Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Grundstückseigentümers – Pflicht des durch Zwangssicherungshypothek nachrangig gesicherten Gläubigers zur Bewilligung einer Löschung seines Sicherungsrechts
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 16.04.2013 – 4 O 9985/12 –
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 19.11.2013 – 4 U 994/13 –
Dieses Urteil des BGH klärt eine wichtige Frage im Insolvenzrecht und Zwangsvollstreckungsrecht: Kann ein nachrangiger Gläubiger, dessen im Grundbuch eingetragenes Recht (eine Zwangssicherungshypothek) in der Insolvenz des Schuldners wirtschaftlich wertlos ist, dazu gezwungen werden, dieses Recht löschen zu lassen, um einen lukrativeren freihändigen Verkauf der Immobilie zu ermöglichen?
Ein Insolvenzverfahren wurde über das Vermögen eines Schuldners eröffnet.
Der Schuldner war Miteigentümer einer Immobilie.
Dieser Miteigentumsanteil war im Grundbuch stark belastet:
Vorrangige Rechte (Grundschulden und eine Zwangssicherungshypothek) in Höhe von über 200.000 € zugunsten eines ersten Gläubigers (F.).
Nachrangiges Recht (eine Zwangssicherungshypothek) zugunsten einer beklagten Gemeinde (der zweite Gläubiger).
Der Verkehrswert der gesamten Immobilie betrug nur 80.000 €.
Der Insolvenzverwalter (Kläger) wollte den Miteigentumsanteil des Schuldners freihändig und lastenfrei (also ohne die Belastungen) für 40.000 € an die Schwester des Schuldners verkaufen.
Der erste Gläubiger (F.) stimmte zu, seine Rechte zu löschen und 20.000 € zu erhalten. Er bot der beklagten Gemeinde zusätzlich 200 € an, damit auch sie ihre nachrangige Hypothek löscht.
Die beklagte Gemeinde (der zweite Gläubiger) verweigerte die Löschung.
Wegen des geringen Werts der Immobilie und der hohen vorrangigen Schulden hatte die Hypothek der Gemeinde keinen wirtschaftlichen Wert – sie hätte bei einer Versteigerung (der übliche Weg) nichts bekommen.
Durch die Verweigerung der Löschung wurde der lastenfreie Verkauf blockiert.
Der Insolvenzverwalter klagte gegen die Gemeinde auf Zustimmung zur Löschung.
Das Landgericht wies die Klage ab.
Das Oberlandesgericht (OLG) gab dem Insolvenzverwalter recht. Das OLG meinte, das Beharren der Gemeinde auf einem „formal, wirtschaftlich aber wertlosen“ Recht sei rechtsmissbräuchlich (§242 BGB – Grundsatz von Treu und Glauben), weil es eine sinnvolle Verwertung blockiere und dem Schuldner schade.
Die Gemeinde legte Revision beim BGH ein.
Der BGH hob das Urteil des OLG auf und stellte das klageabweisende Urteil des Landgerichts wieder her. Die Gemeinde muss der Löschung nicht zustimmen.
Der BGH stellte klar, dass der Grundsatz von Treu und Glauben (§242 BGB) zwar auch im Zwangsvollstreckungsrecht gilt und Gläubiger zur Wahrung der Interessen des Schuldners verpflichtet sind, dies aber nur in Ausnahmefällen zu einer Pflicht führt, ein rechtmäßig erworbenes Sicherungsrecht aufzugeben.
Die Zwangssicherungshypothek wurde rechtmäßig eingetragen. Auch wenn sie von vornherein nur geringe Aussicht auf Befriedigung bot (wegen des hohen Vorrangs), war die Eintragung nicht rechtsmissbräuchlich.
Die Weigerung des nachrangigen Gläubigers (der Gemeinde), sein Recht aufzugeben, ist nicht rechtsmissbräuchlich.
Die Hypothek ist ein absolutes Recht und die Gemeinde ist nicht verpflichtet, zugunsten des vorrangigen Gläubigers (F.) oder der Insolvenzmasse darauf zu verzichten, um einen besseren Verkaufspreis zu erzielen.
Die Verwertung des Grundstücks ist durch die Weigerung nicht rechtlich ausgeschlossen, sondern nur die Art der Verwertung (der lastenfreie Verkauf). Die Immobilie kann immer noch im Wege der Zwangsversteigerung verwertet werden, wobei die nachrangige Hypothek erlischt – nur ist der Erlös für den Verwalter und den Vorranggläubiger möglicherweise geringer.
Es ist nicht missbräuchlich, wenn der nachrangige Gläubiger seine Löschungsbewilligung von einer Abfindungszahlung (einer sogenannten „Lästigkeitsprämie“) aus dem Erlös des freihändigen Verkaufs abhängig macht.
Der BGH betont, dass eine solche Zahlung zu Lasten des vorrangig gesicherten Gläubigers geht, der den lastenfreien Verkauf wünscht, und nicht zu Lasten der Insolvenzmasse.
Will der vorrangige Gläubiger einen lastenfreien Verkauf durchsetzen, um einen höheren Erlös zu erzielen, ist es ihm zumutbar, den nachrangigen Gläubiger für die Aufgabe seines Rechts abzufinden.
Die Gemeinde nutzt ihr Recht, um eine Zahlung auf ihre gesicherte Forderung zu erreichen. Dies dient nicht sachfremden Zwecken, sondern der Durchsetzung ihrer Gläubigerrechte.
Ein Gläubiger mit einem im Grundbuch eingetragenen Recht, selbst wenn dieses in der Insolvenz wirtschaftlich wertlos ist, kann nicht zur Löschung gezwungen werden, um einem freihändigen Verkauf zu ermöglichen, der für den Insolvenzverwalter oder den vorrangigen Gläubiger günstiger ist. Der Gläubiger darf sein Recht behalten oder eine Abfindung für dessen Löschung verlangen, solange diese Abfindung nicht aus der allgemeinen Insolvenzmasse gezahlt wird. Das Festhalten an einem solchen Recht ist kein Rechtsmissbrauch, sondern die rechtmäßige Ausübung der Gläubigerrechte.
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