Keine Begrenzung der Kommanditistenhaftung in der insolvenzhalber aufgelösten KG
Dieser Artikel befasst sich mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3. Dezember 2024 (Az. II ZR 143/23), das für Kommanditisten von großer Bedeutung ist, insbesondere wenn ihre Kommanditgesellschaft (KG) insolvent wird. Es geht um die Frage, ob die Haftung der Kommanditisten im Falle einer Insolvenz zeitlich begrenzt ist.
Um das Urteil zu verstehen, ist es wichtig, die Grundlagen der KG und der Gesellschafterhaftung zu kennen.
Eine Kommanditgesellschaft (KG) ist eine Unternehmensform, die aus mindestens zwei Gesellschaftern besteht:
Einem oder mehreren Komplementären, die persönlich und unbegrenzt mit ihrem gesamten Vermögen für die Schulden der KG haften.
Einem oder mehreren Kommanditisten, deren Haftung auf eine bestimmte, im Handelsregister eingetragene Summe (Haftsumme) begrenzt ist. Sobald der Kommanditist seine Einlage in dieser Höhe geleistet hat, ist seine direkte Haftung gegenüber den Gläubigern der KG grundsätzlich ausgeschlossen.
Problematisch wird es jedoch, wenn die KG Gewinne an die Kommanditisten ausschüttet, die eigentlich nicht durch tatsächliche Gewinne gedeckt sind (sogenannte Scheingewinne oder verdeckte Einlagenrückgewähr). In solchen Fällen lebt die Haftung des Kommanditisten in Höhe der nicht durch Gewinne gedeckten Ausschüttungen wieder auf. Das bedeutet, er muss diese Beträge unter Umständen an die Gesellschaft zurückzahlen, damit die Gläubiger befriedigt werden können.
Der Fall: Insolvenz einer Schiffsgesellschafts-KG und die Rückforderung von Ausschüttungen
Im konkreten Fall ging es um eine Beteiligungsgesellschaft in Form einer KG (die „Schuldnerin“), die Anteile an zwei Schiffsgesellschaften hielt.
Diese KG wurde am 30. April 2014 insolvent. Eine Kommanditistin (die „Beklagte“) hatte eine Einlage von 20.000 EUR übernommen. Sie erhielt in den Jahren 2002 bis 2008 Ausschüttungen von insgesamt 10.800 EUR. Ein Teil dieser Ausschüttungen, nämlich 8.886,08 EUR, war nicht durch Gewinne der KG gedeckt. Von diesem Betrag zahlte die Kommanditistin später 5.000 EUR im Rahmen von Sanierungsbemühungen zurück.
Der Insolvenzverwalter der KG (der „Kläger“) forderte von der Beklagten einen Restbetrag der nicht gedeckten Ausschüttungen zurück. Er argumentierte, dass die Haftung der Kommanditistin wieder aufgelebt sei, weil sie Ausschüttungen erhalten hatte, die nicht aus Gewinnen stammten.
Ist die Haftung des Kommanditisten in der Insolvenz zeitlich begrenzt?
Das Landgericht (Berufungsgericht) hatte die Klage des Insolvenzverwalters abgewiesen. Es vertrat die Auffassung, dass die Haftung der Kommanditistin fünf Jahre nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erloschen sei.
Es zog hierfür eine Regelung im Handelsgesetzbuch (HGB) heran, die eigentlich für den Fall gilt, dass ein Gesellschafter aus einer laufenden Gesellschaft ausscheidet (§ 160 Abs. 1 Satz 1 HGB a.F. – alte Fassung bis 31.12.2023).
Diese Vorschrift besagt, dass die Haftung eines ausgeschiedenen Gesellschafters nach fünf Jahren endet, um ihn nicht ewig für alte Schulden haften zu lassen. Das Landgericht meinte, die Situation eines Kommanditisten in der Insolvenz sei mit der eines ausgeschiedenen Gesellschafters vergleichbar.
