Kein Anscheinsbeweis für Anrechnungsbestimmung bei Zuwendung größerer Geldbeträge
OLG Koblenz 12 U 1151/04
Anrechnung auf den Pflichtteil
Das Oberlandesgericht Koblenz hat in seinem Urteil vom 21.11.2005 entschieden, dass ein Anscheinsbeweis für eine Anrechnungsbestimmung
bei der Zuwendung größerer Geldbeträge nicht greift, wenn die Vollziehung der Zuwendung streitig ist.
Hintergrund des Falls:
Zwei Geschwister stritten um einen Pflichtteilsanspruch aus dem Nachlass ihres verstorbenen Vaters.
Der Vater hatte in seinem Testament festgelegt, dass seine Tochter (die Beklagte) Alleinerbin sein soll und an jeden ihrer Brüder einen Betrag von 50.000 DM auszahlen soll.
Hinsichtlich des Klägers (eines der Brüder) enthielt das Testament den Zusatz, dass dieser Herauszahlungsanspruch
bereits durch eine Zahlung in Höhe von 50.000 DM für den Erwerb einer Eigentumswohnung abgegolten sei.
Der Kläger bestritt jedoch, diese Zahlung jemals erhalten zu haben.
Entscheidung des Gerichts:
Das Landgericht hatte die Klage des Klägers auf Zahlung seines Pflichtteils abgewiesen.
Es ging davon aus, dass der Kläger die 50.000 DM erhalten hatte und dass eine Anrechnungsbestimmung vorlag.
Das Oberlandesgericht Koblenz hob dieses Urteil jedoch auf und gab der Klage statt.
Begründung des Oberlandesgerichts:
Keine Feststellung der Zuwendung: Das Gericht stellte zunächst fest, dass nicht feststeht, ob der Erblasser dem Kläger tatsächlich die 50.000 DM zugewendet hatte. Der Kläger hatte detailliert dargelegt, wie er den Kauf der Eigentumswohnung finanziert hatte, und dabei keine Zuwendung des Vaters erwähnt. Zudem hatte der Erblasser im Testament unzutreffende Angaben zu seinem Vermögen gemacht, was Zweifel an der Richtigkeit seiner Behauptung der Geldzuwendung aufkommen ließ.
Keine Anrechnungsbestimmung: Selbst wenn die Zahlung der 50.000 DM feststehen würde, wäre eine Anrechnung auf den Pflichtteil nicht gerechtfertigt. Eine Anrechnungsbestimmung ist nach § 2315 BGB nur wirksam, wenn sie dem Empfänger der Zuwendung gleichzeitig mit dieser oder vorher zugeht. Der Erbe muss dies darlegen und beweisen. Im vorliegenden Fall fehlte es jedoch an jeglichem Vortrag dazu, wann und unter welchen Umständen die angebliche Zuwendung erfolgt sein soll.
Kein Anscheinsbeweis: Das Landgericht hatte einen Anscheinsbeweis für eine Anrechnungsbestimmung angenommen. Das Oberlandesgericht lehnte dies jedoch ab. Ein Anscheinsbeweis greift nur dann ein, wenn ein typischer Geschehensablauf feststeht, bei dem nach der Lebenserfahrung aus einem bestimmten Sachverhalt auf eine bestimmte Folge geschlossen werden kann. Im vorliegenden Fall fehlte es jedoch an einer solchen typischen Situation. Insbesondere war die Zahlung selbst nicht tragfähig bewiesen.
Unwirksamkeit einer nachträglichen Anrechnungsbestimmung: Eine erst nach Vollzug der Zuwendung erklärte Anrechnungsbestimmung ist unwirksam. Die im Testament enthaltene Anrechnungsbestimmung wäre daher nur wirksam, wenn sich der Erblasser eine solche bei der lebzeitigen Zuwendung vorbehalten hätte. Dafür gab es jedoch keine Anhaltspunkte.
Fazit:
Das Oberlandesgericht Koblenz hat klargestellt, dass ein Anscheinsbeweis für eine Anrechnungsbestimmung
bei der Zuwendung größerer Geldbeträge nicht greift, wenn die Vollziehung der Zuwendung streitig ist.
Der Erbe, der eine Anrechnung der Zuwendung auf den Pflichtteil geltend macht, muss die Zuwendung und die Anrechnungsbestimmung beweisen.
Eine erst nach Vollzug der Zuwendung erklärte Anrechnungsbestimmung ist unwirksam.
Zusammenfassend lässt sich sagen:
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.