Kein Pflichtteilsergänzungsanspruch bei fehlendem Geschenk an einen Dritten

Mai 11, 2019

Kein Pflichtteilsergänzungsanspruch bei fehlendem Geschenk an einen Dritten

OLG München 20 U 2354/18

Endurteil 6.2.2019

RA und Notar Krau

Das Oberlandesgericht München entschied am 6. Februar 2019 in einem Berufungsverfahren, dass dem Kläger kein Pflichtteilsergänzungsanspruch zusteht.

Hintergrund des Falls war der Nachlass der Großmutter des Klägers, die ihren Sohn (den Beklagten) in einem Erbvertrag als Alleinerben eingesetzt hatte.

Die Mutter des Klägers hatte von der Erblasserin zu Lebzeiten erhebliche Geldbeträge erhalten, die auf ihren Pflichtteil angerechnet wurden.

Nach dem Tod der Erblasserin forderte der Kläger seinen Pflichtteil sowie eine Ergänzung, da er meinte, die Zuwendungen an seine Mutter seien nicht vollständig auf ihren Pflichtteil angerechnet worden.

Das Landgericht Landshut hatte den Beklagten zunächst zur Zahlung eines Teilbetrags verurteilt.

Kein Pflichtteilsergänzungsanspruch bei fehlendem Geschenk an einen Dritten

Das OLG München hob dieses Urteil teilweise auf und entschied,

dass die Zuwendungen an die Mutter des Klägers vollständig auf den Pflichtteil anzurechnen seien, wodurch der Pflichtteilsanspruch des Klägers vollständig erloschen sei.

Insbesondere folgte das Gericht den Aussagen eines Zeugen, der bestätigte, dass die Zuwendungen mit der mündlichen Bestimmung erfolgten, diese auf den Pflichtteil anzurechnen.

Auch eine „Ergänzung des Erbvertrags“ der Erblasserin deutete darauf hin, dass sie die Zuwendungen an ihre Tochter auf deren Pflichtteil angerechnet wissen wollte.

Das Gericht wies auch die Anschlussberufung des Klägers zurück, in der er eine höhere Auszahlung und die Anerkennung vorgerichtlicher Anwaltskosten forderte.

Die Anrechnungen, die durch die Zuwendungen an die Mutter des Klägers erfolgten, überstiegen den Anspruch des Klägers.

Da der Kläger in den ersten beiden Stufen des Verfahrens obsiegte, trug er dennoch nur 90 % der Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Letztlich bekräftigte das OLG, dass ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nur besteht, wenn neben dem Pflichtteilsberechtigten auch ein Dritter beschenkt wurde, was hier nicht der Fall war.

Kein Pflichtteilsergänzungsanspruch bei fehlendem Geschenk an einen Dritten

Allgemeiner Hinweis:

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist ein erbrechtlicher Anspruch in Deutschland, der in den §§ 2325 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt ist.

Er dient dazu, den Pflichtteilsberechtigten (Abkömmlinge, Ehegatten, Eltern) vor einer Minderung ihres Pflichtteilsanspruchs durch Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten zu schützen.

Grundlagen und Zweck:

Ergänzung des Pflichtteils:

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch gewährt dem Pflichtteilsberechtigten einen zusätzlichen Zahlungsanspruch gegen den oder die Erben.

Dieser Anspruch richtet sich auf den Betrag, um den sich der Pflichtteil erhöhen würde, wenn der Wert der Schenkung dem Nachlass hinzugerechnet würde.

Schutz vor Vermögensminderung:

Ziel ist es zu verhindern, dass der Erblasser sein Vermögen durch Schenkungen reduziert, um die Pflichtteilsansprüche zu umgehen oder zu schmälern.

Dabei ist es unerheblich, ob der Erblasser in der Absicht gehandelt hat, Pflichtteilsberechtigte zu benachteiligen.
Berechnung des Anspruchs:

Fiktiver Nachlass:

Für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs wird der Wert der Schenkung dem tatsächlichen Nachlass hinzugerechnet.

Von diesem fiktiven Nachlass wird dann der Pflichtteil des Berechtigten ermittelt.

Abschmelzungsprinzip:

Schenkungen, die der Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahre vor seinem Tod getätigt hat, werden bei der Berechnung berücksichtigt,

wobei der Wert der Schenkung pro Jahr um ein Zehntel sinkt (§ 2325 Abs. 3 BGB).

Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird also zu 100 % berücksichtigt, eine Schenkung im zweiten Jahr zu 90 % usw.

Nach Ablauf von zehn Jahren bleibt die Schenkung grundsätzlich unberücksichtigt.

Ausnahmen von der 10-Jahres-Frist:

Bei Schenkungen an den Ehegatten beginnt die Zehnjahresfrist nicht vor der Auflösung der Ehe (§ 2325 Abs. 3 S. 3 BGB).

Auch bei Schenkungen unter Vorbehalt, beispielsweise eines Nießbrauchs oder Wohnrechts, kann die Frist hinausgeschoben sein,

da der Erblasser die wirtschaftliche Verfügungsgewalt über den Gegenstand behält.

Bewertung der Schenkung:

Grundsätzlich wird der Wert des Geschenks zum Zeitpunkt der Schenkung angesetzt.

Bei nicht verbrauchbaren Gegenständen gilt das Niederstwertprinzip (§ 2325 Abs. 2 BGB), d.h., es wird der niedrigere Wert zum Zeitpunkt der Schenkung oder zum Zeitpunkt des Erbfalls berücksichtigt.

Geltendmachung des Anspruchs:

Anspruchsgegner:

Primär richtet sich der Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den oder die Erben (§ 2325 Abs. 1 BGB).

Subsidiäre Haftung des Beschenkten:

Reicht der Nachlass nicht aus, um den Pflichtteilsergänzungsanspruch zu befriedigen, kann der Pflichtteilsberechtigte den Beschenkten in Anspruch nehmen (§ 2329 BGB).

Auskunftsanspruch:

Der Pflichtteilsberechtigte hat gegen den Erben einen Anspruch auf Auskunft über die Schenkungen des Erblassers (§ 2314 BGB), um seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch beziffern zu können.

Verjährung:

Die regelmäßige Verjährungsfrist für den Pflichtteilsergänzungsanspruch beträgt drei Jahre (§§ 195, 199 BGB).

Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte von dem Erbfall, der Enterbung und der Schenkung Kenntnis erlangt hat.

Für den Anspruch gegen den Beschenkten (§ 2329 BGB) gilt eine kenntnisunabhängige Verjährungsfrist von drei Jahren ab dem Erbfall (§ 2332 BGB).

Wichtige Aspekte:

Auch ein Erbe kann unter Umständen einen Pflichtteilsergänzungsanspruch haben, wenn sein Erbteil aufgrund von Schenkungen des Erblassers geringer ist als sein Pflichtteil (§ 2326 BGB).

Schenkungen unter Auflage oder mit Anrechnungsbestimmungen auf den Pflichtteil können die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs beeinflussen.

Anstands- und Pflichtschenkungen (§ 2330 BGB) lösen in der Regel keinen Pflichtteilsergänzungsanspruch aus.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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