Internationale Zuständigkeit bei der Ausschlagung des Erbes

Juni 5, 2025

Internationale Zuständigkeit bei der Ausschlagung des Erbes

Im deutschen Recht ist es wichtig zu wissen, welches Gericht zuständig ist, wenn man ein Erbe ausschlagen möchte, besonders wenn es um internationale Fälle geht. Das kann kompliziert sein, weil verschiedene Regeln gelten können.


Zuständigkeit nach deutschem Recht (§ 105 FamFG)

Grundsätzlich gilt in Deutschland: Wenn ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist, dann ist es auch international zuständig (§ 105 FamFG). Das bedeutet für Erbschaftsfälle, dass das deutsche Nachlassgericht immer international zuständig ist, wenn es nach § 343 FamFG örtlich zuständig ist.

Diese Zuständigkeit des deutschen Nachlassgerichts umfasst alle Vermögenswerte, egal ob sie in Deutschland oder im Ausland liegen und ob deutsches oder ausländisches Erbrecht anwendbar ist. Das ist wichtig, weil die Ausschlagungserklärung dann für den gesamten Nachlass gilt.


Zuständigkeit nach der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO)

Die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) hat Vorrang vor dem deutschen Gesetz (§ 105 FamFG), wenn sie anwendbar ist. Das bedeutet, dass die Zuständigkeit des deutschen Nachlassgerichts nur dann gegeben ist, wenn sich diese aus der EuErbVO (Art. 4, Art. 10 oder Art. 13 EuErbVO) ergibt.

a) Zuständigkeit nach Art. 4 EuErbVO

Wenn der Verstorbene seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, sind die deutschen Nachlassgerichte für die Ausschlagung international zuständig. Es reicht manchmal sogar aus, wenn der Verstorbene ein „Grenzpendler“ war, solange sein Lebensmittelpunkt in Deutschland lag. In solchen Fällen richtet sich die örtliche Zuständigkeit nach den deutschen Regeln (§ 343 Abs. 1, § 344 Abs. 7 FamFG).

Hatte der Verstorbene seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat, ist das deutsche Nachlassgericht nicht zuständig. Dann ist das Gericht im Mitgliedstaat des letzten gewöhnlichen Aufenthalts zuständig. Das gilt auch, wenn der Verstorbene deutsches Recht für sein Erbe gewählt hat. Allerdings kann es unter bestimmten Umständen eine Sonderzuständigkeit des deutschen Gerichts nach Art. 13 EuErbVO geben.

b) Zuständigkeit nach Art. 10 EuErbVO

Wenn der Verstorbene keinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem EU-Mitgliedstaat hatte (also in einem Drittstaat oder einem Mitgliedstaat, in dem die EuErbVO nicht gilt), kann das deutsche Nachlassgericht trotzdem zuständig sein. Das ist der Fall, wenn sich in Deutschland Nachlassvermögen befindet und der Verstorbene zum Todeszeitpunkt die deutsche Staatsangehörigkeit besaß oder mindestens fünf Jahre vor Anrufung des deutschen Nachlassgerichts seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Wenn auch das nicht zutrifft, richtet sich die Zuständigkeit nach dem Ort des Nachlassvermögens. Das Nachlassgericht prüft diese Zuständigkeit von sich aus, wenn es seine Zuständigkeit nach Art. 4 EuErbVO verneint. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich hier nach § 343 Abs. 2 und 3, § 344 Abs. 7 FamFG.

Internationale Zuständigkeit bei der Ausschlagung des Erbes

c) Zuständigkeit nach Art. 13 EuErbVO

Auch wenn keine Zuständigkeit nach Art. 4 oder Art. 10 EuErbVO besteht, kann sich eine Zuständigkeit des deutschen Nachlassgerichts aus Art. 13 EuErbVO ergeben. Diese Regelung soll es Erben und Vermächtnisnehmern erleichtern, Erklärungen abzugeben.

Die Zuständigkeit des Gerichts am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erben besteht, wenn:

  • ein anderer EU-Mitgliedstaat nach Art. 4 oder Art. 10 EuErbVO für den Erbfall zuständig ist. Wenn nur ein Nicht-Mitgliedstaat zuständig ist, gibt es keine solche Sonderzuständigkeit.
  • der Erklärende (also der Erbe) seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat.
  • das anwendbare Erbrecht eine gerichtliche Zuständigkeit für solche Erklärungen vorsieht.
  • nach deutschem Recht eine entsprechende gerichtliche Zuständigkeit besteht. Dies ist nur für die Annahme und Ausschlagung einer Erbschaft der Fall.
  • es nicht mehr erforderlich ist, dass deutsches Erbrecht anwendbar ist.

