Kein verminderter Wertansatz nach § 13c I ErbStG für im Erwerbszeitpunkt nicht vermietete Immobilie

Oktober 4, 2025

Kein verminderter Wertansatz nach § 13c I ErbStG für im Erwerbszeitpunkt nicht vermietete Immobilie

Zusammenfassung: Keine Steuervergünstigung für eine zum Todeszeitpunkt unbewohnte, aber noch nicht vermietete Immobilie

Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Bremen vom 12. März 2014 (Aktenzeichen: 3 K 1/14 1) befasst sich mit der Frage, ob eine Immobilie, die zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers nicht vermietet war, trotzdem in der Erbschaftsteuer günstiger bewertet werden darf.

Der Kern des Falls

Es ging um ein Einfamilienhaus, das ein Kläger aufgrund eines Vermächtnisses (einer Zuwendung im Testament) erwarb. Die Erblasserin (die verstorbene Person) lebte bis Oktober 2010 selbst in dem Haus. Danach zog sie in ein Altenpflegeheim, wo sie Ende Dezember 2010 verstarb.

Das Haus stand zu diesem Zeitpunkt leer. Der Kläger räumte es erst im Februar 2012 (über ein Jahr nach dem Tod) und vermietete es ab Dezember 2012 (fast zwei Jahre nach dem Tod).

Der Kläger beantragte, den Wert des geerbten Hauses für die Erbschaftsteuer um 10 % zu mindern (§13c Abs. 1 ErbStG). Diese Vergünstigung soll Vermieter von Wohnraum entlasten.

Die rechtliche Fragestellung

Der Gesetzgeber sieht im Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) einen verminderten Wertansatz (einen Abschlag von 10 %) für zu Wohnzwecken vermietete bebaute Grundstücke vor (§13c Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 ErbStG).

Der Streitpunkt war, ob diese Vergünstigung auch dann gilt, wenn die Immobilie am sogenannten Besteuerungszeitpunkt (dem Todestag der Erblasserin) zwar leer stand, aber später vermietet werden sollte.

Der Kläger argumentierte, die Formulierung „vermietet werden“ im Gesetz zeige, dass auch eine zukünftige Vermietung genügt. Die Vergünstigung solle das Angebot an Mietwohnungen fördern, und er habe das Haus ja schließlich vermietet.

Das Finanzamt (Beklagter) lehnte dies ab, weil das Haus am Stichtag nicht vermietet war.

Die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Bremen

Das FG Bremen gab dem Finanzamt recht und wies die Klage ab. Die 10 %-Vergünstigung wurde verwehrt.

Das Stichtagsprinzip

Das Gericht stellte klar, dass im Erbschaftsteuerrecht das sogenannte Stichtagsprinzip gilt: Maßgeblich sind die Verhältnisse am Todestag des Erblassers (dem Tag, an dem die Erbschaftsteuer entsteht). An diesem Tag war das Haus nicht vermietet.

Die Auslegung des Wortlauts

Das Gericht widersprach der Argumentation des Klägers, dass die Formulierung „vermietet werden“ eine künftige Vermietung einschließe.

„Vermietet werden“ (Vorgangspassiv) beschreibt einen gegenwärtigen Zustand (es wird gerade vermietet), ähnlich wie „vermietet sind“ (Zustandspassiv).

Kein verminderter Wertansatz nach § 13c I ErbStG für im Erwerbszeitpunkt nicht vermietete Immobilie

Hätte der Gesetzgeber auch eine bloß beabsichtigte Vermietung begünstigen wollen, hätte er dies eindeutig formulieren müssen (zum Beispiel: „…die zu Wohnzwecken vermietet werden oder zur Vermietung zu Wohnzwecken bestimmt sind“).

Leerstand als Ausnahme?

In der Rechtsliteratur wird zwar anerkannt, dass der Abschlag auch bei kurzfristigem Leerstand gelten kann, etwa bei einem Mieterwechsel oder während notwendiger Renovierungsarbeiten. Dies gilt aber nur, wenn das Haus zuvor vermietet war und die Vermietungsabsicht durch ein zeitnah abgeschlossenes neues Mietverhältnis belegt wird.

Der vorliegende Fall war jedoch anders:

Das Haus wurde bis kurz vor dem Tod vom Erblasser selbst bewohnt (Eigennutzung). Es fehlte somit am Besteuerungszeitpunkt an einem zur Vermietung bestimmten Grundstück. Es war nicht geräumt und somit nicht vermietungsbereit.

Zudem war die tatsächliche Vermietung mit über 1 1/2 Jahren Abstand zum Todestag nicht mehr „zeitnah“ oder „innerhalb einer angemessenen Frist“.

Fazit des Urteils:

Die Steuervergünstigung für vermieteten Wohnraum setzt grundsätzlich voraus, dass die Immobilie zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits tatsächlich vermietet war. Bei einem Leerstand, der durch eine unmittelbar vorangegangene Eigennutzung des Erblassers verursacht wird, muss die Vermietungsabsicht durch eine unverzügliche, d.h. zeitnahe Vermietung belegt werden. Eine fast zweijährige Verzögerung ist dafür zu lang.

Bedeutung für Laien

Wenn Sie eine Immobilie erben, die Sie später vermieten möchten, aber die zum Todestag noch vom Erblasser bewohnt wurde (oder die aus anderen Gründen leer steht), sollten Sie Folgendes beachten, wenn Sie die 10 %-Vergünstigung erhalten wollen:

Stichtag beachten:

Am Tag des Erbfalls ist die Situation entscheidend.

Sofortige Vermietungsbereitschaft:

Wenn die Immobilie leer steht, müssen Sie unverzüglich handeln: Haus räumen, gegebenenfalls renovieren und aktiv um Mieter werben.

Zeitnahe Vermietung:

Das Gericht sah in diesem Fall eine Frist von über 1 1/2 Jahren als zu lang an. Um die Vermietungsabsicht glaubhaft zu machen, sollte ein Mietvertrag so schnell wie möglich nach dem Erbfall abgeschlossen werden.

Das Urteil unterstreicht, dass die Vergünstigung für Wohnraumvermietung nicht auf eine bloße Absicht, sondern auf die tatsächliche oder zumindest unmittelbar bevorstehende Vermietung am Stichtag abzielt.

(Anmerkung: Dieses Urteil wurde später vom Bundesfinanzhof (BFH) bestätigt, was die Rechtsauffassung gefestigt hat.)

RA und Notar Krau

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