Keine zeitliche Begrenzung der Haftung in der Insolvenz
Der BGH hob das Urteil des Landgerichts auf und stellte klar, dass die Haftung eines Kommanditisten im Falle der Insolvenz der KG nicht zeitlich begrenzt ist, wie es bei einem ausscheidenden Gesellschafter der Fall wäre.
Das HGB (in der alten Fassung) sah für den Fall der Auflösung einer Gesellschaft (z.B. durch Insolvenz) bereits eine Regelung zur Verjährung der Gesellschafterhaftung vor (§ 159 HGB a.F.). Diese besagt, dass die Verjährung mit der Eintragung der Auflösung ins Handelsregister beginnt, oder später, wenn die Forderung erst dann fällig wird. Wichtig ist: Wenn eine Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet wird, hemmt dies die Verjährung auch gegenüber den Gesellschaftern. Eine zusätzliche zeitliche Begrenzung der Haftung, wie sie für ausgeschiedene Gesellschafter gilt, ist im Fall der Insolvenz der Gesellschaft nicht vorgesehen.
Der BGH betonte, dass die Situation eines Kommanditisten in einer insolventen KG nicht mit der eines Gesellschafters vergleichbar ist, der aus einer noch aktiven Gesellschaft ausscheidet.
Wenn ein Gesellschafter ausscheidet, hat er keinen Einfluss mehr auf die Geschäfte der Gesellschaft und profitiert nicht mehr von ihr. Daher soll seine Haftung zeitlich begrenzt sein.
Im Falle der Insolvenz einer KG geht es jedoch darum, alle Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen. Hierfür wird nicht nur das Gesellschaftsvermögen verwertet, sondern auch die Haftung der Kommanditisten für nicht gedeckte Ausschüttungen herangezogen. Eine zeitliche Begrenzung der Haftung würde dem Zweck des Insolvenzverfahrens, nämlich der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung, widersprechen. Den Kommanditisten droht in der Insolvenz auch keine „unüberschaubare und unzumutbare“ Haftung, da sie ja nur bis zu ihrer Haftsumme bzw. in Höhe der unzulässigen Ausschüttungen haften.
Auch die seit dem 1. Januar 2024 geltende Neufassung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) unterstützt die Auffassung des BGH. Die neue Regelung verknüpft die Verjährung der Gesellschafterhaftung nicht mehr mit der Auflösung, sondern mit dem Erlöschen der Gesellschaft, was auch den Abschluss eines Insolvenzverfahrens umfasst. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber eine weitergehende zeitliche Begrenzung der Haftung in der aufgelösten Gesellschaft nicht beabsichtigt hat.
Das Urteil des BGH ist für Kommanditisten und Insolvenzverwalter von großer Bedeutung:
Sie müssen damit rechnen, dass ihre Haftung für erhaltene Ausschüttungen, die nicht durch Gewinne gedeckt waren, auch im Falle der Insolvenz der KG zeitlich nicht begrenzt ist. Das bedeutet, dass der Insolvenzverwalter diese Beträge auch nach fünf Jahren noch zurückfordern kann, solange die allgemeine Verjährung nicht eingetreten ist und die Forderung im Insolvenzverfahren angemeldet wurde. Dies erhöht das Risiko für Kommanditisten, wenn sie Ausschüttungen erhalten, ohne die tatsächliche Gewinnlage der Gesellschaft genau zu prüfen.
Das Urteil stärkt ihre Position, Rückforderungsansprüche gegen Kommanditisten in der Insolvenz geltend zu machen, da die zeitliche Begrenzung, die das Landgericht angenommen hatte, nicht greift. Dies kann zu einer besseren Befriedigung der Gläubiger in Insolvenzverfahren von KGs führen.
Das Urteil stellt klar, dass die Haftung der Kommanditisten in einer insolvenzbedingt aufgelösten KG anders zu beurteilen ist als die Haftung eines aus der Gesellschaft ausgeschiedenen Gesellschafters. Im Fokus steht hier der Schutz der Gläubiger und die bestmögliche Verwertung des Vermögens zur Schuldendeckung.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.
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