Inhaltskontrolle von Scheidungsfolgenvereinbarungen
RA und Notar Krau
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 27. Mai 2020 eine wichtige Entscheidung (Az: XII ZB 447/19) zur Überprüfung von Scheidungsfolgenvereinbarungen getroffen. Es ging um die Frage, wann solche Verträge, die Ehepartner im Falle einer Scheidung schließen, unwirksam sind oder angepasst werden müssen.
Ein geschiedenes Ehepaar stritt sich darüber, ob der Versorgungsausgleich, also der Ausgleich der Rentenansprüche, wirksam in einem notariellen Vertrag ausgeschlossen worden war.
Die Frau (Antragstellerin) und der Mann (Antragsgegner) heirateten 1981 und bekamen drei Kinder. 1994, als sie sich bereits getrennt hatten, schlossen sie eine notarielle Vereinbarung. Darin übertrug die Frau ihren Anteil am gemeinsamen Hausgrundstück auf den Mann. Hintergrund war, dass der Mann das Haus hauptsächlich mit Geld aus seinem Erbe finanziert hatte.
Teil des Vertrags war auch ein Erbvertrag, in dem der Mann das Hausgrundstück den gemeinsamen Kindern vermachte. Allerdings wurde ausdrücklich festgehalten, dass der Mann zu Lebzeiten weiterhin über das Haus verfügen durfte (§ 2286 BGB). Außerdem verzichteten beide Ehepartner in der Scheidungsfolgenvereinbarung für den Fall der Scheidung wechselseitig auf Ansprüche aus Zugewinn, Versorgungsausgleich und nachehelichem Unterhalt.
Die Frau hatte nach der Geburt des dritten Kindes wieder in ihrem Beruf gearbeitet, zunächst in Teilzeit, später in Vollzeit. Zwei Jahre nach der Trennung reduzierte sie ihre Arbeitszeit wegen der Kinderbetreuung. Später gab sie ihre Stelle auf und machte eine Ausbildung zur Fußpflegerin, die sie zunächst halbtags, ab 2006 selbstständig und vollschichtig ausübte.
Die Ehe wurde 1996 geschieden. Das Gericht stellte fest, dass der Versorgungsausgleich durch den notariellen Vertrag ausgeschlossen war. Der Mann verkaufte später das Hausgrundstück in zwei Einheiten, wodurch der Erbvertrag zugunsten der Kinder nicht mehr erfüllt werden konnte. Die Frau war der Meinung, dass der Ausschluss des Versorgungsausgleichs unwirksam sei, da sich die Umstände geändert hätten und sie benachteiligt sei.
Der BGH bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen und wies die Beschwerde der Frau zurück. Das bedeutet, der Ausschluss des Versorgungsausgleichs in der Scheidungsfolgenvereinbarung blieb wirksam.
Der BGH prüfte den Vertrag nach verschiedenen Kriterien:
Grundsätzlich dürfen Ehepartner vertragliche Vereinbarungen über die Scheidungsfolgen treffen. Dies darf aber nicht dazu führen, dass ein Ehepartner grob benachteiligt wird und die Vereinbarung sittenwidrig ist. Eine Sittenwidrigkeit liegt vor, wenn eine Seite so stark benachteiligt wird, dass es unzumutbar ist und dies durch die Art der Ehe oder andere Umstände nicht gerechtfertigt wird.
Dies gilt besonders, wenn Regelungen aus dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts (wie der Versorgungsausgleich) ganz oder zu großen Teilen abbedungen werden.
Der BGH stellte fest, dass der Verzicht auf den Versorgungsausgleich für die Frau zwar nachteilig war, aber nicht sittenwidrig.
Der BGH betonte, dass der Versorgungsausgleich zwar zum Kernbereich der Scheidungsfolgen gehört und nur begrenzt abbedungen werden kann. Ein vollständiger Ausschluss ist aber nicht per se sittenwidrig, wenn er dem Wunsch beider Ehepartner entspricht und mit dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs vereinbar ist.
