Kein Pflichtteilsergänzungsanspruch des Erben bei vorherigem Verzicht des Erblassers

März 22, 2020

Kein Pflichtteilsergänzungsanspruch des Erben bei vorherigem Verzicht des Erblassers

LG Deggendorf Urteil 19.9.2019 – 32 O 779/18

RA und Notar Krau

Das Landgericht (LG) Deggendorf entschied in diesem Urteil, dass ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nicht besteht, wenn der Erblasser zu Lebzeiten in einem Erlassvertrag auf diesen Anspruch verzichtet hat.

Im vorliegenden Fall hatte der Vater der Parteien nach dem Tod seiner zweiten Ehefrau auf seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch verzichtet, sodass dieser nicht auf die Klägerin als Erbin übergehen konnte.

Hintergrund:

Die Klägerin und die Beklagte waren Halbschwestern.

Ihr gemeinsamer Vater hatte der Klägerin zu Lebzeiten ein Grundstück geschenkt.

Die Mutter der Beklagten, die mit dem Vater in Zugewinngemeinschaft lebte, hatte der Beklagten ebenfalls ein Grundstück geschenkt.

Nach dem Tod der Mutter erbte der Vater diese.

Die Klägerin machte nun als Erbin ihres Vaters einen Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen die Beklagte geltend.

Kein Pflichtteilsergänzungsanspruch des Erben bei vorherigem Verzicht des Erblassers

Entscheidung des Gerichts:

Das LG Deggendorf wies die Klage ab.

1. Kein Pflichtteilsergänzungsanspruch:

Der geltend gemachte Pflichtteilsergänzungsanspruch bestand nicht, da der Vater der Parteien nach dem Ableben seiner Ehefrau wirksam auf diesen Anspruch verzichtet hatte.

2. Verzicht als Erlassvertrag:

Der Verzicht auf einen Pflichtteilsergänzungsanspruch nach dem Tod des Erblassers ist rechtlich als Erlassvertrag gemäß § 397 BGB einzuordnen.

3. Formloser Abschluss möglich:

Der Abschluss eines Erlassvertrages ist formlos möglich.

Kein Pflichtteilsergänzungsanspruch des Erben bei vorherigem Verzicht des Erblassers

4. Strenge Anforderungen an die Annahme eines Erlassvertrages:

Das Gericht muss überzeugt sein, dass der Erblasser eine materiell-rechtlich wirkende Erklärung abgegeben hat.

Der Verzicht darf nicht vermutet werden.

5. Wirksamer Verzicht des Vaters:

Im vorliegenden Fall war das Gericht überzeugt, dass der Vater der Parteien wirksam auf seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch verzichtet hatte.

Er hatte gegenüber der Beklagten erklärt, dass er von ihrem Erbe nichts haben wolle, obwohl er wusste, dass er mehr geerbt hätte, wenn die Schenkung an die Beklagte nicht erfolgt wäre.

6. Kein Übergang im Wege der Universalsukzession:

Da der Vater auf seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch verzichtet hatte, konnte dieser auch nicht im Wege der Universalsukzession auf die Klägerin übergehen.

Kein Pflichtteilsergänzungsanspruch des Erben bei vorherigem Verzicht des Erblassers

7. Analoge Anwendung von § 1375 Abs. 3 BGB:

Selbst wenn man keinen wirksamen Verzicht des Vaters annehmen würde, scheitert der Pflichtteilsergänzungsanspruch an der analogen Anwendung von § 1375 Abs. 3 BGB.

Diese Vorschrift besagt, dass Schenkungen, die mit Zustimmung des anderen Ehegatten erfolgen, im Rahmen des Zugewinnausgleichs nicht berücksichtigt werden.

8. Vergleichbare Interessenlage:

Die Regelungen des § 1375 Abs. 3 BGB und der §§ 2325 ff. BGB bezwecken, die Benachteiligung des Ehegatten bzw. des Pflichtteilsberechtigten zu verhindern.

Es ist daher interessengerecht, die Regelung des § 1375 Abs. 3 BGB auch im erbrechtlichen Kontext anzuwenden.

9. Rechtsmissbrauch:

Würde § 1375 Abs. 3 BGB nicht analog angewendet, wäre die Geltendmachung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs rechtsmissbräuchlich, da der Vater der Schenkung zugestimmt hatte.

Fazit:

Das LG Deggendorf lehnte den Pflichtteilsergänzungsanspruch der Klägerin ab, da ihr Vater wirksam auf diesen Anspruch verzichtet hatte.

Die Entscheidung verdeutlicht die Bedeutung von Erlassverträgen im Erbrecht und die Möglichkeit der analogen Anwendung von güterrechtlichen Vorschriften im erbrechtlichen Kontext.

Zusätzliche Informationen:

Erlassverträge können formlos geschlossen werden, sollten aber eindeutig formuliert sein.

Das Urteil hat Auswirkungen auf die Praxis der Nachlassplanung und des Erbrechts.

Schenkungen sollten sorgfältig geprüft werden, insbesondere im Hinblick auf mögliche Pflichtteilsergänzungsansprüche.

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Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

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