Keine internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte in Ansehung von in der Türkei belegenem unbeweglichem Nachlass
Der vorliegende Gerichtsbeschluss (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17. 6. 2013 – 14 Wx 84/11) klärt für Laien die Frage, ob ein deutsches Nachlassgericht Maßnahmen wie die Bestellung eines Nachlasspflegers für unbewegliches Vermögen (z.B. Häuser, Grundstücke) anordnen kann, das sich in der Türkei befindet.
Die kurze Antwort des Gerichts lautet: Nein, das deutsche Nachlassgericht ist dafür nicht zuständig.
Ein türkischer Staatsbürger, der in Deutschland lebte, verstarb im Jahr 2011 und hinterließ neben seiner Familie auch Schulden bei einem deutschen Landkreis (Sozialleistungen). Der Landkreis wollte auf das Immobilienvermögen des Verstorbenen in der Türkei zugreifen, um die Forderungen zu begleichen.
Da dies schwierig war, beantragte der Landkreis beim zuständigen deutschen Nachlassgericht die Bestellung eines Nachlasspflegers (§§ 1960, 1961BGB). Ein Nachlasspfleger ist eine Art gesetzlicher Vertreter, der den Nachlass (das Vermögen des Verstorbenen) verwaltet und sichert, meist wenn die Erben unbekannt sind oder nicht schnell handeln können. Der Landkreis erhoffte sich dadurch eine vereinfachte Geltendmachung seiner Ansprüche in der Türkei.
Das Nachlassgericht wies den Antrag zunächst ab, weil die Erben bekannt waren, was in Deutschland eigentlich gegen eine Pflegschaft spricht. Auch der Versuch des Landkreises, eine „Entscheidung nach türkischem Recht“ zu beantragen, scheiterte.
Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe bestätigte die Ablehnung des Antrags durch das Nachlassgericht. Der Hauptgrund ist ein Mangel an internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte für das türkische Immobilienvermögen.
Entscheidend ist hier nicht das normale deutsche internationale Erbrecht (Art.25 EGBGB), sondern der Konsularvertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik von 1929.
Internationale Verträge (Abkommen) wie dieser haben Vorrang vor nationalen Gesetzen.
Der Konsularvertrag legt für unbewegliches Vermögen (Immobilien) klare Regeln fest:
Die Erbschaft von Immobilien richtet sich nach den Gesetzen des Landes, in dem die Immobilie liegt (hier: türkisches Recht).
Für alle Verrichtungen und Maßnahmen in Bezug auf den unbeweglichen Nachlass sind ausschließlich die zuständigen Behörden und Gerichte des Staates zuständig und verpflichtet, in dessen Gebiet sich der Nachlass befindet (hier: türkische Gerichte und Behörden).
Diese Regelung bedeutet, dass die internationalen Zuständigkeiten der deutschen Nachlass- und Prozessgerichte fehlen.
Ein deutsches Nachlassgericht kann keinerlei Maßnahmen (auch keine Nachlasspflegschaft) in Bezug auf das Immobilienvermögen in der Türkei anordnen, selbst wenn es versuchen würde, türkisches Sachrecht anzuwenden.
Der Landkreis muss sich mit seinem Anliegen direkt an die türkischen Behörden wenden und dort versuchen, seine Forderung geltend zu machen und möglicherweise Sicherungsmaßnahmen nach türkischem Recht zu beantragen.
Wenn ein Erblasser Immobilien in der Türkei hinterlässt, sind türkische Gerichte und Behörden aufgrund eines alten Staatsvertrages allein zuständig für alle erbrechtlichen Maßnahmen bezüglich dieser Immobilien. Deutsche Gerichte dürfen in diesen Bereich nicht eingreifen, auch nicht zur Bestellung eines Pflegers zur Sicherung von Gläubigeransprüchen. Die Beschwerde des Landkreises musste daher erfolglos bleiben.
Die auf dieser Homepage wiedergegebenen Gerichtsentscheidungen bilden einen kleinen Ausschnitt der Rechtsentwicklung über mehrere Jahrzehnte ab. Nicht jedes Urteil muss daher zwangsläufig die aktuelle Rechtslage wiedergeben.
Einige Entscheidungen stellen Mindermeinungen dar oder sind später im Instanzenweg abgeändert oder durch neue obergerichtliche Entscheidungen oder Gesetzesänderungen überholt worden.
Das Recht entwickelt sich ständig weiter. Stetige Aktualität kann daher nicht gewährleistet werden.
Die schlichte Wiedergabe dieser Entscheidungen vermag daher eine fundierte juristische Beratung keinesfalls zu ersetzen.
Für den fehlerhaften juristischen Gebrauch, der hier wiedergegebenen Entscheidungen durch Dritte außerhalb der Kanzlei Krau kann daher keine Haftung übernommen werden.
Verstehen Sie bitte die Texte auf dieser Homepage als gedankliche Anregung zur vertieften Recherche, keinesfalls jedoch als rechtlichen Rat.
Es soll auch nicht der falsche Anschein erweckt werden, als seien die veröffentlichten Urteile von der Kanzlei Krau erzielt worden. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Vielmehr handelt es sich um einen allgemeinen Auszug aus dem deutschen Rechtsleben zur Information der Rechtssuchenden.