Kein lediglich rechtlicher Vorteil bei Überlassung vermieteten oder verpachteten Grundstücks unter Vorbehaltsnießbrauch

November 2, 2025

Kein lediglich rechtlicher Vorteil bei Überlassung vermieteten oder verpachteten Grundstücks unter Vorbehaltsnießbrauch

Zusammenfassung: BGH, Beschluss vom 03.02.2005 (V ZB 44/04)


Worum ging es? (Der Sachverhalt)

Ein Großvater (Beteiligter zu 1) wollte mehrere seiner verpachteten landwirtschaftlichen Grundstücke seinen Enkeln (Beteiligten zu 2 bis 4) schenken und überschreiben. Einer der Enkel (Beteiligter zu 4) war minderjährig.

Gleichzeitig behielt sich der Großvater ein lebenslanges unentgeltliches Nießbrauchsrecht an den Grundstücken vor. Der Nießbrauch bedeutet, dass der Großvater weiterhin alle Früchte (also die Pachteinnahmen) ziehen und die Grundstücke nutzen durfte, obwohl die Enkel formell die neuen Eigentümer wurden.

Der Notar beantragte die Umschreibung des Eigentums und die Eintragung des Nießbrauchs im Grundbuch.


Das Problem: Grundbuchamt und Minderjährigenschutz

Das Grundbuchamt lehnte die Eintragung per Zwischenverfügung ab, weil es Zweifel an der Wirksamkeit der Übertragung zugunsten des minderjährigen Enkels (Beteiligter zu 4) hatte.

Der Kern der Frage war: Ist die Schenkung eines verpachteten Grundstücks mit Nießbrauchsvorbehalt für einen Minderjährigen ein „lediglich rechtlicher Vorteil“ im Sinne des deutschen Zivilrechts (§ 107 BGB)?

  • Hintergrund: Ein Minderjähriger kann Rechtsgeschäfte, die ihm nur einen rechtlichen Vorteil bringen (z.B. eine reine Schenkung von Geld), ohne Zustimmung seiner Eltern wirksam annehmen. Bringt das Geschäft ihm aber rechtliche Nachteile oder Verpflichtungen, benötigt er die Zustimmung seiner gesetzlichen Vertreter.

Das Grundbuchamt sah einen rechtlichen Nachteil und verlangte die Bestellung eines Ergänzungspflegers, der das Geschäft für den Minderjährigen genehmigen sollte, da die Eltern wegen möglicher Interessenkonflikte nicht zustimmen durften.


Die Entscheidung des BGH: Rechtlicher Nachteil liegt vor

Der Fall landete über mehrere Beschwerden beim BGH, weil unterschiedliche Oberlandesgerichte (OLGs) diese Frage bisher unterschiedlich beantwortet hatten.

Kein lediglich rechtlicher Vorteil bei Überlassung vermieteten oder verpachteten Grundstücks unter Vorbehaltsnießbrauch

Der BGH stellte klar:

1. Erwerb eines verpachteten/vermieteten Grundstücks ist nachteilig

  • Wer ein vermietetes oder verpachtetes Grundstück erwirbt, tritt kraft Gesetzes in den bestehenden Miet- oder Pachtvertrag ein („Kauf bricht nicht Miete/Pacht“).
  • Dieser Eintritt bedeutet, dass der neue Eigentümer alle Pflichten aus dem Vertrag übernehmen muss (z.B. Instandhaltung, Schadensersatzpflichten, Rückzahlung der Kaution).
  • Diese Pflichten führen zu einer persönlichen Haftung des Minderjährigen mit seinem gesamten Vermögen, nicht nur mit dem Grundstück selbst.
  • Da der Umfang dieser Pflichten nicht begrenzt und nicht im Voraus einschätzbar ist, handelt es sich um einen rechtlichen Nachteil.

2. Der Nießbrauchsvorbehalt ändert nichts

  • Selbst wenn der Großvater als Nießbraucher zunächst weiterhin Verpächter bleibt und der Enkel erst einmal keine Pflichten hat, tritt der Enkel als Eigentümer spätestens mit dem Ende des Nießbrauchs (meist dem Tod des Großvaters) in den dann noch bestehenden Pachtvertrag ein.
  • Die konkrete Möglichkeit der zukünftigen persönlichen Haftung aus dem Pachtvertrag genügt, um einen rechtlichen Nachteil anzunehmen. Es muss nicht feststehen, dass der Nachteil sofort eintritt.

3. Das Ergebnis für den Minderjährigen

  • Da ein rechtlicher Nachteil vorliegt, konnte der minderjährige Enkel die Eigentumsübertragung (Auflassung) nicht allein wirksam annehmen.
  • Die Eltern waren von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen (Interessenkonflikt), da die Mutter des Minderjährigen selbst an der Übertragung beteiligt war und ein weiterer Nießbrauch für sie eingetragen werden sollte.
  • Die Übertragung war somit schwebend unwirksam und konnte ohne die Genehmigung eines vom Gericht zu bestellenden Ergänzungspflegers nicht im Grundbuch vollzogen werden.

Fazit

Der BGH hat entschieden, dass die Schenkung eines bereits verpachteten Grundstücks – selbst wenn der Schenker sich den Nießbrauch vorbehält – für einen Minderjährigen keinen lediglich rechtlichen Vorteil darstellt. Die Gefahr der zukünftigen persönlichen Haftung aus dem Pachtvertrag ist ein rechtlicher Nachteil, der die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter (hier: eines Ergänzungspflegers) erfordert.

Die Beschwerden der Beteiligten wurden daher zurückgewiesen.

RA und Notar Krau

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