sitten verstoßen.
Grundlagen der Kernbereichslehre:
- Privatautonomie vs. Schutzbedürfnis: Ehegatten haben zwar grundsätzlich die Freiheit, die Scheidungsfolgen in einem Ehevertrag abweichend von den gesetzlichen Regelungen zu gestalten (Privatautonomie). Dieses Recht findet aber seine Grenzen im Schutzbedürfnis des jeweils schwächeren Ehegatten.
- Verhinderung von Sittenwidrigkeit: Die Kernbereichslehre soll verhindern, dass Eheverträge sittenwidrig im Sinne des § 138 BGB sind. Ein Ehevertrag ist sittenwidrig, wenn er zu einer einseitigen und unangemessenen Lastenverteilung führt, die für den benachteiligten Ehegatten unzumutbar ist.
Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts:
- Definition: Zum Kernbereich gehören die Scheidungsfolgen, die den typischen und wesentlichen Bedarf eines Ehegatten nach der Scheidung absichern.
- Beispiele: Dazu zählen insbesondere der Betreuungsunterhalt für Kinder, der Versorgungsausgleich und der Unterhaltsanspruch bei Krankheit oder Pflegebedürftigkeit.
- Eingeschränkte Disponibilität: Eingriffe in den Kernbereich sind nur in begrenztem Umfang zulässig und bedürfen einer besonderen Rechtfertigung.
Inhaltskontrolle beim Ehevertrag
Anwendung der Kernbereichslehre:
- Wirksamkeitskontrolle: Der BGH prüft im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle, ob der Ehevertrag schon bei Vertragsschluss zu einer einseitigen Lastenverteilung führt, die sittenwidrig ist.
- Objektive Vertragsimparität: Ein kompensationsloser Eingriff in den Kernbereich kann bereits für sich genommen ein objektives Ungleichgewicht begründen und den Ehevertrag sittenwidrig machen.
- Subjektive Vertragsimparität: Auch wenn die einzelnen Regelungen isoliert betrachtet nicht sittenwidrig sind, kann der Vertrag insgesamt sittenwidrig sein, wenn er auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt und dieser sich in einer unterlegenen Verhandlungsposition befand.
Aktuelle Entwicklungen:
- Versorgungsausgleich: Der BGH hat seine Rechtsprechung zum Versorgungsausgleich weiterentwickelt und differenziert nun stärker nach den konkreten Ehemodellen und den individuellen Umständen der Ehegatten.
- Betreuungsunterhalt: Auch beim Betreuungsunterhalt wird die Kernbereichslehre angewendet, wobei der BGH hier ebenfalls die individuellen Bedürfnisse des Kindes und die Lebenssituation der Eltern berücksichtigt.
Fazit:
Die Kernbereichslehre ist ein wichtiges Instrument des BGH, um Ehegatten vor unangemessenen Benachteiligungen in Eheverträgen zu schützen.
Sie stellt sicher, dass diese Verträge fair und ausgewogen sind und die Grundbedürfnisse beider Ehegatten berücksichtigen.