Inkrafttreten einer Umwandlungsverordung während des Grundbuchbeschwerdeverfahrens

November 5, 2025

Inkrafttreten einer Umwandlungsverordung während des Grundbuchbeschwerdeverfahrens

BGH (V. Zivilsenat), Beschluss vom 28.11.2024 – V ZB 24/23

Vorinstanzen:

AG Neukölln, Entscheidung vom 18.10.2021 – 47 NK-7674 –

KG, Entscheidung vom 28.03.2023 – 1 W 404/21 –

Der Fall: Teilung mit Hindernissen

Worum ging es?

Eine Grundstückseigentümerin in Berlin wollte ihr bebautes Grundstück in einzelne Wohnungen (Wohnungs- und Teileigentum) aufteilen und diese Teilung im Grundbuch eintragen lassen. Das ist der amtliche Akt, der die Teilung erst wirksam macht.

Das Problem:

  1. Fehlende Unterlage: Als die Eigentümerin im Februar 2021 den Antrag beim Grundbuchamt stellte, fehlte die sogenannte Abgeschlossenheitsbescheinigung (ein Nachweis, dass die Wohnungen baulich voneinander getrennt sind). Das Grundbuchamt forderte sie per „Zwischenverfügung“ auf, diese Bescheinigung innerhalb einer großzügigen Frist nachzureichen.
  2. Neue Verordnung: Während das Verfahren lief und die Eigentümerin die Frist für die Bescheinigung verstreichen ließ, trat in Berlin eine Umwandlungsverordnung in Kraft (im Oktober 2021). Diese Verordnung besagt, dass in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt (wie Berlin) die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen nun genehmigungspflichtig ist ($ 250 BauGB).

Inkrafttreten einer Umwandlungsverordung während des Grundbuchbeschwerdeverfahrens

Der Weg durch die Instanzen

  • Grundbuchamt: Wies den Antrag im Oktober 2021 zurück, weil die Frist abgelaufen war und die Abgeschlossenheitsbescheinigung noch fehlte.
  • Beschwerde (Kammergericht): Die Eigentümerin legte Beschwerde ein und reichte die fehlende Abgeschlossenheitsbescheinigung endlich nach! Damit war das ursprüngliche Hindernis behoben. ABER: Das Gericht sagte, dass die inzwischen in Kraft getretene Umwandlungsverordnung eine neue Hürde geschaffen habe. Sie müsse jetzt die behördliche Genehmigung (oder ein Negativzeugnis) nach $ 250 BauGB nachreichen.
  • Rechtsbeschwerde (BGH): Die Eigentümerin ging in die letzte Instanz. Sie meinte, der Schutz des Rechts ($ 878 BGB) müsse greifen: Da sie ihren Antrag schon vor Inkrafttreten der neuen Genehmigungspflicht gestellt hatte, dürfte die neue Regelung sie nicht betreffen.

Die BGH-Entscheidung: Später ist später

Der BGH hat die Beschwerde der Eigentümerin zurückgewiesen.

Die Kernthemen:

  1. Die Frist ist heilig: Das Grundbuchamt hatte zurecht eine Frist für die Abgeschlossenheitsbescheinigung gesetzt. Wenn diese Frist nach fast acht Monaten (was als angemessen gilt) verstreicht und das Grundbuchamt den Antrag deshalb rechtsfehlerfrei zurückweist, ist die Sache erledigt.
  2. Beschwerde wird zum Neuantrag: Wenn die Eigentümerin danach (erst im Beschwerdeverfahren) die fehlenden Unterlagen nachreicht und damit die Zurückweisung aufgrund dieser neuen Tatsache aufgehoben wird, muss die Beschwerde wie ein ganz neuer Antrag behandelt werden.
  3. Das Timing zählt: Für diesen „neuen Antrag“ gilt das Recht, das zum Zeitpunkt der Nachreichung (also der jetzigen Bearbeitung) gültig ist. Und da war die Berliner Umwandlungsverordnung bereits in Kraft!
  4. Kein Schutz bei Bummelei: Die Eigentümerin verliert den Schutz, den sie als Erstantragstellerin hatte. Hätte sie die Bescheinigung innerhalb der Frist nachgereicht, hätte die später in Kraft getretene Verordnung sie nicht betroffen. Weil sie aber die Frist versäumt hat, gilt für ihre nun „reparierte“ Akte die neue, strengere Rechtslage. Wer trödelt, muss mit neuen Regeln rechnen!

Das Ergebnis: Die Eigentümerin muss nun die Genehmigung nach $\$ 250$ BauGB beibringen, obwohl diese Regelung beim ursprünglichen Antrag noch nicht existierte.


Fazit:

Dieser Beschluss ist wichtig, weil er bestätigt: Wenn das Grundbuchamt einen Antrag zurecht wegen fehlender Unterlagen (hier: Abgeschlossenheitsbescheinigung) zurückweist, verliert der Antragsteller den Prioritätsschutz des ursprünglichen Antragsdatums. Die Nachreichung fehlender Unterlagen im späteren Beschwerdeverfahren ist dann rechtlich ein „Neubeginn“ und unterliegt den aktuell geltenden Gesetzen. Besonders relevant in Städten mit Umwandlungsverboten!

RA und Notar Krau

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