Art. 13 EuErbVO regelt nicht die örtliche Zuständigkeit. Diese bestimmt sich nach § 31 Satz 1 IntErbRVG, der besagt, dass das Gericht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erklärenden auch für Erbschaftsannahmen und -ausschlagungen zuständig ist, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats abgegeben werden. Die Erklärung muss zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form abgegeben werden (§ 31 Satz 2 IntErbRVG). Die Zuständigkeit des Gerichts, das nach Art. 4 oder Art. 10 EuErbVO zuständig wäre, bleibt daneben bestehen.

Das Gericht, das die Erklärung entgegennimmt, muss diese nicht an die zuständige Stelle im anderen Mitgliedstaat weiterleiten. Das ist Aufgabe des Erklärenden. Daher erhält der Erklärende die Urschrift der Erklärung, um sie an die ausländische Stelle weiterzuleiten. Bei einer notariellen Beglaubigung vermerkt das Nachlassgericht die Entgegennahme auf der Urschrift.

d) Ausschlagung gegenüber Gerichten anderer Mitgliedstaaten

Es war lange unklar, ob eine Ausschlagungserklärung, die vor einem Gericht eines anderen Mitgliedstaats abgegeben wird, nach deutschem Recht wirksam ist. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat klargestellt, dass Art. 28 EuErbVO dies regelt. Wenn das Recht des Aufenthaltsorts des Erklärenden die Abgabe einer solchen Erklärung vor einem Gericht vorsieht, richten sich alle Handlungen, die vor einem Gericht dieses Mitgliedstaats vorzunehmen sind, nach dem Recht dieses Mitgliedstaats. Es sind also keine weiteren Förmlichkeiten des Mitgliedstaats zu beachten, in dem die Erklärung angewendet werden soll. Es obliegt dem Erklärenden, dafür zu sorgen, dass das für die Erbfolge zuständige Gericht Kenntnis von der Erklärung erlangt.

Wichtige Konsequenzen daraus:

  • Wenn das Recht des Mitgliedstaats die Abgabe vor einer anderen Behörde als einem Gericht (z.B. einem Notar) vorsieht, ist die Ausschlagung nach deutschem Recht nicht formwirksam. Die Erklärung muss dann noch dem deutschen Gericht innerhalb der Ausschlagungsfrist im Original zugehen.
  • Wenn die Abgabe vor einem Gericht des Mitgliedstaats vorgesehen ist, ist die Erklärung uneingeschränkt formell wirksam, auch wenn sie nicht in deutscher Sprache verfasst ist. Das deutsche Nachlassgericht kann dann keine Vorlage der Urschrift verlangen, aber eine beglaubigte Abschrift. Bei fremdsprachigen Erklärungen kann das Gericht eine Übersetzung verlangen.

e) Ausschlagung gegenüber Gerichten von Nicht-Mitgliedstaaten

Die EuErbVO schafft keine internationale Zuständigkeit für Gerichte und Behörden von Nicht-Mitgliedstaaten. Daher bleibt in solchen Fällen die ausschließliche Zuständigkeit des nach deutschem Recht zuständigen Nachlassgerichts bestehen.


Entgegennahme durch ein international unzuständiges Gericht

Wenn ein deutsches Nachlassgericht eine Ausschlagungserklärung entgegennimmt, obwohl es international nicht zuständig wäre, ist die Ausschlagung trotzdem wirksam. Dies folgt aus einer analogen Anwendung der Regeln der EuErbVO (Art. 9) und des FamFG (§ 2 Abs. 3).


Nachlassspaltung

In Fällen, in denen der Nachlass auf verschiedene Länder aufgeteilt ist (Nachlassspaltung), bleibt es möglich, nur einen Teil des Erbes auszuschlagen oder anzunehmen. Es ist jedoch sehr wichtig, dass aus der Ausschlagungserklärung klar hervorgeht, ob sich die Ausschlagung auf den gesamten Nachlass oder nur auf bestimmte Teile (z.B. nur das Vermögen in Deutschland oder nur bestimmte ausländische Vermögenswerte) bezieht.

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