Hier wurde berücksichtigt, dass die Frau zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses erst 34 Jahre alt war und wieder voll berufstätig war, während der Mann mit 55 Jahren am Ende seines Erwerbslebens stand. Sie hatte also noch genügend Zeit, eigene Rentenansprüche aufzubauen. Eventuelle Nachteile durch Kinderbetreuung seien durch die Höherbewertung der Kindererziehungszeiten bereits weitgehend ausgeglichen.
Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mann die Frau bei Vertragsabschluss ausgenutzt hätte. Die Frau war eine ausgebildete Fachkraft, hatte Berufserfahrung und war nicht intellektuell unterlegen. Sie verfügte auch über ein eigenes Vermögen von mindestens 80.000 DM und war somit nicht wirtschaftlich abhängig.
Der Vertrag wurde auf Initiative beider Parteien geschlossen, und der Notar hatte ausführlich über die Folgen belehrt. Auch die Behauptung der Frau, sie habe den Verzicht auf den Versorgungsausgleich überlesen oder die Bedeutung nicht verstanden, änderte nichts an der Wirksamkeit, da sie intellektuell dazu in der Lage gewesen wäre.
Hier wird geprüft, ob es dem begünstigten Ehepartner nach Treu und Glauben erlaubt ist, sich auf die Vereinbarung zu berufen, oder ob dies rechtsmissbräuchlich wäre. Dies ist relevant, wenn sich die Umstände nach dem Vertragsschluss bis zum Scheitern der Ehe grundlegend geändert haben.
Im vorliegenden Fall befanden sich die Eheleute zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bereits in der Trennungsphase. Daher konnten sich die ehelichen Lebensverhältnisse nicht mehr wesentlich ändern, was eine Ausübungskontrolle nach diesem Kriterium überflüssig machte. Es gab keine Anzeichen für Rechtsmissbrauch.
Dieser Punkt betrifft Umstände, die sich nach dem Vertragsschluss schwerwiegend ändern, sodass der Vertrag angepasst werden müsste, wenn die Parteien diese Änderung vorausgesehen hätten.
Ähnlich wie bei der Ausübungskontrolle gab es keine grundlegenden Änderungen der ehelichen Lebensverhältnisse zwischen Vertragsabschluss und Scheitern der Ehe.
Die Frau argumentierte, dass der Verkauf des Hauses durch den Mann nach der Scheidung und die damit verbundene Unmöglichkeit, den Erbvertrag zugunsten der Kinder zu erfüllen, eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellten.
Der BGH verneinte dies. Die Erwartung der Frau, die Kinder würden das Haus erben, war keine Geschäftsgrundlage der Scheidungsfolgenvereinbarung. Ein Grund dafür war, dass der Erbvertrag ausdrücklich das lebenslange Verfügungsrecht des Mannes über das Haus vorsah. Die Erwartung der Frau war somit eine einseitige Vorstellung und wurde nicht Teil des gemeinsamen Willens beider Parteien.
Die zeitweise Reduzierung der Arbeitszeit der Frau wegen Kinderbetreuung nach der Trennung wurde vom BGH als nicht schwerwiegend genug angesehen, um eine Vertragsanpassung zu rechtfertigen.
Das Urteil des BGH verdeutlicht, dass Scheidungsfolgenvereinbarungen, auch wenn sie für einen Ehepartner nachteilig erscheinen, grundsätzlich wirksam sind, solange sie nicht sittenwidrig sind oder sich die Geschäftsgrundlage des Vertrags wesentlich und unvorhersehbar ändert. Eine Sittenwidrigkeit wird nur angenommen, wenn eine evidente, unzumutbare und nicht gerechtfertigte einseitige Benachteiligung vorliegt, die auf einer Ausnutzung ungleicher Verhandlungspositionen beruht.
Eine nachträgliche Anpassung des Vertrags ist nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich, insbesondere wenn sich die ursprünglichen Annahmen, die dem Vertrag zugrunde lagen, grundlegend und unerwartet geändert haben. Die individuelle Gestaltung der Ehe und die Situation der Ehepartner zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses spielen dabei eine entscheidende Rolle.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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