Keine Dienstbarkeit zur Beschränkung des Zugangs über die Nachbarstraße
OLG München, Beschl. v. 17. 5. 2011 − 34 Wx 225/11
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) München befasst sich mit der Frage, ob man im Grundbuch eine sogenannte beschränkte persönliche Dienstbarkeit eintragen lassen kann, die den Eigentümer eines Grundstücks dauerhaft daran hindert, sein Grundstück über einen bestimmten Teil der Nachbarstraße zu erreichen oder zu verlassen.
Das Gericht hat klargestellt: Das geht nicht!
Die Eigentümer (Bet. zu 1 und 2) eines anliegenden Grundstücks und die Gemeinde (Bet. zu 3), der die Zufahrtsstraße gehört.
Das Grundstück der Bet. zu 1 und 2 grenzt an eine U-förmige Zufahrtsstraße der Gemeinde. Die Gemeinde wollte die Straße öffentlich widmen, aber verhindern, dass die Anlieger ihr Grundstück über den östlichen Teil der U-Form erreichen. Nur der westliche Teil sollte als Zu- und Abfahrt dienen.
Dies hing mit Fragen der Erschließungsbeiträge (Kosten für den Bau der Straße) zusammen.
Die Anlieger (Bet. 1 und 2) räumten der Gemeinde (Bet. 3) eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit an ihrem eigenen Grundstück ein. Deren Inhalt: Der Eigentümer soll es immerwährend unterlassen, das Grundstück über den rot schraffierten (östlichen) Teil der Nachbarstraße mit Fahrzeugen zu befahren.
Im deutschen Sachenrecht gibt es nur eine begrenzte Anzahl von Rechten, die man an Grundstücken eintragen lassen kann (der sogenannte Numerus Clausus der Sachenrechte). Eine Dienstbarkeit belastet ein Grundstück zugunsten einer anderen Person (beschränkte persönliche Dienstbarkeit) oder eines anderen Grundstücks (Grunddienstbarkeit). Sie kann dem Begünstigten erlauben, das belastete Grundstück zu nutzen (z.B. ein Wegerecht) oder dem Eigentümer des belasteten Grundstücks bestimmte Handlungen verbieten (z.B. eine bestimmte Bauhöhe – eine Unterlassungsdienstbarkeit).
Die Gemeinde wollte hier eine Unterlassungsdienstbarkeit eintragen, um die Nutzung des östlichen Teils der Nachbarstraße durch die Anlieger zu unterbinden.
Das Grundbuchamt lehnte die Eintragung ab, und das OLG München bestätigte diese Entscheidung.
Das Gericht begründete dies wie folgt:
Eine Dienstbarkeit kann nur den Inhalt haben, der im Gesetz für die Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB) vorgesehen ist. Das sind im Wesentlichen drei Fälle:
Der Eigentümer des belasteten Grundstücks muss etwas dulden (z.B. die Überfahrt).
Der Eigentümer muss etwas unterlassen (Unterlassungsdienstbarkeit).
Die Ausübung eines Rechts muss ausgeschlossen werden, das sich aus dem Eigentum am belasteten Grundstück ergibt (Ausschluss von Eigentümerrechten).
Der versuchte Inhalt (Zugang über die Nachbarstraße zu beschränken) passt in keine dieser Kategorien.
Eine Unterlassungsdienstbarkeit bezieht sich nur auf Handlungen, die der Eigentümer kraft seines Eigentums an seinem eigenen Grundstück eigentlich vornehmen dürfte, aber unterlässt (z.B. auf seinem Grundstück nicht zu bauen).
Die Nutzung der Nachbarstraße (dem Grundstück der Gemeinde) ist keine Handlung, die der Anlieger (Bet. 1 und 2) kraft seines eigenen Grundstückseigentums vornimmt.
Wenn der Anlieger die Straße betritt oder befährt, überschreitet er die Grenze zu einem fremden Grundstück. Das ist prinzipiell eine Grenzüberschreitung, die der Nachbar (die Gemeinde) grundsätzlich mit dem Abwehrrecht aus § 1004 BGB (Beseitigung und Unterlassung einer Störung) verhindern könnte, sofern keine Erlaubnis besteht.
Das Recht, über ein fremdes Grundstück zu fahren, ist kein Recht, das sich aus dem Eigentum am eigenen Grundstück ergibt. Es ist eine Nutzung des Nachbargrundstücks.
Auch der Ausschluss eines Eigentümerrechts scheidet aus. Dieses Recht muss sich ebenfalls aus dem Eigentum am belasteten Grundstück gegenüber dem Nachbargrundstück ergeben.
Der Anspruch der Anlieger auf Zu- und Abfahrt ergibt sich nicht aus ihrem privatrechtlichen Eigentum am eigenen Grundstück, sondern in diesem Fall hauptsächlich aus dem öffentlichen Straßenrecht (dem sogenannten Anliegergebrauch) an der gewidmeten Straße.
Die Dienstbarkeit sollte aber gerade eine Beschränkung im privatrechtlichen Grundbuch bewirken, wo das Anliegerrecht auf Nutzung der Straße kein Eigentümerrecht der Bet. 1 und 2 ist, das man ausschließen könnte.
Die Beschränkung des Zugangs zu einem Grundstück über eine fremde, gewidmete Straße kann nicht Gegenstand einer Dienstbarkeit im Grundbuch sein. Eine Dienstbarkeit darf nur das belastete Grundstück selbst und Rechte, die sich aus dessen Eigentum ergeben, betreffen.
Der versuchte Inhalt bezog sich jedoch auf eine Beschränkung der Nutzung des Nachbargrundstücks (der Straße) durch den Anlieger, was rechtlich nicht als Dienstbarkeit an seinem eigenen Grundstück eintragbar ist. Die Abgrenzung der Nutzung muss auf andere Weise, primär im öffentlichen Straßenrecht, erfolgen.
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