Keine Gläubigerbenachteiligung durch unterbliebene Ausübung einer Belastungsvollmacht

November 1, 2025

Keine Gläubigerbenachteiligung durch unterbliebene Ausübung einer Belastungsvollmacht

Gericht: OLG Frankfurt 4. Zivilsenat
Entscheidungsdatum: 25.07.2025
Aktenzeichen: 4 U 282/22
Dokumenttyp: Urteil

Urteil des OLG Frankfurt: Keine Anfechtung wegen nicht genutzter Belastungsvollmacht

Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat in seinem Urteil vom 25. Juli 2025 (Az.: 4 U 282/22) entschieden, dass die Gläubiger eines Erblassers nicht benachteiligt werden, wenn der Erblasser eine ihm bei einer früheren Schenkung eingeräumte Vollmacht zur Belastung eines Grundstücks nicht ausübt.

Der Kern des Falles

Der Fall dreht sich um die Frage, ob der Insolvenzverwalter des Nachlasses einer verstorbenen Mutter (Erblasserin) eine Schenkung, die lange vor dem Insolvenzverfahren stattfand, nachträglich anfechten kann.

Was ist passiert?

Die Erblasserin hatte bereits im Jahr 2002 (also lange vor ihrem Tod im Jahr 2017 und der Eröffnung des Insolvenzverfahrens 2018) zwei Grundstücke schenkweise auf ihre Tochter (die Beklagte) übertragen.

Wichtiges Detail:

Im Schenkungsvertrag hatte sich die Erblasserin unter anderem das Recht vorbehalten, die Grundstücke mit Grundpfandrechten (wie Grundschulden oder Hypotheken) in beliebiger Höhe zu belasten (Belastungsvollmacht).

Die Anfechtung:

Der Insolvenzverwalter (Kläger) wollte die Tochter zur Zahlung eines Geldbetrages heranziehen. Er argumentierte, die eigentliche anfechtbare Handlung sei nicht die Schenkung selbst (die war verjährt, da zu lange her), sondern das Unterlassen der Erblasserin, diese Belastungsvollmacht bis zu ihrem Tod zu nutzen.

Seine Logik:

Erst durch den Tod der Mutter und das Erlöschen der Vollmacht sei der volle Wert der Grundstücke (abzüglich bestehender Schulden) unentgeltlich an die Tochter geflossen. Das sei eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne der Insolvenzordnung (§ 129 InsO, § 134 InsO).

Keine Gläubigerbenachteiligung durch unterbliebene Ausübung einer Belastungsvollmacht

Die Entscheidung des Gerichts (OLG Frankfurt)

Das OLG hat die Berufung des Insolvenzverwalters zurückgewiesen und damit die erstinstanzliche Klageabweisung bestätigt.

Keine Gläubigerbenachteiligung durch Unterlassen

Das Gericht folgte der Argumentation des Klägers nicht.

Eine Gläubigerbenachteiligung liegt laut Insolvenzrecht nur vor, wenn durch die angefochtene Handlung die Aktivmasse (das Vermögen) des Schuldners vermindert oder die Schuldenmasse vermehrt wird.

Das bloße Unterlassen eines möglichen Erwerbs von Vermögen (wie hier die Nichtausübung der Belastungsvollmacht, um Kredite aufzunehmen) ist nicht anfechtbar. Es führt nicht zu einer Minderung des bestehenden Vermögens, sondern verhindert lediglich eine mögliche Mehrung.

Die Erblasserin hat durch die Nichtnutzung der Vollmacht ihr Vermögen nicht verringert; sie hat lediglich die Möglichkeit eines künftigen Erwerbs (z.B. durch Aufnahme eines Kredits, besichert durch die Vollmacht) verstreichen lassen.

Unterscheidung zu Lebensversicherungen

Der Kläger zog Parallelen zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bei widerruflichen Bezugsrechten aus Lebensversicherungen.

Dort gilt: Solange der Erblasser das Bezugsrecht jederzeit widerrufen kann, tritt die rechtliche Wirkung der Schenkung erst im Todeszeitpunkt ein.

Das OLG sah hier keine vergleichbare Situation. Bei der Lebensversicherung liegt eine positive Rechtshandlung (die Einräumung des Bezugsrechts) vor, die nur wegen der Widerrufsmöglichkeit zeitlich aufgeschoben wird.

Im vorliegenden Fall geht es jedoch um ein Unterlassen (die Nichtausübung der Vollmacht), was nach dem Insolvenzrecht anders bewertet wird. Die Schenkung selbst war eine unbedingte Eigentumsübertragung im Jahr 2002.

Schenkung war verfristet

Das Gericht stellte zudem klar, dass die Schenkung und die Eigentumsübertragung selbst nicht mehr anfechtbar waren:

Die maßgebliche Frist für die Anfechtung einer unentgeltlichen Leistung (Schenkung) beträgt nach § 134 InsO vier Jahre.

Die Schenkung fand bereits 2002 statt. Die rechtlichen Wirkungen (Übertragung des Eigentums und Eintragung ins Grundbuch) traten damals ein, also weit vor der Vierjahresfrist.

Die vorbehaltenen Rechte der Erblasserin (Wohnrecht, Nießbrauch, Rücktrittsrechte) änderten daran nichts, da sie den unbedingten Eigentumserwerb der Tochter nicht verhinderten.

Fazit

Das OLG Frankfurt hat klargestellt, dass die unterbliebene Ausübung einer Belastungsvollmacht durch den späteren Erblasser keine anfechtbare Gläubigerbenachteiligung im Insolvenzverfahren darstellt, da dies lediglich das Unterlassen eines möglichen Vermögenserwerbs ist. Die ursprüngliche Schenkung war wegen Zeitablaufs nicht mehr anfechtbar.

RA und Notar Krau

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