kein Anspruch auf Auskunftserteilung über den fiktiven Nachlass wegen Pflichtteilsergänzung bei Ausschlagung – OLG Celle 6 U 53/06

Mai 18, 2021

kein Anspruch auf Auskunftserteilung über den fiktiven Nachlass wegen Pflichtteilsergänzung bei Ausschlagung – OLG Celle 6 U 53/06

Zusammenfassung RA und Notar Krau: 

Das OLG Celle entschied, dass keine Auskunft über den fiktiven Nachlass verlangt werden kann, wenn jemand sein Erbe ausschlägt, um Pflichtteilsansprüche geltend zu machen.

Gemäß § 2314 BGB steht der Auskunftsanspruch nur enterbten Pflichtteilsberechtigten zu, nicht jedoch Miterben, die durch Ausschlagung ihre Stellung verändern.

Die Klägerin kann den Beklagten auch nicht auf Auskunft über Schenkungen der Erblasserin in Anspruch nehmen.

Selbst nach Ausschlagung steht sie nicht anders da als ein Miterbe, dem der Anspruch nur unter bestimmten Voraussetzungen zusteht.

Die Klägerin kann sich die erforderliche Kenntnis über etwaige Schenkungen auf zumutbare Weise verschaffen.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Revision nicht vorliegen, wurde diese nicht zugelassen.

Zum Entscheidungstext:

Die Vorschrift des § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB gebietet ihre einschränkende Auslegung, dass sie Auskunftsrechte nur einräumt dem von Hause aus enterbten pflichtteilsberechtigten Nichterben, nicht aber dem Miterben, der durch Ausschlagung die Stellung eines pflichtteilsergänzungsberechtigten NichtmehrErben wählt.


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 15. Februar 2006 verkündete Teilurteil des Einzelrichters des 12. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.


kein Anspruch auf Auskunftserteilung über den fiktiven Nachlass wegen Pflichtteilsergänzung bei Ausschlagung – OLG Celle 6 U 53/06 – Gründe

Die Berufung ist unbegründet.

I.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Auskunftserteilung über den fiktiven Nachlass der am 4. April 2004 verstorbenen V. (im folgenden: Erblasserin).

Sie kann von dem Beklagten als (Allein-)Erben der Erblasserin Auskunft über den Bestand des Nachlasses nicht gemäß § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen.

Dieser Anspruch setzt voraus, dass die Klägerin nicht Erbin der Erblasserin ist, woran es fehlt.

Auf die Ausschlagung des Erbes durch die Klägerin kommt es nicht an.

Diese verhalf ihr nicht zu einem Pflichtteilsanspruch, weil sie nicht durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen war, § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB, und demzufolge ebenso wenig zur Geltendmachung von Hilfsansprüchen zur Durchsetzung des Pflichtteils berechtigt war.

Die Vorschrift des § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB ist ihrem Sinn und Zweck nach nicht auf Personen anzuwenden, die erst infolge Ausschlagung des Erbes nicht als Erben einzusehen sind.

Die Ausschlagung des Erbes darf nicht dazu dienen, die Stellung der Klägerin im Auskunftsverfahren gegenüber dem Erben zu verbessern und ihr Rechte einzuräumen, die ihr in ihrer Stellung als Miterbin nicht zustehen.

Die Unterscheidung zwischen dem pflichtteilsberechtigten Nichterben und dem pflichtteilsberechtigten Miterben, welche das Gesetz vornimmt, darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass der nur unter eingeschränkten Voraussetzungen mit Auskunftsansprüchen ausgestattete Miterbe (§§ 2027, 2028, 2057, 666, 681 BGB) die Erbschaft ausschlägt, um sich einen von weiteren Voraussetzungen unabhängigen Auskunftsanspruch gegen den (Mit-)Erben zu verschaffen.

kein Anspruch auf Auskunftserteilung über den fiktiven Nachlass wegen Pflichtteilsergänzung bei Ausschlagung – OLG Celle 6 U 53/06

Insoweit gebietet § 2314 BGB seine einschränkende Auslegung, dass er Auskunftsrechte nur einräumt dem von Hause aus enterbten pflichtteilsberechtigten Nichterben, nicht aber dem Miterben, der durch Ausschlagung die Stellung eines pflichtteilsergänzungsberechtigten Nicht-mehr-Erben wählt.

2. Ferner kann die Klägerin den Beklagten als Beschenkten nicht auf Auskunft über unentgeltliche Zuwendungen seitens der Erblasserin an ihn in Anspruch nehmen.

Sie steht auch hier trotz der Ausschlagung nicht anders da als ein zur Ergänzung des Pflichtteils berechtigter Miterbe, welchem der Anspruch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nur zusteht, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Schenkung vorliegen, der Beschenkte die Auskunft unschwer geben kann und der Pflichtteilsergänzungsberechtigte sich die erforderliche Kenntnis nicht auf andere ihm zumutbare Weise zu verschaffen vermag

(vgl. grundlegend BGHZ 61, 180, 184; Palandt-Edenhofer, BGB, 65. Aufl., § 2314 Rn. 4).

Hieran fehlt es. Hinsichtlich der Veräußerung der Grundstücke X.-weg in N. vom 12. Oktober 1995, dem einzigen Rechtsgeschäft, das Anhalt für eine gemischte Schenkung bietet, kann die Klägerin sich durch Einsicht in den Übertragungsvertrag, der sich bei den Grundakten des Amtsgerichts N. befinden muss, in ihr zumutbarer Weise die erforderliche Kenntnis verschaffen. Einen Erkenntnisvorsprung hat der Beklagte für die Berechnung möglicher Pflichtteilsergänzungsansprüche hier nicht.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO für die Zulassung nicht vorliegen.

kein Anspruch auf Auskunftserteilung über den fiktiven Nachlass wegen Pflichtteilsergänzung bei Ausschlagung – OLG Celle 6 U 53/06

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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