Keine Einwände gegen falsch festgestellte Forderungen im Anfechtungsprozess

Juni 13, 2025

Keine Einwände gegen falsch festgestellte Forderungen im Anfechtungsprozess

RA und Notar Krau

Stell dir vor, jemand ist hoch verschuldet und kann seine Rechnungen nicht mehr bezahlen. Dann wird oft ein Insolvenzverfahren eröffnet. Ziel ist es, das restliche Vermögen gerecht unter den Gläubigern aufzuteilen. Manchmal versucht der Schuldner aber, kurz vor der Insolvenz noch Vermögen beiseitezuschaffen oder bestimmte Gläubiger bevorzugt zu bezahlen. Das ist nicht fair den anderen Gläubigern gegenüber und nennt sich Insolvenzanfechtung.

Das Insolvenzrecht hat Regeln, um solche Handlungen rückgängig zu machen. Der Insolvenzverwalter ist dafür zuständig, das Vermögen zu sichern und eventuelle Anfechtungsansprüche geltend zu machen.

Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 19. Dezember 2024 (Az. IX ZR 120/23) beschäftigt sich genau mit dieser Thematik. Es geht um die Frage, ob jemand, der von einer Insolvenzanfechtung betroffen ist (der Anfechtungsgegner), im Gerichtsverfahren einwenden kann, dass die Insolvenzmasse eigentlich ausreichen würde, um alle Gläubiger zu bezahlen, weil bestimmte Forderungen zu Unrecht in der Insolvenztabelle festgestellt wurden.

Der Fall: Erbschaft, Immobilienverkauf und Anfechtung

In diesem speziellen Fall ging es um den Nachlass eines Verstorbenen (Erblasser). Die Alleinerbin verkaufte eine Immobilie aus dem Nachlass. Ein Teil des Geldes wurde verwendet, um erbrechtliche Ansprüche des Bruders der Alleinerbin zu bezahlen, ein anderer Teil für die Ablösung einer Grundschuld. Der Restbetrag landete auf einem Anderkonto. Die Alleinerbin war in finanziellen Schwierigkeiten und nutzte das Geld unter anderem, um eigene Schulden und auch Schulden des Klägers zu begleichen.

Später beantragte die Alleinerbin ein Insolvenzverfahren über den Nachlass. Der Insolvenzverwalter (der Beklagte in diesem Fall) verlangte vom Kläger Geld zurück. Er meinte, der Kläger habe unentgeltlich Zahlungen aus dem Nachlass erhalten, die angefochten werden könnten. Im Insolvenzverfahren wurden Forderungen in Höhe von über 215.000 Euro festgestellt, darunter auch Ansprüche der Mutter der Alleinerbin.

Der Kläger war der Meinung, der Erlös aus dem Immobilienverkauf sei gar nicht Teil des Nachlasses und somit nicht der Insolvenzmasse zuzurechnen. Er wollte gerichtlich feststellen lassen, dass der Insolvenzverwalter keine Ansprüche gegen ihn hat, und forderte Unterlassung.

Keine Einwände gegen falsch festgestellte Forderungen im Anfechtungsprozess

Was sagt der BGH?

Der BGH hat entschieden, dass der Kläger die Zahlungen aus dem Nachlass erhalten hat. Der Erlös aus dem Immobilienverkauf gehörte trotz des Verkaufs zur Insolvenzmasse. Das Gericht erklärte, dass, auch wenn der Erlös nicht durch eine direkte „Ersetzung“ des ursprünglichen Nachlassgegenstands in den Nachlass gelangt ist, er dennoch als Teil der Insolvenzmasse gilt, wenn der Erbe den Erlös klar von seinem eigenen Vermögen trennt und das Geschäft der Verwaltung des Nachlasses diente.

Ein wichtiger Punkt war die Gläubigerbenachteiligung. Eine Anfechtung ist nur möglich, wenn die anderen Gläubiger durch die angefochtene Handlung benachteiligt wurden. Das ist der Fall, wenn die Insolvenzmasse ohne die Anfechtung nicht ausreicht, um alle Gläubigeransprüche zu erfüllen. Im Insolvenzverfahren spricht ein sogenannter Anscheinsbeweis dafür, dass die Masse nicht ausreicht.

Der Kläger versuchte, diesen Anscheinsbeweis zu entkräften, indem er argumentierte, die zur Tabelle festgestellten Forderungen der Mutter der Alleinerbin seien zu Unrecht festgestellt worden und die Masse deshalb ausreichend.


Die zentrale Aussage des BGH

Der BGH hat klargestellt: Der Anfechtungsgegner kann im Anfechtungsprozess nicht einwenden, die Insolvenzmasse reiche deshalb aus, weil die Feststellung einer Forderung zur Tabelle zu Unrecht erfolgt sei.

Warum ist das so wichtig? Weil die Feststellung einer Forderung zur Insolvenztabelle eine besondere Wirkung hat. Gemäß § 178 Absatz 3 der Insolvenzordnung (InsO) wirkt die Eintragung wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen anderen Insolvenzgläubigern. Das bedeutet, es steht für das Insolvenzverfahren fest, dass die angemeldete Forderung tatsächlich besteht.

Diese Forderungen müssen bei der Verteilung des Geldes an die Gläubiger berücksichtigt werden. Wenn die Insolvenzmasse ohne die Anfechtung schon nicht ausreicht, um die Gläubiger mit diesen festgestellten Forderungen zu befriedigen, dann ist klar, dass die Masse unzureichend ist. Es spielt keine Rolle, ob diese Feststellung im Nachhinein als unrichtig empfunden wird. Im Anfechtungsprozess kann man dies nicht mehr als Gegenargument nutzen.

Fazit

Das Urteil stärkt die Position des Insolvenzverwalters und die Wirksamkeit der Insolvenzanfechtung. Es stellt sicher, dass einmal zur Tabelle festgestellte Forderungen im Anfechtungsprozess nicht einfach angezweifelt werden können, um die Gläubigerbenachteiligung zu verneinen. Für die Stabilität und Effizienz von Insolvenzverfahren ist das von großer Bedeutung.

Haben Sie Fragen zu Insolvenzverfahren oder Anfechtungsansprüchen?

Schlagworte

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Warnhinweis:

Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.

Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.

Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.

Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.

Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.

Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.

Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.

Benötigen Sie eine Beratung oder haben Sie Fragen?

Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine E-Mail, damit wir die grundsätzlichen Fragen klären können.

Durch die schlichte Anfrage kommt noch kein kostenpflichtiges Mandat zustande.

Letzte Beiträge

Sozialhilfe - Vermögenseinsatz - Bestattungsvorsorgevertrag

Sozialhilfe – Vermögenseinsatz – Bestattungsvorsorgevertrag

Juli 13, 2025
Sozialhilfe – Vermögenseinsatz – BestattungsvorsorgevertragBSG, Urteil vom 18.03.2008 – B 8/9b SO 9/06 RRA und Notar KrauSozialhilfe und…
Sozialhilfe - Übernahme von Bestattungskosten 

Sozialhilfe – Übernahme von Bestattungskosten 

Juli 13, 2025
Sozialhilfe – Übernahme von Bestattungskosten RA und Notar KrauWenn der Tod kommt und das Geld nicht reicht: Was das Sozialgericht Karl…
Verzicht auf Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs bei Privatinsolvenz

Verzicht auf Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs bei Privatinsolvenz

Juli 13, 2025
Verzicht auf Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs bei PrivatinsolvenzVorinstanzen:AG Tübingen, Entscheidung vom 19.11.2007 – II 1 IK 1…