Kein Anspruch auf Jahresabrechnung gegen Wohnungsverwalter (BGH, Urteil vom 19.4.2024 – V ZR 167/23)
Das Urteil des BGH klärt eine wichtige Frage, die sich durch die Wohnungseigentumsmodernisierungs-gesetz (WEMoG)-Reform, die am 1. Dezember 2020 in Kraft getreten ist, ergeben hat: Wer ist der richtige Ansprechpartner, wenn ein Wohnungseigentümer die Erstellung seiner Jahresabrechnung einklagen will?
Vor dem 1.12.2020 (altes Recht) Seit dem 1.12.2020 (neues Recht)
Der einzelne Wohnungseigentümer konnte die Jahresabrechnung vom Verwalter verlangen (Anspruch direkt gegen den Verwalter). Der Anspruch auf Erstellung der Jahresabrechnung richtet sich gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE).
Der Verwalter ist nicht mehr der passive Adressat für diesen Anspruch. Die Erstellung der Abrechnung gehört zur ordnungsgemäßen Verwaltung und ist damit eine Aufgabe der GdWE geworden.
Ein Wohnungseigentümer (Kläger) hatte vor der Reform (im Jahr 2018) Klage gegen die damalige Verwalterin (Beklagte zu 1) erhoben, um die Abrechnungen für das Jahr 2016 zu erzwingen.
Während das Verfahren in der Berufungsinstanz (beim Landgericht) lief, trat die WEG-Reform in Kraft. Nun war die Verwalterin nicht mehr die rechtlich richtige Beklagte. Daraufhin erklärte der Kläger einen sogenannten Parteiwechsel: Er wollte, dass sich die Klage stattdessen gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE) (Beklagte zu 2) richtet.
Ein Parteiwechsel im laufenden Berufungsverfahren ist grundsätzlich nur möglich, wenn alle Beteiligten zustimmen (der ausscheidende und der neue Beklagte). Im vorliegenden Fall verweigerte die GdWE (Beklagte zu 2) die Zustimmung.
Hier kommt der wichtigste Punkt des Urteils:
Verweigert ein Beteiligter seine Zustimmung, ist das nur dann unzulässig, wenn die Verweigerung rechtsmissbräuchlich ist. Das heißt, der Verweigernde hat kein schutzwürdiges Interesse daran, dass das Verfahren beendet wird und der Kläger ein neues Verfahren beginnen muss.
Der BGH sieht in solchen „Übergangsfällen“ – in denen sich die richtige Partei durch die Gesetzesreform im laufenden Prozess ändert – die Verweigerung der Zustimmung durch die GdWE regelmäßig als rechtsmissbräuchlich an.
Die GdWE und der ursprüngliche Beklagte (Verwalter) sind eng mit dem Rechtsstreit verbunden. Die GdWE war zwar nicht formal Partei in der ersten Instanz, aber die zugrundeliegenden Tatsachen und Rechtsfragen sind dieselben.
Der Kläger hatte zum Zeitpunkt seiner Klage (2018) die damals richtige Partei verklagt.
Es wäre unwirtschaftlich (prozessökonomisch nicht sinnvoll), den Kläger wegen einer Gesetzesänderung zu einem neuen Prozess zu zwingen, in dem dieselben Punkte erneut verhandelt werden müssten.
Die GdWE versuchte, die Verweigerung ihrer Zustimmung unter anderem damit zu begründen, dass sie sich in einem neuen Prozess auf Verjährung berufen könnte. Der BGH lehnte dies ab. Die Zulässigkeit eines Parteiwechsels kann nicht von der materiell-rechtlichen Frage der Verjährung abhängen, zumal sich die Änderung der Rechtslage in solchen Übergangsfällen nicht zum Vorteil der GdWE auswirken darf.
Der BGH hat die Revision der GdWE zurückgewiesen und das Urteil des Landgerichts bestätigt:
Der Anspruch auf Erstellung der Jahresabrechnung richtet sich nach neuem Recht gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE), nicht gegen den Verwalter.
In Altfällen, in denen vor der WEG-Reform der (damals richtige) Verwalter verklagt wurde, ist die Verweigerung der Zustimmung der GdWE zum Parteiwechsel auf ihre Seite rechtsmissbräuchlich und damit unbeachtlich.
Das Urteil sorgt für Prozessökonomie in den Übergangsfällen der WEG-Reform. Es stellt sicher, dass laufende Verfahren nicht allein wegen der Gesetzesänderung scheitern müssen, wenn der Kläger den Parteiwechsel auf die nunmehr richtige Partei (die GdWE) vornimmt.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.