Irrtum über den Berufungsgrund bei der Ausschlagung
Nahestehende zu verlieren, ist schmerzhaft. Neben der Trauer müssen Sie sich dann oft auch noch um rechtliche Angelegenheiten kümmern, die zusätzlich belasten können. Eine davon ist die Frage, was mit dem Erbe geschieht. Manchmal ist es besser, ein Erbe auszuschlagen – doch was passiert, wenn man sich dabei irrt? Rechtsanwalt und Notar Krau beleuchtet für Sie in diesem Blogbeitrag, welche Tücken das Erbrecht bereithält und wie Sie Fallen vermeiden können.
Stellen Sie sich vor, Sie schlagen ein Erbe aus, weil Sie denken, Sie wären der gesetzliche Erbe, doch in Wirklichkeit hat der Verstorbene Sie in einem Testament bedacht. Oder Sie wissen nur von einem Testament, aber es gibt noch ein weiteres, von dem Sie nichts ahnen. Was passiert dann?
Genau diese Fragen sind im Erbrecht, insbesondere im Zusammenhang mit der Ausschlagung einer Erbschaft, von großer Bedeutung. Das Gesetz (§ 1949 Abs. 1 BGB) sieht vor, dass ein Irrtum über den Grund, warum Sie überhaupt erben würden (der sogenannte „Berufungsgrund“), Ihre Ausschlagungserklärung unwirksam machen kann.
Oftmals wissen Erben nicht genau, auf welchem Weg sie überhaupt erben würden. Ist es, weil sie in einem Testament genannt werden, oder weil sie aufgrund der gesetzlichen Erbfolge erben? Und was ist, wenn es mehrere Testamente gibt?
Das Gesetz (§ 1949 Abs. 2 BGB) schützt Sie in solchen Fällen: Wenn Sie ein Erbe ausschlagen und dabei einen Ihnen unbekannten Erbschaftsgrund (zum Beispiel ein später aufgetauchtes, zweites Testament) übersehen haben, dann erstreckt sich Ihre Ausschlagung im Zweifel nicht auf diesen unbekannten Grund. Das bedeutet: Die Ausschlagung wirkt nur für die Erbschaftsgründe, die Sie kannten.
Es spielt dabei keine Rolle, ob Sie selbst den Irrtum verschuldet haben oder jemand anderes. Auch wenn Sie sich über den genauen Erbschaftsgrund geirrt haben – zum Beispiel, wenn Sie dachten, Sie schlagen als gesetzlicher Erbe aus, obwohl Sie durch ein Testament berufen waren, oder umgekehrt – hat dies Auswirkungen. Ihre Ausschlagung ist dann im Hinblick auf den „eigentlichen“ Berufungsgrund nicht wirksam.
Aber Vorsicht: Wenn Sie Ihre Ausschlagungserklärung besonders umfassend formulieren, etwa indem Sie erklären, Sie würden das Erbe „aus allen Berufungsgründen“ ausschlagen, dann sieht die Sache anders aus. Mit einer solchen Formulierung bringen Sie zum Ausdruck, dass Sie die Erbschaft unter keinen Umständen annehmen möchten – ganz gleich, welcher Erbschaftsgrund vorliegt und ob Sie diesen kennen oder nicht. In diesem Fall verzichten Sie auf den Schutz des Gesetzes, das Sie bei unbekannten Erbschaftsgründen eigentlich schützen würde.
Wenn Sie sich bei der Ausschlagung geirrt haben, und dieser Irrtum erheblich war, dann ist Ihre Ausschlagung im Zweifel nicht wirksam, was den unbekannten Erbschaftsgrund betrifft. Die gute Nachricht ist: Sie müssen die Ausschlagungserklärung in einem solchen Fall nicht extra anfechten. Das Gesetz geht davon aus, dass die Ausschlagung von Anfang an unwirksam war, wenn sie auf einem beachtlichen Irrtum beruhte.
Das Erbrecht ist komplex, und gerade die Ausschlagung einer Erbschaft birgt einige Fallstricke. Ein Irrtum kann hier weitreichende Folgen haben. Umso wichtiger ist es, sich vorab umfassend zu informieren und im Zweifel rechtlichen Rat einzuholen.
Wir bei RA und Notar Krau stehen Ihnen gerne zur Seite, um Sie in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen und Ihnen rechtliche Klarheit zu verschaffen. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren, wenn Sie Fragen zur Erbschaftsausschlagung oder anderen erbrechtlichen Themen haben.