Irrtum über die Erbfolge bei Ausschlagung der Erbschaft

Juli 20, 2023

Irrtum über die Erbfolge bei Ausschlagung der Erbschaft

RA und Notar Krau

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Beschluss IV ZB 12/22 vom 22. März 2023 entschieden, dass ein Irrtum über die genaue Person, die nach einer Erbausschlagung erbt,

ein unerheblicher Motivirrtum ist und somit keine Anfechtung der Ausschlagungserklärung gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB rechtfertigt.

Diese Entscheidung klärt eine umstrittene Rechtsfrage im Erbrecht, insbesondere bei der sogenannten „lenkenden Ausschlagung“,

bei der der Ausschlagende gezielt eine bestimmte Person als Erben begünstigen möchte.

Sachverhalt

Der Erblasser verstarb ohne ein Testament zu hinterlassen.

Die Witwe (Beteiligte zu 1) und ein gemeinsames Kind (Beteiligter zu 2) waren die gesetzlichen Erben.

Die Abkömmlinge des Erblassers, einschließlich des Beteiligten zu 2, schlugen die Erbschaft aus.

Der Beteiligte zu 2 focht seine Ausschlagungserklärung an, da er irrtümlich davon ausging, dass seine Mutter (die Witwe) Alleinerbin würde.

Tatsächlich traten jedoch die Halbgeschwister des Erblassers als Erben ein, was dem Beteiligten zu 2 unbekannt war.

Irrtum über die Erbfolge bei Ausschlagung der Erbschaft

Entscheidung des BGH

Der BGH wies die Rechtsbeschwerde zurück und bestätigte die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm.

Der BGH stellte klar, dass der Irrtum des Beteiligten zu 2 über die Person des Nächstberufenen ein unbeachtlicher Motivirrtum ist.

Begründung des BGH

Unmittelbare und mittelbare Rechtsfolgen:

Der BGH differenzierte zwischen den unmittelbaren und mittelbaren Rechtsfolgen einer Erbausschlagung.

Die unmittelbare Rechtsfolge ist der Verlust der Erbenstellung des Ausschlagenden (§ 1953 Abs. 1 BGB).

Die Bestimmung der Person, die anstelle des Ausschlagenden erbt, erfolgt nach den Regeln der gesetzlichen oder gewillkürten Erbfolge (§§ 1924 ff. BGB).

Der Irrtum über diese nachfolgende Bestimmung stellt einen Irrtum über eine mittelbare Rechtsfolge dar.

Motivirrtum:

Ein Motivirrtum liegt vor, wenn sich der Irrtum auf die Beweggründe für die Abgabe einer Willenserklärung bezieht.

Der BGH entschied, dass der Irrtum über die Person des Nächstberufenen einen solchen Motivirrtum darstellt, der nicht zur Anfechtung berechtigt.

Irrtum über die Erbfolge bei Ausschlagung der Erbschaft

Rechtssicherheit:

Der BGH betonte die Bedeutung der Rechtssicherheit im Erbrecht.

Eine Anfechtung der Ausschlagungserklärung aufgrund eines Irrtums über die Person des Nächstberufenen würde die Stabilität des Erbschaftserwerbs gefährden.

Historische Auslegung:

Der BGH bezog sich auf die Entstehungsgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs und die Intention des historischen Gesetzgebers,

der eine allgemeine Anfechtung der Ausschlagungserklärung wegen Irrtums ablehnte.

Relevanz der Entscheidung

Diese Entscheidung des BGH klärt eine umstrittene Rechtsfrage und schafft Rechtssicherheit bei der Ausschlagung von Erbschaften.

Sie stellt klar, dass Irrtümer über die Person des Nächstberufenen, auch bei der „lenkenden Ausschlagung“, nicht zur Anfechtung berechtigen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der BGH entschieden hat, dass ein Irrtum über die genaue Erbfolge bei einer Erbausschlagung einen unbeachtlichen Motivirrtum darstellt.

Dies bedeutet, dass eine Anfechtung der Ausschlagung in solchen Fällen nicht möglich ist.

Der Beschluss sorgt für mehr Rechtssicherheit im Erbrecht und legt fest, dass die Bestimmung der Nächstberufenen Person eine mittelbare Rechtsfolge ist.

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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