Keine Anwendung der Regelungen über den Parteiprozess auf eine Finanzierungsvollmacht im Rahmen eines Grundstückserwerbs

November 2, 2025

Keine Anwendung der Regelungen über den Parteiprozess auf eine Finanzierungsvollmacht im Rahmen eines Grundstückserwerbs

Datum: 05.12.2008
Gericht: Landgericht Münster
Spruchkörper: Zivilgericht
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 5 T 798/08

Vorinstanz: Amtsgericht Ahaus, Ammeloe Bl. 2165

Landgericht Münster, 5 T 798/08: Die Finanzierungsvollmacht beim Immobilienkauf

Dieser Beschluss des Landgerichts Münster vom 05. Dezember 2008 befasst sich mit einer gängigen und wichtigen Praxis beim Immobilienkauf: der Finanzierungsvollmacht.

1. Worum ging es in dem Fall?

  • Der Sachverhalt: Käufer und Verkäufer schlossen einen notariellen Kaufvertrag über ein Grundstück ab. Der Kaufpreis sollte über ein Darlehen des Käufers finanziert werden.
  • Die Finanzierungsvollmacht: Um die Finanzierung schnellstmöglich zu sichern, erteilte der Verkäufer (der noch Eigentümer war) dem Käufer im Kaufvertrag eine spezielle Vollmacht (Finanzierungsvollmacht). Diese erlaubte es dem Käufer, das Grundstück noch vor der eigentlichen Umschreibung des Eigentums mit einer Grundschuld zugunsten seiner Bank zu belasten.
  • Wichtige Schutzmechanismen: Der Vertrag enthielt klare Regelungen zum Schutz des Verkäufers:
    • Die Darlehensvaluta (das ausgezahlte Geld) musste bis zur Höhe des Kaufpreises ausschließlich an den Verkäufer ausgezahlt werden.
    • Die Notarin wurde unwiderruflich angewiesen, die Eintragung der Grundschuld erst zu beantragen, wenn die Bank dies schriftlich bestätigt hatte.
  • Das Problem: Bei der Eintragung der Grundschuld ins Grundbuch legte das Grundbuchamt eine Zwischenverfügung ein und lehnte den Antrag ab.

2. Die Ablehnung des Grundbuchamts

Das Grundbuchamt argumentierte, dass die erteilte Vollmacht nach einer Gesetzesreform (Neufassung der §§ 79 ZPO, 13 FGG) ungültig sei.

  • Die neuen Gesetze regeln, wer in bestimmten gerichtlichen oder notariellen Verfahren zur Vertretung befugt ist. Das Grundbuchamt war der Meinung, der Käufer gehöre nicht zu diesem engen Kreis der Vertretungsberechtigten.
  • Insbesondere sah das Amt die Vertretung bei der Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung als unzulässig an. Diese Unterwerfung ist notwendig, damit die Bank bei Nichtzahlung direkt aus der Urkunde die Zwangsvollstreckung betreiben kann, ohne den Umweg über ein Gerichtsurteil.

Keine Anwendung der Regelungen über den Parteiprozess auf eine Finanzierungsvollmacht im Rahmen eines Grundstückserwerbs

3. Die Entscheidung des Landgerichts Münster

Das Landgericht Münster gab der Beschwerde der Beteiligten statt und hob die Zwischenverfügung des Grundbuchamts auf.

  • Der Kern der Entscheidung: Der Verkäufer darf den Käufer im Rahmen einer Finanzierungsvollmacht weiterhin bevollmächtigen, das Grundstück mit einer Grundschuld zu belasten und der sofortigen Zwangsvollstreckung zu unterwerfen.
  • Begründung – Keine Anwendung der neuen Gesetze:
    • Zivilrechtlicher Vorgang: Die Bestellung einer Grundschuld und die Bevollmächtigung selbst sind zivilrechtliche Vorgänge, die sich nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) richten, wo die Vertretungsbefugnis nicht eingeschränkt ist.
    • Beurkundungsverfahren: Die Vollmacht wurde vor einem Notar beurkundet. Das Beurkundungsverfahren unterliegt dem Beurkundungsgesetz (BeurkG), nicht dem Verfahrensrecht der Gerichte (ZPO/FGG).
    • Sinn und Zweck der Gesetzesreform: Die Reform sollte vor allem den Bereich der Rechtsberatung neu ordnen und den Schutz der Rechtsuchenden stärken. Eine Änderung der etablierten notariellen Praxis der Finanzierungsvollmacht war nicht beabsichtigt.
    • „Schlichtes Vertreterhandeln“: Das Gericht stellte fest, dass die Abwicklung der Grundschuldbestellung durch den Käufer in diesem Kontext ein „schlichtes Vertreterhandeln“ ist. Da der Notar den Kaufvertrag und die Grundschuldbestellungsurkunde entwirft und die Beteiligten umfassend berät, liegt keine unerlaubte Rechtsdienstleistung durch den Käufer vor. Der Verkäufer ist ausreichend geschützt.
    • Zwangsvollstreckungsunterwerfung: Auch für die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung ist das Landgericht der Meinung, dass die neuen Regelungen der Zivilprozessordnung (§ 79 ZPO) nicht für das notarielle Beurkundungsverfahren gelten, sondern für gerichtliche Verfahren.

4. Fazit

Das Landgericht Münster stellte klar, dass die Finanzierungsvollmacht zwischen Verkäufer und Käufer weiterhin zulässig und wirksam ist, solange die nötigen Schutzmechanismen (wie die direkte Auszahlung des Darlehens an den Verkäufer) vertraglich gesichert sind. Die Gesetzesreform zur gerichtlichen Vertretung (ZPO/FGG) war nicht dazu gedacht, diese gängige und praktikable Vorgehensweise im Notariats- und Grundbuchrecht zu unterbinden.


Kurz gesagt: Das Gericht entschied, dass der Verkäufer dem Käufer weiterhin eine Vollmacht geben darf, seine Immobilie für die Finanzierung des Kaufpreises zu belasten. Das Grundbuchamt musste seine Bedenken fallen lassen.

RA und Notar Krau

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