Keine Ersatzerbeneinsetzung bei Ausschlagung der Erbschaft durch überlebenden Ehegatten

Oktober 5, 2025

Keine Ersatzerbeneinsetzung bei Ausschlagung der Erbschaft durch überlebenden Ehegatten

Gerne fasse ich den Beschluss des OLG Hamm vom 14.03.2014 (Az. 15 W 136/13) zum Erbrecht in einer leicht verständlichen Form zusammen.

Kernproblem: Ausschlagung der Erbschaft und deren Folgen

Dieser Fall dreht sich um die Frage, was passiert, wenn Ehepartner ein gemeinschaftliches Testament errichtet haben, sich darin gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben („Berliner Testament“), aber der überlebende Ehepartner die Erbschaft nach dem Tod des ersten Partners ausschlägt.

Insbesondere ging es darum, ob die im Testament benannten Schlusserben – also diejenigen, die eigentlich erst nach dem Tod des zweiten Ehepartners erben sollten – in diesem Fall automatisch Ersatzerben für den zuerst Verstorbenen werden.

Der Sachverhalt

Ein Ehepaar hatte ein gemeinschaftliches Testament verfasst. Darin stand:

Gegenseitige Einsetzung:

„Wir setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein.“ (Der überlebende Ehegatte sollte zunächst alles erben.)

Schlusserben:

„Als Erben des zuletzt Versterbenden von uns setzen wir zu gleichen Teilen ein: [Tochter des Erblassers] und [Neffe der Ehefrau].“ (Diese sollten erst nach dem Tod des Längerlebenden erben.)

Der Ehemann verstarb zuerst. Seine Ehefrau schlug die Erbschaft jedoch aus. Sie tat dies, um ihre eigene Verfügungsbefugnis über ihr Vermögen zurückzuerlangen, da die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments ansonsten ihre Möglichkeiten stark eingeschränkt hätte.

Nun stellte sich die Frage: Wer erbt den Nachlass des zuerst verstorbenen Ehemannes?

Die Tochter (Beteiligte zu 1): Sie beantragte einen Erbschein als Alleinerbin nach der gesetzlichen Erbfolge (da die Ehefrau ausgeschlagen hatte und somit ihr gesetzliches Erbrecht entfiel).

Der Neffe (Beteiligte zu 2): Er war der Meinung, er und die Tochter seien aufgrund der Schlusserbenregelung nunmehr Ersatzerben für den zuerst Verstorbenen und sollten seinen Nachlass zu gleichen Teilen erben.

Die Entscheidung des OLG Hamm

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm gab der Tochter Recht.

Kein Erbrecht der Ehefrau

Da die Ehefrau die Erbschaft wirksam ausgeschlagen hatte, trat sie so auf, als wäre sie nie Erbin gewesen. Ihr gesetzliches Erbrecht sowie ihre Einsetzung als testamentarische Alleinerbin fielen weg.

Keine Ersatzerbeneinsetzung bei Ausschlagung der Erbschaft durch überlebenden Ehegatten

Keine Anwendung der Schlusserbenregelung

Die Regelung, die die Tochter und den Neffen als Erben zu gleichen Teilen einsetzte, bezog sich ausdrücklich nur auf den Nachlass des „zuletzt Versterbenden“. Da der Ehemann der zuerst Verstorbene war, fand diese Bestimmung in der vorliegenden Konstellation keine direkte Anwendung.

Keine stillschweigende Ersatzerbeneinsetzung durch Auslegung

Der entscheidende Punkt war, ob die Schlusserbeneinsetzung ausgelegt werden konnte als eine Ersatzerbeneinsetzung für den Fall, dass die Ehefrau die Erbschaft ausschlägt.

Das Gericht verneinte dies:

Zweck des Testaments:

Der typische Sinn eines solchen Ehegattentestaments ist es, das gemeinsame Vermögen zunächst dem Überlebenden ohne Einschränkung zu sichern, damit dieser versorgt ist. Die Schlusserben sollen erst erben, wenn das gemeinsame Vermögen nicht mehr benötigt wird.

Folge der Ausschlagung:

Durch die Ausschlagung hat die Ehefrau diesen typischen Zweck unterlaufen und bewirkt, dass die Schlusserben (inklusive der Tochter) ihre bindende Erbaussicht auf den gesamten Nachlass nach dem Tod des Längerlebenden verloren haben.

Kein Wille des Erblassers:

Das OLG sah keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Ehemann für den Fall der Ausschlagung durch seine Frau beabsichtigt hätte, die gesetzliche Erbfolge seiner eigenen Tochter zu beschränken, um den Nachlass gleichzeitig an den Neffen seiner Frau zu verteilen. Ein solcher Wille, die gesetzliche Erbin (die Tochter) wertmäßig auf den Pflichtteil zu beschränken, wenn sie im Gegenzug nicht einmal die gesicherte Schlusserbenstellung erhält, ist in der Regel nicht anzunehmen.

Das Ergebnis

Da keine wirksame testamentarische Regelung für den Fall der Ausschlagung der Ehefrau vorlag und eine entsprechende Auslegung nicht möglich war, trat für den Nachlass des zuerst verstorbenen Ehemannes die gesetzliche Erbfolge ein.

Die Tochter (Beteiligte zu 1) wurde somit Alleinerbin ihres Vaters nach gesetzlicher Erbfolge. Der Neffe (Beteiligte zu 2) ging leer aus.

Fazit

Wenn Eheleute in einem Berliner Testament vereinbaren, dass nach dem Tod des zweiten Partners bestimmte Schlusserben erben sollen, dann werden diese nicht automatisch Ersatzerben für den Fall, dass der überlebende Partner die Erbschaft nach dem ersten Tod ausschlägt.

In einem solchen Fall tritt dann für den Nachlass des zuerst Verstorbenen die gesetzliche Erbfolge ein, falls die Ehepartner nicht ausdrücklich im Testament geregelt haben, wer Ersatzerbe sein soll (z. B. „Wenn meine Frau die Erbschaft ausschlägt, erben ersatzweise unsere Kinder/die Schlusserben.“). Wer Ersatzerben einsetzen will, muss dies eindeutig im Testament festhalten.

RA und Notar Krau

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