Keine betragsmäßige Beschränkung erteilter Belastungsvollmacht bei Nachweis der das Sicherungsinteresse des Verkäufers wahrenden Sicherungsabrede

November 2, 2025

Keine betragsmäßige Beschränkung erteilter Belastungsvollmacht bei Nachweis der das Sicherungsinteresse des Verkäufers wahrenden Sicherungsabrede

Datum: 26.08.2016
Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper: 15. Zivilsenat
Entscheidungsart: Beschluss
Aktenzeichen: 15 W 318/16

Vorinstanz: Amtsgericht Lünen, WE-3459-13

Zusammenfassung: Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 26.08.2016 (15 W 318/16)

Thema: Umfang einer Vollmacht zur Bestellung einer Grundschuld (Belastungsvollmacht) beim Immobilienkauf.


Worum geht es?

Dieser Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm behandelt eine alltägliche, aber wichtige Frage beim Kauf von Wohneigentum: Wie weit darf eine Belastungsvollmacht reichen, die der Verkäufer dem Käufer im notariellen Kaufvertrag erteilt?

Beim Immobilienkauf ist es üblich, dass der Käufer schon vor der endgültigen Eigentumsübertragung die Möglichkeit haben muss, das gekaufte Objekt im Grundbuch mit einer Grundschuld zu belasten. Dies ist notwendig, damit die finanzierende Bank dem Käufer überhaupt ein Darlehen gewährt und den Kaufpreis auszahlen kann. Zu diesem Zweck erteilt der Verkäufer dem Käufer (oder meist einem Notariatsmitarbeiter) eine sogenannte Belastungsvollmacht.

Der konkrete Konflikt

In dem verhandelten Fall hatte der Käufer eine Grundschuld eintragen lassen, deren Kapitalbetrag höher war als der eigentliche Kaufpreis des Wohnungseigentums.

Das Grundbuchamt (die Behörde, die für die Eintragungen im Grundbuch zuständig ist) lehnte die Eintragung ab. Es vertrat die Auffassung, dass sich aus den Vertragsunterlagen nicht hinreichend beweisen lasse, dass die erteilte Belastungsvollmacht auch eine Grundschuld decke, die betragsmäßig über den Kaufpreis hinausgeht. Der Gedanke dahinter: Die Vollmacht müsse zum Schutz des Verkäufers auf die Höhe des Kaufpreises beschränkt sein.

Keine betragsmäßige Beschränkung erteilter Belastungsvollmacht bei Nachweis der das Sicherungsinteresse des Verkäufers wahrenden Sicherungsabrede

Die Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm hat die ablehnende Entscheidung des Grundbuchamts aufgehoben und gab dem Käufer (bzw. dem Notar, der die Eintragung beantragte) recht.

1. Auslegung der Vollmacht

Das Gericht stellte fest, dass eine Vollmacht – auch im formalen Grundbuchverfahren – immer ausgelegt, das heißt, ihrem Sinn nach verstanden werden muss.

Entscheidend für die Auslegung ist, ob das berechtigte Sicherungsinteresse des Verkäufers ausreichend geschützt wird. Das Interesse des Verkäufers ist, dass sein Grundstück (das ihm rechtlich noch gehört) bei einem Scheitern des Kaufvertrages nicht für andere Schulden oder Darlehensverpflichtungen des Käufers haften muss.

2. Schutz durch die Zweckbindung

Das OLG schloss sich der Rechtsprechung an, dass für eine betragsmäßige Beschränkung der Vollmacht kein Anlass besteht, wenn das Sicherungsinteresse des Verkäufers auf andere Weise gewährleistet ist.

Die hier verwendete Vollmacht war inhaltlich beschränkt, aber nicht betragsmäßig. Die Beschränkung sah vor, dass die Vollmacht nur ausgeübt werden durfte, wenn die Grundschuldbestellung eine sogenannte Sicherungsabrede (Zweckerklärung) enthielt, die im Kaufvertrag vereinbart war.

Diese Sicherungsabrede legte fest:

  • Die Bank (Grundschuldgläubigerin) durfte die Grundschuld nur als Sicherheit nutzen und behalten, soweit sie tatsächlich Zahlungen auf den Kaufpreis leistete.

3. Warum die betragsmäßige Überschreitung in Ordnung ist

Diese zweckgebundene Beschränkung schützt den Verkäufer ebenso gut wie eine reine Betragsgrenze. Eine rein betragsmäßige Beschränkung wäre in der Praxis ohnehin schwierig, da Grundschulden üblicherweise höher als das eigentliche Darlehen eingetragen werden, um Zinsen, Kosten und Nebenleistungen abzudecken.

Da die Bank das Pfandrecht nur in Höhe der tatsächlich auf den Kaufpreis gezahlten Summe nutzen darf, ist das Risiko des Verkäufers minimiert.

4. Nachweis und Innenverhältnis

Das OLG stellte klar, dass in solchen Fällen zwar der Inhalt der Sicherungsabrede, die normalerweise für das Grundbuchamt irrelevant ist, nachgewiesen werden muss. Dieser Nachweis war hier durch die Anlage zur Grundschuldbestellungsurkunde erbracht worden.

Abschließend betonte das Gericht, dass das Grundbuchamt Beschränkungen, die nur im Innenverhältnis (hier: zwischen Verkäufer und Käufer, z.B. die Bedingung, dass eine bestimmte Einverständniserklärung der Bank vorliegen muss) vereinbart wurden, nicht prüfen muss.

Fazit

Die Entscheidung des OLG Hamm bestätigt, dass eine Vollmacht zur Eintragung einer Grundschuld auch dann gültig ist, wenn der eingetragene Betrag der Grundschuld den Kaufpreis übersteigt. Entscheidend ist, dass der Verkäufer durch eine klare Zweckbindung (die Sicherungsabrede) davor geschützt wird, dass seine Immobilie für beliebige andere Schulden des Käufers haftet. Der Schutz erfolgt über die Nutzungshöhe der Grundschuld, nicht zwingend über deren formellen Eintragungsbetrag. Die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes war damit fehlerhaft und wurde aufgehoben.

RA und Notar Krau

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