Keine internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte in Ansehung von in der Türkei belegenem unbeweglichem Nachlass

Oktober 6, 2025

Keine internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte in Ansehung von in der Türkei belegenem unbeweglichem Nachlass

Der vorliegende Gerichtsbeschluss (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17. 6. 2013 – 14 Wx 84/11) klärt für Laien die Frage, ob ein deutsches Nachlassgericht Maßnahmen wie die Bestellung eines Nachlasspflegers für unbewegliches Vermögen (z.B. Häuser, Grundstücke) anordnen kann, das sich in der Türkei befindet.

Die kurze Antwort des Gerichts lautet: Nein, das deutsche Nachlassgericht ist dafür nicht zuständig.

Der Sachverhalt: Worum ging es?

Ein türkischer Staatsbürger, der in Deutschland lebte, verstarb im Jahr 2011 und hinterließ neben seiner Familie auch Schulden bei einem deutschen Landkreis (Sozialleistungen). Der Landkreis wollte auf das Immobilienvermögen des Verstorbenen in der Türkei zugreifen, um die Forderungen zu begleichen.

Da dies schwierig war, beantragte der Landkreis beim zuständigen deutschen Nachlassgericht die Bestellung eines Nachlasspflegers (§§ 1960, 1961BGB). Ein Nachlasspfleger ist eine Art gesetzlicher Vertreter, der den Nachlass (das Vermögen des Verstorbenen) verwaltet und sichert, meist wenn die Erben unbekannt sind oder nicht schnell handeln können. Der Landkreis erhoffte sich dadurch eine vereinfachte Geltendmachung seiner Ansprüche in der Türkei.

Das Nachlassgericht wies den Antrag zunächst ab, weil die Erben bekannt waren, was in Deutschland eigentlich gegen eine Pflegschaft spricht. Auch der Versuch des Landkreises, eine „Entscheidung nach türkischem Recht“ zu beantragen, scheiterte.

Die Entscheidung: Warum ist das deutsche Gericht nicht zuständig?

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe bestätigte die Ablehnung des Antrags durch das Nachlassgericht. Der Hauptgrund ist ein Mangel an internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte für das türkische Immobilienvermögen.

Keine internationale Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte in Ansehung von in der Türkei belegenem unbeweglichem Nachlass

Maßgebliches Recht: Der Konsularvertrag

Entscheidend ist hier nicht das normale deutsche internationale Erbrecht (Art.25 EGBGB), sondern der Konsularvertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik von 1929.

Internationale Verträge (Abkommen) wie dieser haben Vorrang vor nationalen Gesetzen.

Die Regelung im Vertrag

Der Konsularvertrag legt für unbewegliches Vermögen (Immobilien) klare Regeln fest:

Anwendbares Erbrecht:

Die Erbschaft von Immobilien richtet sich nach den Gesetzen des Landes, in dem die Immobilie liegt (hier: türkisches Recht).

Ausschließliche Zuständigkeit:

Für alle Verrichtungen und Maßnahmen in Bezug auf den unbeweglichen Nachlass sind ausschließlich die zuständigen Behörden und Gerichte des Staates zuständig und verpflichtet, in dessen Gebiet sich der Nachlass befindet (hier: türkische Gerichte und Behörden).

Die Konsequenz

Diese Regelung bedeutet, dass die internationalen Zuständigkeiten der deutschen Nachlass- und Prozessgerichte fehlen.

Ein deutsches Nachlassgericht kann keinerlei Maßnahmen (auch keine Nachlasspflegschaft) in Bezug auf das Immobilienvermögen in der Türkei anordnen, selbst wenn es versuchen würde, türkisches Sachrecht anzuwenden.

Der Landkreis muss sich mit seinem Anliegen direkt an die türkischen Behörden wenden und dort versuchen, seine Forderung geltend zu machen und möglicherweise Sicherungsmaßnahmen nach türkischem Recht zu beantragen.

Fazit

Wenn ein Erblasser Immobilien in der Türkei hinterlässt, sind türkische Gerichte und Behörden aufgrund eines alten Staatsvertrages allein zuständig für alle erbrechtlichen Maßnahmen bezüglich dieser Immobilien. Deutsche Gerichte dürfen in diesen Bereich nicht eingreifen, auch nicht zur Bestellung eines Pflegers zur Sicherung von Gläubigeransprüchen. Die Beschwerde des Landkreises musste daher erfolglos bleiben.

RA und Notar Krau

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