Kein Schadensersatzanspruch nach Impfung mit Comirnaty
LG München II, Endurteil v. 28.01.2025 – 1 O 3941/23
Dieses Urteil des Landgerichts München II befasst sich mit einer Klage auf Schadensersatz und Auskunft gegen den Hersteller des COVID-19-Impfstoffs Comirnaty (BioNTech/Pfizer). Die Klägerin behauptete, nach ihrer zweiten Impfung an einem sogenannten Post-Vac-Syndrom mit Symptomen wie starker Erschöpfung (Fatigue), Gelenkschmerzen, Kurzatmigkeit und anderen gesundheitlichen Beeinträchtigungen erkrankt zu sein.
Das Gericht wies die Klage in vollem Umfang ab.
Das Landgericht München II lehnte sowohl den Anspruch auf Schadensersatz (Schmerzensgeld und Ersatz materieller Schäden) nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) als auch den Anspruch auf Auskunft ab.
Die Hauptgründe für die Klageabweisung sind:
Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass ihre Beschwerden überwiegend wahrscheinlich durch die Impfung verursacht wurden.
Das Gericht hält das Verhältnis von Nutzen und Risiko des Impfstoffs aufgrund der Zulassung durch die Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) für vertretbar.
Die Klägerin legte dem Gericht keine vollständigen Krankenunterlagen vor, was eine umfassende Prüfung ihres Gesundheitszustands vor der Impfung unmöglich machte.
Der Schadensersatzanspruch der Klägerin stützte sich hauptsächlich auf zwei Punkte im Arzneimittelgesetz (§ 84 AMG): den Vorwurf eines unvertretbaren Nutzen-Risiko-Verhältnisses und den Vorwurf fehlerhafter Informationen.
Das Gericht stellte fest, dass der Impfstoff Comirnaty kein unvertretbares Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweist:
Die Zulassung des Impfstoffs durch die Europäische Kommission (auf Empfehlung der EMA) hat eine Bindungswirkung (sogenannte Tatbestandswirkung) für das Zivilgericht. Die Zulassungsbehörde hat mit der Genehmigung bestätigt, dass der therapeutische Wert des Impfstoffs die möglichen schädlichen Wirkungen überwiegt.
Der Nutzen des Impfstoffs zur Eindämmung der Pandemie und zum Schutz vor schweren Krankheitsverläufen ist wissenschaftlich nicht ernsthaft bestreitbar und wurde vom Gericht bestätigt.
Die von der Klägerin angeführten Verdachtsfälle (Verdachtsmeldungen an das Paul-Ehrlich-Institut) beschreiben nur einen Verdacht auf einen Impfschaden, nicht aber gesicherte Schäden. Selbst bei der großen Anzahl von Impfungen weltweit (Milliarden Dosen) sind die aufgetretenen Risiken nicht so gewichtig, dass sie zu einem negativen Nutzen-Risiko-Verhältnis führen würden. Der fehlende Abschluss von Langzeitstudien zum Zeitpunkt der Zulassung reicht für sich genommen nicht aus, um ein negatives Nutzen-Risiko-Verhältnis zu beweisen, da die Klägerin hierfür die volle Beweislast trägt.
Der Anspruch wegen einer angeblich fehlerhaften Kennzeichnung oder Fachinformation (§ 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG) wurde ebenfalls abgewiesen.
Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass sie sich bei korrekter Information mit Sicherheit gegen die Impfung entschieden hätte. Es war nicht schlüssig dargelegt, dass die Klägerin die Aufklärungsunterlagen überhaupt gelesen hatte. Das Gericht war stattdessen überzeugt, dass die Klägerin die Impfung auch bei vollständigerer Information gewählt hätte, um von dem Nutzen (dem Schutz) zu profitieren.
Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass die Impfung ihre Beschwerden verursacht hat.
Das Gericht sah in den Krankenunterlagen der Klägerin zahlreiche alternative Diagnosen und Ursachen, die die geschilderten Symptome (Erschöpfung, Schmerzen etc.) erklären könnten. Dazu zählten:
Psychische Ursachen
Asthma bronchiale
Blockierungen der Brustwirbelsäule
Reizdarmsyndrom
Mögliche, nicht erkannte Coronavirus-Infektion (Long-COVID-Symptome)
Die Diagnosen „Post-Vac-Syndrom“ in den vorgelegten Arztberichten wurden vom Gericht als nicht überwiegend wahrscheinlich und wissenschaftlich nicht fundiert eingestuft, da sie oft nur auf der Eigenaussage der Klägerin beruhten und keine umfassenden körperlichen oder diagnostischen Befunde enthielten.
Die Klägerin erfüllte die sogenannte erweiterte Darlegungslast in Arzneimittelhaftungsverfahren nicht vollständig:
Die Klägerin legte dem Gericht nicht alle ihrer Kranken- und Behandlungsunterlagen vor, insbesondere fehlten wichtige Dokumentationen von Hausärzten aus der Zeit vor der Impfung. Dies ist jedoch erforderlich, um auszuschließen, dass bereits vorherige Erkrankungen oder Risikofaktoren die Ursache für die aktuellen Beschwerden sind.
Ohne die vollständigen Unterlagen war es der Beklagten und dem Gericht unmöglich, mögliche Alternativursachen umfassend zu prüfen.
Der Anspruch der Klägerin auf Auskunft vom Hersteller (§ 84a AMG) wurde ebenfalls abgewiesen.
Der Auskunftsanspruch besteht nur, wenn er zur Feststellung eines Schadensersatzanspruchs erforderlich ist. Da der Schadensersatzanspruch bereits aus den oben genannten Gründen als unbegründet angesehen wurde (fehlende Kausalität, positives Nutzen-Risiko-Verhältnis), war die geforderte Auskunft (z.B. über Herstellungsprozesse, Verdachtsfälle oder interne Erkenntnisse des Herstellers) nicht mehr nötig.
Ansprüche aus allgemeinem Deliktsrecht (wie Produkthaftung oder vorsätzliche Schädigung nach § 823 BGB) wurden ebenfalls abgelehnt.
Diese Ansprüche scheitern ebenfalls am fehlenden Nachweis des Kausalzusammenhangs.
Zudem gelten für diese Ansprüche höhere Anforderungen an den Nachweis, da der Schaden mit Sicherheit vermieden worden wäre, was die Klägerin nicht belegen konnte. Das spezielle Arzneimittelgesetz soll hier nicht durch das allgemeine Zivilrecht umgangen werden.
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