Keine Ausschlagung der Erbschaft durch Eltern für eines von mehreren minderjährigen Kindern
OLG Hamm, Beschl. v. 13.12.2013 – I-15 W 374/13
Erbausschlagung für minderjährige Kinder: Wann das Familiengericht zustimmen muss
Dieser Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm klärt eine wichtige Frage im Erbrecht und Familienrecht in Deutschland: Wann dürfen Eltern für ihre minderjährigen Kinder ein Erbe ablehnen (ausschlagen), ohne dass das Familiengericht dem zustimmen muss?
Wenn Eltern nur für eines von mehreren minderjährigen Kindern das Erbe ausschlagen, aber nicht für die anderen, ist fast immer die Genehmigung des Familiengerichts notwendig.
Nach dem Tod einer Frau (E) sollte die gesetzliche Erbfolge gelten. Ihre Tochter (Q) hätte geerbt, aber Q schlug das Erbe innerhalb der Frist aus, weil sie dachte, es gäbe ein Testament, das sie benachteiligen würde.
Durch die Ausschlagung der Q rückten ihre Kinder, die Zwillinge B1 und B3, als Ersatzerben nach. Beide waren noch minderjährig (geboren 1994, der Todesfall war 2011).
Die Eltern von B1 und B3 (darunter Q) schlugen das Erbe für B1 aus.
Sie schlugen das Erbe für B3 aber nicht aus. Sie begründeten dies damit, dass B3 das Erbe annehmen wolle und bald volljährig werde.
Das Nachlassgericht ging zunächst davon aus, dass B1 durch die Ausschlagung wegfiel und B3 allein an die Stelle der Mutter trat. Ein neuer Erbschein wurde erteilt.
Später kam es zum Streit, und ein anderer Erbe (B4) beantragte, diesen Erbschein wieder einzuziehen. Seine Begründung: Die Ausschlagung für B1 sei unwirksam, weil die notwendige familiengerichtliche Genehmigung fehlte.
Eigentlich gilt: Wenn Eltern selbst ein Erbe ausschlagen, wird vermutet, dass dies auch im besten Interesse ihrer minderjährigen Kinder ist, die als Ersatzerben nachrücken. In diesem speziellen Fall müssen die Eltern das Familiengericht nicht um Erlaubnis fragen (§ 1643 Abs. 2 S. 2 BGB).
Das OLG Hamm stellte klar: Die Ausnahme von der Genehmigungspflicht greift nicht, wenn die Eltern unterschiedlich handeln – also nur für einen Teil ihrer minderjährigen Kinder ausschlagen, aber nicht für die anderen (man spricht hier von einer „selektiven Ausschlagung“).
Die gesetzliche Vermutung des Interessengleichklangs zwischen Eltern und Kind gilt nicht mehr, wenn die Eltern eine Auswahl treffen. Sie lenken damit den Nachlass in eine bestimmte Richtung, was ein Kind bevorzugen oder benachteiligen könnte.
Das Gericht muss nicht prüfen, ob die Eltern tatsächlich böse Absichten hatten oder ein Kind gezielt benachteiligen wollten. Allein der Umstand der Auswahl (der „objektiven Selektion“) genügt, um die Genehmigungspflicht auszulösen.
Weil die Eltern von B1 und B3 das Erbe nur für B1 ausschlugen, war die Zustimmung des Familiengerichts erforderlich. Diese lag aber nicht vor.
Die Ausschlagung für den minderjährigen B1 war zunächst schwebend unwirksam (also noch nicht endgültig ungültig).
Damit die Ausschlagung wirksam wird, muss die familiengerichtliche Genehmigung innerhalb der 6-wöchigen Ausschlagungsfrist vorliegen. Das war hier nicht der Fall.
B1 wurde während der Frist volljährig. Das führte aber nicht automatisch zur Wirksamkeit der Ausschlagung. Stattdessen ging die Befugnis, die unwirksame Ausschlagung zu „genehmigen“, vom Familiengericht auf B1 selbst über.
Auch der volljährige B1 hätte die Ausschlagung der Eltern innerhalb der Frist genehmigen müssen.
B1 tat dies nicht fristgerecht. Auch eine nachträgliche private Erklärung von B1 reichte nicht aus.
Daher war die Ausschlagung für B1 endgültig unwirksam.
B1 ist daher nicht als Erbe weggefallen. Der Erbschein, der B1 nicht als Erben auswies, war falsch und musste eingezogen werden. B1 und B3 treten nun beide an die Stelle ihrer Mutter (Q) als Ersatzerben.
Eltern müssen immer die familiengerichtliche Genehmigung einholen, wenn sie nur für einen Teil ihrer minderjährigen Kinder ein Erbe ausschlagen wollen. Tun sie dies nicht, ist die Ausschlagungserklärung ungültig.
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